Doping:Heiter bis wolkig

Jelena Issinbajewa_Kreis

Vorzeige-Russin: Jelena Issinbajewa.

(Foto: Charisius/dpa)

Der McLaren-Report zeigt mit vielen Belegen, wie Russland die Sportwelt jahrelang betrog. Doch die Führung des Landes vermittelt dein Eindruck: Uns kann keiner etwas anhaben!

Von René Hofmann

Die Sportwelt bebt immer noch. Vor einer Woche präsentierte der kanadische Jurist Richard McLaren seinen zweiten Bericht zu den systematischen Doping-Manipulationen in Russland. Seitdem ist viel passiert. Eine Ausriss-Sammlung:

Freitag, 9. Dezember: Der von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada eingesetzte Ermittler Richard McLaren stellt in London seinen Bericht vor. In diesem werden Zahlen genannt. Mehr als 1000 Athleten sollen von dem systematischen Doping-betrug in Russland profitiert haben, der sich mindestens zwischen 2011 und 2015 ereignete. In dem Report heißt es - unter Punkt eins der referierten Erkenntnisse -, in dem Land habe es eine "institutionelle Verschwörung" gegeben, an der unter anderen Offizielle des Sportministeriums und der russischen Anti-Doping-Agentur Rusada mitwirkten. Im Moskauer Anti- Doping-Labor wurden Steroid-Cocktails entwickelt. Um den Betrug zu vertuschen, wurden Ergebnisse von Dopingtests gefälscht und später - mithilfe des Geheimdienstes - Dopingproben manipuliert. Eine Sammlung der Belege, die ihn zu diesem Schluss kommen ließen, veröffentlicht McLaren im Internet.

Freitag, 9. Dezember: Die einstige Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa, die zwei Tage vor der Veröffentlichung des Reports zur neuen Aufsichtsratsvorsitzende der Rusada bestimmt worden war, gibt eine Stellungnahme ab. Sie sagt: "Es ist immer sehr einfach, Schuldige und Unschuldige in einen Topf zu werfen." Und weiter: "Ich bezweifle, dass uns konkrete Beweise für eine Schuld gezeigt werden können."

Samstag, 10. Dezember: Die russische Nachrichtenagentur Tass transportiert eine Aussage von Witalij Mutko. Der Vizechef der russischen Regierung, der zu der im McLaren-Report durchleuchteten Zeit Sportminister war, bestreitet, dass bei den Olympischen Winterspielen 2014 heimlich Dopingproben ausgetauscht worden seien. Dies ist eine der Kernerkenntnisse von McLarens Arbeit. Mutko: "In Sotschi wäre es unrealistisch gewesen, das zu tun, was man uns vorwirft."

Samstag, 10. Dezember: Die Deutsche Presse-Agentur verbreitet ein Interview mit Thomas Bach. In diesem sagt der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC): "Wir sehen, dass viele der Probleme, die auftreten, nicht Probleme der internationalen Verbände, sondern schlicht nationale Probleme sind: Russland ist ein nationales Problem, aber auch Kenia oder Spanien."

Sonntag, 11. Dezember: Die russische Agentur R-Sport zitiert erneut Witalij Mutko. Der Vize-Premier ist sich sicher, dass es bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang/Südkorea keinen kompletten Bann russischer Sportler geben wird. Mutko: "Meinem Eindruck nach hat das IOC seine Richtung gefunden, dass es in diesem Fall keine Kollektivstrafe geben soll."

Sonntag, 11. Dezember: Die Internationale Eislauf-Union ISU kündigt an, als Konsequenz aus dem McLaren-Report vorerst keine Großereignisse mehr nach Russland zu vergeben.

Dienstag, 13. Dezember: Der Bob- und Skeleton-Weltverband IBSF kündigt an, seine vom 13. bis 26. Februar geplante WM nicht in Sotschi auszutragen. Als Begründung heißt es: "Das IBSF-Exekutivkomitee war der Auffassung, dass es in dieser schwierigen Zeit nicht ratsam ist, eine solche Veranstaltung in Russland zu organisieren."

Mittwoch, 14. Dezember: Der russische Bob- und Skeletonverband akzeptiert den Entzug der Weltmeisterschaft. In einer Mitteilung heißt es: "Wir sind bereit, für die Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit und die Einheit unseres Sports dieses Opfer zu bringen."

Donnerstag, 15. Dezember: Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew äußert sich im russischen Fernsehen. Die Vorwürfe, in dem Land habe es staatlich gestütztes Doping gegeben, nennt er "völligen Blödsinn": "Selbstverständlich hat es in Russland kein staatlich gestütztes Dopingsystem gegeben, gibt es nicht und kann es nicht geben." Medwedew sagt: "Die Anti-Doping-Kampagne hat sich in eine antirussische Kampagne verwandelt, das ist klar." Dem Land die Bob- und Skeleton-WM zu entziehen, sei eine "Kinderei".

Donnerstag, 15. Dezember: Die FAZ veröffentlicht ein Interview mit IOC-Präsident Bach, in dem dieser gefragt wird, ob es überhaupt eine Basis für eine Auseinandersetzung mit der russischen Seite geben könne, solange diese die Ergebnisse des McLaren-Reports alle abstreite. Bachs Antwort: "Ich hätte mir hier schon eine andere Reaktion vorstellen können."

Donnerstag, 15. Dezember: Die Internationale Biathlon Union teilt mit, dass ihr eine Liste mit 31 dopingverdächtigen Russen vorliege. Unter diesen befänden sich auch aktive Sportler. Namen werden nicht genannt.

Donnerstag, 15. Dezember: Der Russe Anton Schipulin, der bei den Winterspielen in Sotschi mit der Staffel Gold im Biathlon gewann, belegt beim Sprint in Nove Mesto den zweiten Platz. Anschließend äußert der 29-Jährige sich zum systemischen Doping in Russland. "Ich hoffe, dass die Wahrheit rauskommt. Aber bevor man jemanden verurteilt, braucht man eindeutige Beweise", sagt Schipulin, der versichert: "Ich bin sauber, ich habe ein reines Gewissen." Zudem äußert er: "Mir scheint, dass sich hier die Politik allzu sehr in den Sport mischt." Die IBU erwägt unterdessen, dem Land Wettbewerbe zu entziehen. Geplant sind dort aktuell: im Februar 2017 in Ostrow die Junioren-WM und im März in Tjumen ein Weltcup. 2021 soll die WM in Tjumen stattfinden.

Freitag, 16. Dezember: Der fünfmalige Biathlon-Gesamtsieger Martin Fourcade erwägt am Rande des Weltcups in Nove Mesto einen Boykott. "Ich hoffe, sie haben die Eier, sie zu sperren", sagt er dem norwegischen Sender NRK mit Blick auf die IBU und Russland. Fourcade fügt an: "Wenn nicht, müssen die Biathleten selbst aktiv werden." Dann werde er im Januar "seine Kollegen ermutigen, nicht zu starten."

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