Doping:Gedopte Gewichtheber: Ein Sport schafft sich ab

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Gewann in Rio Silber über 105 Kilogramm: der Armenier Gor Minasjan, der einst mit dem verbotenen Mittel Nandrolon erwischt wurde. (Foto: Getty Images)

Wieder sind bei Nachtests Olympiasieger des Dopings überführt worden. Dieser Sport lohnt sich weder für saubere Athleten noch für Zuschauer mehr.

Kommentar von Joachim Mölter

Die neuesten Nachrichten aus der weiten Welt der Gewichtheber: Bei den jüngsten Nachtests von eingelagerten Dopingproben der Olympischen Spiele 2008 in Peking sind bei 15 Athleten Spuren von unerlaubten, leistungssteigernden Substanzen gefunden worden, darunter sind drei Olympiasiegerinnen aus China und acht weitere Medaillengewinner.

Schon bei vorangegangenen Nachtests von Proben der Spiele 2008 und 2012 sind 31 Betrugsfälle festgestellt worden, macht zusammen 46 gedopte Gewichtheber. Einigen wurde gleich zweimal Missbrauch nachgewiesen, 2008 in Peking und 2012 in London. Eine der jetzt überführten Siegerinnen von Peking hatte schon 2004 in Athen Gold gewonnen. Insgesamt haben nur zwei der nun positiv getesteten Athleten keine Medaille bei Olympia gewonnen.

Wenn das IOC nicht aufpasst, schafft es seine ganzen, schönen Spiele ab

Nationen, die bei den Nachtests mindestens drei positive Fälle zu melden haben, werden nach den Regeln des Weltverbandes IWF suspendiert. Heber aus Russland, Aserbaidschan und Bulgarien fehlten deshalb in Rio von vornherein. Hätte das Internationale Olympische Komitee (IOC) die neuerlichen Überprüfungen früher abgeschlossen, hätten sieben weitere Länder keinen Gewichtheber entsenden dürfen: China, Kasachstan, Armenien, Weißrussland, Moldau, die Türkei und die Ukraine. Athleten aus diesen Ländern nahmen dann 17 der insgesamt 45 Medaillen aus Rio mit nach Hause.

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Noch stehen die Strafen für die nun bekannt gewordenen Vergehen aus, sind keine Sperren ausgesprochen, keine Medaillen abgenommen, keine Titel aberkannt. Doch man ahnt: Es lohnt nicht mehr, sich Namen von Gold-, Silber- und Bronze-Gewinnern im Gewichtheben zu merken; nach einigen Jahren werden viele ausradiert und überschrieben, vermutlich auch solche aus Rio.

Es lohnt auch nicht mehr für Zuschauer, den Athleten zuzujubeln, wenn sie die Eisenstangen und -scheiben in die Höhe wuchten; sie müssen ja davon ausgehen, dass das nicht die wirklichen Gewinner sind. Und für die ehrlichen Athleten lohnt es nicht mehr, bei Olympia anzutreten; sie müssen davon ausgehen, betrogen zu werden - oder selbst des Betrugs verdächtigt zu werden.

Wenn man nicht gleich nach einem Wettkampf weiß, wer ihn gewonnen hat, wenn man erst nach Jahren ein endgültiges Ergebnis vorliegen hat, wenn man nicht mehr zwischen gedopten und sauberen Sportlern unterscheidet, sondern zwischen überführten und nicht-überführten, ist das tödlich für einen Sport: Dann verliert das Publikum sein Interesse. Insofern ist das Gewichtheben gerade dabei, sich als Ernst zu nehmender Sport abzuschaffen. Und wenn das IOC nicht aufpasst, schafft es in absehbarer Zeit seine ganzen, schönen Spiele ab.

© SZ vom 25.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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