Doping im Biathlon:240 000 Euro für eine heile Welt

Biathlon - IBU World Championships Hochfilzen -  Men 4 x 7.5 km Relay

Russische Männer-Staffel: Mit Gold bei der WM in Hochfilzen - aber es gibt auch Verdachtsmomente auf Betrug

(Foto: REUTERS)
  • Rund um den Biathlon-Weltverband IBU wird derzeit ermittelt, ob Funktionäre für das Vertuschen von Dopingfällen Schmiergelder in Höhe von 300 000 Dollar (rund 240 000 Euro) angenommen haben.
  • Im Fokus steht dabei die Biathlon-WM im Februar 2017 in Hochfilzen/Österreich. Allerdings reichen die Korruptionsvorwürfe bis 2012 zurück.
  • Eingebunden ist auch die bayerische Doping-Staatsanwaltschaft, die wiederum die Nationale Anti-Doping-Agentur aufgeschreckt hat.

Von Thomas Kistner

Es geht wieder mal um korrupte Funktionäre, um dicke Geldbeträge und vertuschte russische Dopingfälle; diesmal versinkt der Wintersport im Sumpf. Im Fokus der neuen Affäre steht der Biathlon-Weltverband IBU, das Kriminalstück hat aber auch Deutschland erreicht. Auch hier führten kooperierende Strafbehörden eine Razzia durch, neben Durchsuchungen in Norwegen und Österreich. In Salzburg sitzt die IBU, dort lokalisiert sich das Zentrum des Bebens, weshalb die Federführung bei der Wiener Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) liegt. Eingebunden ist auch die bayerische Doping-Staatsanwaltschaft, die wiederum die Nationale Anti-Doping-Agentur aufgeschreckt hat. "Wir sind in Hab-Acht-Stellung", sagte Nada-Geschäftsführer Lars Mortsiefer der SZ.

Die IBU meldete am Donnerstag den vorläufigen Rückzug ihrer langjährigen Führungsfiguren. Präsident Anders Besseberg (Norwegen) lässt das Chefamt ruhen, seine enge Vertraute, die deutsche Generalsekretärin Nicole Resch, ist vorläufig suspendiert worden. Zugleich gab die Strafbehörde in Wien erste Details bekannt. Ihre Doping- und Betrugsermittlungen stützen sich auf Vorwürfe "gegen IBU-Funktionäre sowie gegen Betreuer und Sportler des russischen Biathlon-Teams". Überdies gehe es um die "Geschenkannahme von Bediensteten".

Untersucht wird, ob Verdachtsfälle gegen russische Biathleten "nicht angemessen" behandelt wurden; sprich: ob sie vertuscht worden sind. Und vor allem: Ob für das Vertuschen Schmiergelder in Höhe von 300 000 Dollar (rund 240 000 Euro) "versprochen bzw. angenommen worden" sind. Dann kämen auch noch durch Doping erschwindelte Preisgelder von zirka 35 000 Euro hinzu. Im Fokus steht dabei die Biathlon-WM im Februar 2017 in Hochfilzen/Österreich. Allerdings reichen die Korruptionsvorwürfe bis 2012 zurück.

Wie viele Geldbündel passen in einen Diplomatenkoffer?

Der zeitliche Bezug verrät, dass sich die Untersuchung auch auf Daten aus der sogenannten Lims-Datenbank des Moskauer Dopinglabors stützt, welche Russlands Sportführer, unter globalen Druck geraten in ihrer Staatsdopingaffäre, erst im Herbst 2017 herausgerückt hatten. Sofort nahm das forensische Ermittlerteam der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) unter dem deutschen Chef Günter Younger die Arbeit auf. Die Funde flossen in das Belastungsmaterial ein, das die Wada im November an die Wiener Strafbehörden übersandte.

Beiträge dazu hatte auch Grigorij Rodtschenkow geleistet. Der in das US-Zeugenschutzprogramm abgetauchte langjährige Moskauer Laborchef soll laut der Pariser Zeitung Le Monde sogar bezeugt haben, dass russische Biathlon-Funktionäre 2013 in seinem Beisein diskutierten, wie viele Geldbündel in einen Diplomatenkoffer passen. Das Blatt sieht in Youngers Report ein Korruptionsszenario nachgezeichnet, das dem bekannten Bestechungs-Schema im Leichtathletik-Weltverband IAAF gleicht: Athleten und Funktionäre kehren gegen Bezahlung Dopingfälle unter den Tisch.

Laxe Betreuung der Athleten-Blutpässe

Russland, so soll es im Wada-Bericht heißen, habe seine Interessen über die IBU-Spitzen Besseberg und Resch gefördert. Vermutet wird nun eine Komplizenschaft, die sich auf starke sportpolitische Indizien stützt. Da ist etwa der lobbyartige Beistand Bessebergs für alle russische Anliegen: Sogar inmitten der den Weltsport aufwühlenden russischen Doping-Staatsaffäre ließ sich der Russland-Freund aus Norwegen nur mit Mühe ausreden, die Biathlon-WM 2021 in die sibirische Stadt Tjumen zu vergeben. Ebenso verdächtig sei laut Wada-Report die angeblich "erstaunlich laxe Betreuung" der biologischen Athleten-Blutpässe, die der Aufsicht der IBU-Generalsekretärin Resch oblag.

Dass Besseberg, seit 1993 IBU-Chef, auch seit der Gründung anno 2000 im Stiftungsrat der Wada hockt, zeigt erneut die absurde Konstruktion der sporteigenen Kontrollinstanzen. Dass Youngers Forensiker-Team jetzt so schnell zugeschlagen hat, ist kein Widerspruch. Der frühere LKA-Netzfahnder aus Bayern arbeitet erst seit 2016 für die Wada, weitgehend autark - ob das so bleibt, ist sehr genau zu verfolgen.

Die Causa IBU bringt vieles in Bewegung. Biathlon, ein in eher wenigen Ländern gepflegter Sport, der sich speziell in Deutschland großer Popularität und vieler Medaillenhelden erfreut, zählt zu den großen Problemkindern der Dopingkontrollgremien. Nada-Geschäftsführer Mortsiefer beklagt: "Wir haben Schwierigkeiten mit den Biathleten. Der Austausch mit der IBU ist deutlich zu verbessern und in letzter Zeit nahezu ausgefallen." Auch der deutsche Verband sei da "keine Ausnahme".

Keine Nada-Tests bei Wettkämpfen auf deutschem Boden

Dass in Resch und dem ob seiner Rolle im DDR-Dopingsport höchst umstrittenen Thomas Pfüller als IBU-Vizepräsidenten gleich zwei Deutsche hohe Ämter im Weltgremium haben, sei wenig hilfreich. Zu Resch habe es "eher gar kein Verhältnis" gegeben; nicht mal auf Nada-Tests bei Wettkämpfen auf deutschem Boden habe man sich einigen können. Die IBU greife lieber auf eigene Leute zurück. Was sich mit Aussagen im brisanten Wada-Dossier deckt: Demnach habe die IBU bei den dopingverseuchten Sotschi-Winterspielen 2014 sogar versucht, zwanzig Proben ihrer Biathleten mit eigenem Gerät zu analysieren.

Als die Maschine ausfiel, seien die Behälter ins IOC-Labor geschickt worden - doch die vier Proben der russischen Männerstaffel, die Tage später Gold gewann, seien viel zu spät geliefert und für ungültig erklärt worden. Verfeinerte Nachanalysen hätten nun starke Verdachtsmomente in zwei der Proben erbracht.

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