Doping-Fall Lance Armstrong:Schlimme Flüche im Hinterzimmer

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Der Radsport-Weltverband UCI hat die Sanktionen gegen den überführten Lance Armstrong akzeptiert - nur widerwillig, wie er nach und nach zu erkennen gibt. Präsident McQuaid nennt die Kronzeugen Tyler Hamilton und Floyd Landis "Drecksäcke".

Andreas Burkert, Genf

Verfolgt, nicht nur vom Teufel: Lance Armstrong. (Foto: dpa)

Über Genf setzte bereits die Dämmerung ein, als Pat McQuaid unverdrossen über bessere Zeiten des Radsports und die Integrität seines Verbandes referierte. Mittags hatte der Präsident des Weltverbandes UCI die Anerkennung der Sanktionen gegen Lance Armstrong verkündet, mit dem er am Freitag zuletzt Kontakt gehabt habe, wie der Ire berichtete; der Texaner wollte wissen, was es mit dem Genfer Termin auf sich habe, "aber ich habe ihm noch nichts sagen können".

Inzwischen hat auch der überführte Dopingsünder Armstrong die Aberkennung seiner Resultate seit 1998 inklusive der sieben Toursiege akzeptiert, zumindest löschte er nachts in seinem Twitter-Profil die bisherige Selbstbezeichnung "7-time Tour de France champion". Das insgesamt positive Echo darauf, den Urteilsspruch der US-Anti-Dopingjäger übernommen zu haben, erfreue ihn, sagte McQuaid abends in einer kleinen Gesprächsrunde. "Die UCI hat sich sowieso für nichts zu entschuldigen." Doch dann begann er leise zu fluchen.

Schon im offiziellen Teil und den dutzendfach geführten Minuteninterviews mit TV-Stationen hatte McQuaid den Eindruck nicht verhehlen können, dass die endgültige Abkehr von Armstrong nur angesichts der erdrückenden Beweislast erfolgte, welche die US-Agentur Usada bei Kronzeugen, Behörden und Wissenschaftlern einsammelte. Im Kleingedruckten der schriftlichen UCI-Erklärungen, die später im Genfer Flughafenhotel verteilt wurden, fanden sich weitere Belege für ein Unbehagen.

So hält die UCI die Sichtweise der Usada, bei Armstrong die im Code der Welt-Anti-Doping-Agentur vermerkte achtjährige Verjährungsfrist mit Verweis auf nationales Recht zu übergehen, für fragwürdig. Wie übrigens auch die Rolle von Floyd Landis und Tyler Hamilton, Armstrongs früheren Freunden und Teamkollegen, die mit ihren verspäteten Geständnissen die Ermittlungen auslösten und befeuerten.

Ist ihr Anteil an Armstrongs Demaskierung nicht groß, und ist die Aufarbeitung der Vergangenheit nicht Voraussetzung für eine bessere Zukunft, wird McQuaid gefragt. Der 63-jährige Ire knetet nervös seine kräftigen Hände, dann entgegnet er verärgert: "Beide sind weit davon entfernt, Helden zu sein. Sie sind Drecksäcke."

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Die UCI hat die überführten Doper Landis und Hamilton nach ihren späteren Geständnissen nie angehört. Auch der deutsche Kronzeuge Jörg Jaksche wiederholt dieser Tage trotz McQuaids Dementi, man habe sich für seine gelieferten Informationen über das System "nicht wirklich interessiert". McQuaid ist der Ansicht, ein Treffen mit Hamilton habe gereicht, das nach seiner Überführung 2004: "Da hat er gesagt: Eure Maschinen funktionieren nicht, ich habe nichts gemacht." Jetzt rede er "nur, weil er ein Buch geschrieben hat".

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Die UCI, das ist unverkennbar, möchte mit der Vergangenheit möglichst rasch nichts mehr zu tun haben. Oder fände sie es hilfreich, wenn Armstrong doch noch alles zugäbe? Man kann McQuaid das ein paar Mal fragen, aber er sagt dazu nichts und glaubt ohnehin, "dass er sich jetzt weg von Sport orientiert". Könnte Armstrong aber, über den er ja mittags sagte, er habe "keinen Platz mehr im Radsport", womöglich sogar in den Radsport zurückkehren, wenn er konsequent reinen Tisch machte?

Wie gesagt, McQuaid glaubt nicht daran - aber er schließt es auch nicht aus: "theoretisch vielleicht schon".

Die UCI soll Armstrong in all den Jahren seines Betrugs geschützt haben, trotz entschiedener Zurückweisung ("wir sind nicht korrupt") steht dieser Verdacht weiter im Raum. Ein Geständnis von Armstrong könnte dem Verband unter Umständen also gar nicht recht sein. Und so drängt die Dachorganisation einerseits darauf, rasch ein schwarzes Kapitel abzuschließen, und ist andererseits darauf bedacht, alte Hauptdarsteller nicht auszuschließen. "Wenn sie zugeben, was sie getan haben, können sie der Zukunft des Radsports helfen", urteilt McQuaid etwa über Teammanager wie Olympiasieger Alexander Winokurow (leitet künftig Astana) oder Bjarne Riis.

Winokurow hat trotz positiven Dopingtests nie etwas eingeräumt, und er taucht nun in Italien wieder in Ermittlungen zum Dopingarzt Ferrari auf. Der Däne Riis wird verdächtigt, auch als Teamchef Kontakte zu Dopingärzten gehabt zu haben, was er bestreitet. "Es geht doch jetzt in der Aufarbeitung nicht in erster Linie um Fahrer, sondern um sportliche Leiter, Ärzte und Hintermänner - um die, die alles organisierten", ereifert sich Jaksche. "Da sehe ich bei der UCI kein Interesse."

E s gebe "viele Anzeichen, dass sich die Kultur des Radsports verändert hat", hat McQuaid in Genf immerzu wiederholt. Einen Beleg dafür lieferte am Dienstag das Geständnis des Norwegers Steffen Kjaergaard, 39, der von 2000 und 2003 für Armstrong fuhr und systematisches Epo-Doping einräumte; er trat als Sportchef seines nationalen Verbands zurück. Andere folgen jedoch weiter stur der alten Kultur, wie Spaniens fünfmaliger Toursieger Miguel Induraín (1991 - 1995), der tatsächlich sagte: "Ich glaube auch jetzt noch, dass Armstrong unschuldig ist." Sein Landsmann Samuel Sanchez befand derweil: "Es liegen keine direkten Beweise gegen Armstrong vor, nur mündliche Vorwürfe, es gibt also es keinen Grund ihn zu bestrafen." Sanchez ist Olympiasieger 2008 und einer von denjenigen, mit denen die UCI nun in die Zukunft drängt.

© SZ vom 24.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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