Süddeutsche Zeitung

Doping:"Für jedes kleine Aua"

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Massiven Gebrauch von Schmerzmitteln im Fußball bestätigt eine neue Studie. Das wirft Fragen nach der Reglementierung auf.

Von Johannes Knuth

Auch der Fußball hat ein gewaltiges Problem mit Medikamentenmissbrauch - dieses düstere Bild, das seit Langem über der Szene hängt, hat durch eine Dokumentation der ARD und des Rechercheportals Correctiv neue Konturen erhalten. Die Autoren erhoben unter anderem eine nicht-repräsentative Studie mit 1147 Fußballern - elf Profis, 1096 Spieler unterhalb der Regionalliga - und ermittelten dabei, dass fast die Hälfte der Befragten mehrmals pro Saison Schmerzmittel konsumiert. Neven Subotic, lange Jahre beim Branchenführer aus Dortmund und mittlerweile bei Union Berlin aktiv, goss die Eindrücke in ein griffiges Fazit: "Was ich in den letzten 14 Jahren mitbekommen habe, ist, dass Ibuprofen wie Smarties verteilt wird - für jedes kleine Aua".

Der Smartie-Vergleich ist kein neuer, er wurde einst im Handball geprägt, wo die Schmerzhemmer ebenfalls weit verbreitet sind, wie überhaupt im Hochleistungsgewerbe. Auch im Fußball ist der Forschungsstand kein schlechter: Eine Studie des Weltverbands Fifa ermittelte bei der WM 2010, dass fast 40 Prozent der Profis zu Schmerzmitteln griffen, vor jedem Spiel. Das Kölner Anti-Doping-Labor kam Jahre zuvor auf ähnlich alarmierende Werte. Da klingen die aktuellen Befunde vertraut: Mal ging es den Befragten darum, Schmerzen prophylaktisch zu verhindern, mal darum, Blessuren zu betäuben, um den Stammplatz nicht zu verlieren. Oder schlicht darum, die Leistung zu steigern. Die einschlägigen Langzeitgefahren der Wirkstoffe, für diverse Organe etwa, würden oft ausgeblendet. "Von den Vereinen gibt es da auch nach meinem Wissen keine große Aufklärungsarbeit", sagte Subotic, diese steckten ja in einem bekannten Strudel: Klubs und Sponsoren, die Erfolge wollen, Trainer, die um ihren Job kämpfen, Ärzte, die die Spieler fit kriegen sollen wie ein Klempner ein defektes Rohr, schließlich die Spieler, die den Druck aus allen Ecken spüren, auch von Medien und Publikum. Und deren Körper am Ende die Folgen tragen, kurz- bis langfristig.

Eine der zentralen Fragen, die nun erneut in den Fokus rückt, ist jene, ob der Gebrauch von Schmerzmitteln nicht schärfer reglementiert werden sollte. Die Wirkstoffe stehen bisher nicht auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada): "Sie können Leistung wiederherstellen, aber sie steigern die Leistung nicht unbedingt", sagte Wada-Wissenschaftsdirektor Olivier Rabin der ARD. Dopingforscher bezweifeln das allerdings massiv: Es sei ja schon leistungsfördernd, wenn man nur dank Pillen Sport treiben könne, sagte der Kölner Dopingforscher Hans Geyer. Und tunt ein Spieler, der seine Schmerzrezeptoren betäubt, nicht auch seine Leistungsfähigkeit? Der Schmerzmittelkonsum, befand der Dopingexperte Mischa Kläber am Dienstag, gehe "mit einer Dopingmentalität einher"; er könne auch eine Einstiegsluke in eine Missbrauchsspirale sein. Nach dem Motto: Wenn die Schmerz-Smarties nicht mehr helfen, kommt der harte Stoff.

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SZ vom 10.06.2020
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