Doping-Geständnis von Lance Armstrong:So viel wie nötig, so sentimental wie möglich

Lance Armstrong gibt in der TV-Show von Oprah Winfrey erstmals zu, seine Erfolge mit Dopingmitteln errungen zu haben. Doch was ist das Geständnis wert? Der Auftritt dient dem bereits zuvor überführten Ex-Radprofi vor allem dazu, die amerikanische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass er doch ein prima Kerl ist.

Von Jürgen Schmieder

Die am wenigsten überraschende Aussage kam von Oprah Winfrey selbst. Die Moderatorin twitterte nach dem Interview mit Lance Armstrong, dass der ehemalige Radfahrer gut vorbereitet gewesen sei auf das Gespräch. "He came READY", schrieb Winfrey. Wobei das ungefähr so viel Nachrichtengehalt hatte, als hätte sie geschrieben, dass die Erde rund sei. Armstrong war der perfideste und dreisteste Doper in der Geschichte des Sports. Natürlich bereitet der sich perfekt auf das wohl wichtigste Interview seines Lebens vor.

Was soll er auch anderes machen? Jahrelang hatte Armstrong bestritten, jemals gedopt zu haben - doch dann hatte die amerikanische Anti-Doping-Agentur Usada in einem mehr als 1000 Seiten starken Dossier bewiesen, dass er doch verbotene Substanzen genommen hatte. Dass er Anführer des am besten entwickelten und organisierten Dopingprogramms in der Sport-Geschichte gewesen sei.

Natürlich interessiert weniger, wie gut Armstrong vorbereitet war, sondern vielmehr: Was hat er gesagt? Was hat er gestanden? Wen hat er belastet? Oder war alles nur der Auftritt eines Egomanen, der sein Image pflegen und seine Millionen retten will? Am Montag wurde das Interview aufgezeichnet, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag soll es ausgestrahlt werden. Amerikanische Medien berichten zumindest über einige Aspekte des Gesprächs, das laut Winfrey zweieinhalb Stunden gedauert hat.

Allzu viel sickerte nicht durch, schließlich arbeitet die Oprah-Winfrey-Vermarktungsmaschinerie auch nahezu perfekt. Ein Twitter-Eintrag von Winfrey, ein paar Informationen durch eine "mit dem Interview vertraute Person" für die Zeitung USA Today, ein paar Hintergrundinfos für die New York Times. Heute wird Winfrey bei "CBS This Morning" auftreten, das Interview wird dann am Donnerstag von ihrem eigenen Sender OWN ausgestrahlt (in Deutschland live zu sehen auf Sky Discovery Channel am Freitag um drei Uhr morgens).

Was bekannt wurde, ist tatsächlich interessant und weckt Interesse, das komplette Interview sehen zu wollen. So funktionieren die amerikanischen Medien. Indes war offensichtlich alles, was er sagte, zu erwarten gewesen. Bekannt wurde: Offensichtlich hat Armstrong eine umfassende Dopingbeichte abgelegt, er hat zugegeben, jahrelang verbotene Substanzen genommen zu haben. Dieses Geständnis war erwartbar, schließlich ist die Beweislage zu erdrückend, um anderes zu behaupten.

Armstrong sagte auch, dass er nicht der Anführer des Dopingprogramms gewesen sei, sondern nur das gemacht habe, was seine Teamkollegen auch gemacht hätten. Zudem erklärte er, dass er die lebenslange Sperre für unfair halte - auch diese Aussage war erwartbar, denn darum geht es Armstrong offensichtlich: Er will so viel gestehen wie nötig und das so sentimental wie möglich, um die amerikanische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass er doch ein prima Kerl ist. Und am Ende vielmehr Opfer denn Täter.

Nach seiner Dopingbeichte fügte Armstrong offenbar an, er wolle aussagen gegen all jene, die mitgemacht hätten bei der Doperei. Das wäre tatsächlich interessant, denn schließlich wäre Armstrong einer, der viel zu sagen hätte. Laut New York Times sagt Armstrong immerhin gegen Verantwortliche des internationalen Radsportverbandes UCI aus und gegen Teamchefs von Rennställen. Wohl aber nicht gegen andere Radfahrer oder Ärzte.

Eigentlich in den Gerichtssaal

Er wolle auch Geld zurückzahlen an Postal Service, jenes Unternehmen, das seinen Rennstall jahrelang unterstützt hatte. CBS News berichtet, dass er sich bereits in Gesprächen mit dem ehemaligen Sponsor befände. Das klingt ehrenhaft, doch bleibt die Frage: Was sind 30 Millionen Dollar für einen, der in seiner Karriere mehr als 300 Millionen Dollar verdient haben soll?

Armstrong versucht via TV sein Image zu retten. Doch eigentlich gehört dieses Geständnis in einen Gerichtssaal - und es könnte durchaus sein, dass der ehemalige Radfahrer noch in solch einen Saal gezwungen wird. Das amerikanische Justizministerium bereitet nach Informationen von CBS News eine Anklage vor und steht kurz vor dem Abschluss. Ein ausführliches Geständnis könnte den Fall natürlich befeuern.

Doch Armstrong wählte keinen Gerichtssaal, sondern einen Ort, an dem sich skandalumrankte Berühmtheiten wohlfühlen dürfen. Bei Oprah Winfrey durfte schon Marion Jones ihre Doperei entschuldigen, Michael Jackson durfte sich erklären, Tom Cruise auf dem Sofa herumhüpfen. Und nun Lance Armstrong.

Armstrong war mit einer Gruppe von etwa zehn Begleitern zur TV-Aufzeichnung erschienen, darunter seine Anwälte Tim Herman und Sean Breen sowie sein langjähriger Berater, Manager und Business-Partner Bill Stapleton. Ursprünglich sollte das Gespräch in seinem Haus in Austin im Bundesstaat Texas stattfinden. Da das Grundstück jedoch von etlichen Journalisten umlagert war, entschied man sich, in ein Hotel auszuweichen.

Armstrong hatte angekündigt, Winfrey könne "fragen, was immer sie will, und ich werde direkt, ehrlich und offen antworten". Es war aber auch bekannt, dass der 41-Jährige keine umfangreichen Details oder Namen nennen wollte. Und es war bekannt, dass Armstrong seine Antworten geprobt und juristisch abgesichert hatte.

Bereits zuvor hatte Armstrong die Büros seiner Stiftung "Livestrong" in Austin besucht und sich bei den Mitarbeitern entschuldigt. Armstrong habe dabei mehrfach um Fassung gerungen, mehrere Angestellte hätten geweint. Natürlich wurde dies alles bekannt - Armstrong entschuldigte sich nicht in aller Stille, sondern sorgte dafür, dass die amerikanische Öffentlichkeit erfährt, dass der gefallene Held gerade zu Kreuze kriecht.

Und nun das rührende Dopinggeständnis, mit dem Armstrong nicht reinen Tisch machen möchte, sondern sich vor allem eine reine Weste besorgen will. Was die Aussagen wert sind, das deutete David Howman, der Generaldirektor der weltweiten Anti-Doping-Agentur, in einem Gespräch mit der New York Times bereits an: Er glaubt nicht daran, dass Armstrong bei anderen Fällen außer seinem eigenen aussagen würde, um endlich in diesem Sport aufzuräumen.

Dennoch: Die Einschaltquoten dürften hoch sein - und in diesem Jahr wohl nur von der Super Bowl übertroffen werden. Das scheint Armstrong mehr wert zu sein als anständige Aufklärung.

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