Bei Japans Nationalteam dreht sich gerade viel um Keisuke Honda. Im Grunde schien die Zeit des 32 Jahre alten Mittelfeldspielers in der Auswahl schon vorbei zu sein, aber kurzfristig rutschte er noch in den WM-Kader. Und prompt bereitete er als Einwechselspieler beim 2:1 gegen Kolumbien das Siegtor vor und erzielte beim 2:2 gegen Senegal den späten Ausgleich. Die Ausgangslage für die Japaner ist daher gut: Schon mit einem Unentschieden gegen Polen (Donnerstag, 16 Uhr, in Wolgograd) stünden sie zum dritten Mal nach 2002 und 2010 im Achtelfinale einer WM, eventuell sogar bei einer Niederlage.
Aber Keisuke Honda ist nun auch noch aus anderen Gründen von Interesse. Weil er einer der ersten ausländischen Spitzensportler ist, der im Kontext der russischen Staatsdoping-Affäre auftaucht.
Im Herbst des vergangenen Jahres bekam die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) eine Kopie einer Datenbank zugespielt, in der alle Vorgänge aus dem Moskauer Labor aus den Jahren 2012 bis 2015 verzeichnet waren. Das Labor war eine zentrale Stelle für das jahrelange Vertuschen von brisanten Proben. Aus dieser Datenbank ergaben sich für die Wada zwar keine Beweise für einen Anti-Doping-Verstoß, aber bei der Untersuchung von 9000 Proben Fragen und Anlässe für Nachforschungen. Im Dezember versorgte die Wada mehr als 60 internationale Fachverbände mit den Informationen, auch den Fußball-Weltverband Fifa. Und dieser wiederum wandte sich offenkundig an den russischen Fußball-Verband mit der Bitte um nähere Angaben zu 19 verschiedenen Probennummern.
Russlands Verband schrieb der Fifa, von welchen Spielern bestimmte Proben stammen
Der russische Verband bestätigt der SZ, dass es ein Antwortschreiben an die Fifa gab, in dem nach Rücksprache mit der russischen Anti-Doping-Agentur (Rusada) zu elf Proben konkrete Namen und Daten genannt wurden. Zudem erklärt er, dass die acht übrigen Proben nicht in Russland genommen worden seien, sondern in der Ukraine beziehungsweise bei einem Jugendturnier in Aserbaidschan. Laut dem Antwortschreiben stammen alle elf Proben aus den Jahren 2012 und 2013. Darunter sind drei Spieler aus dem aktuellen russischen WM-Kader, der Ersatztorwart Wladimir Gabulow sowie die Defensivspieler Sergej Ignaschewitsch und Mario Fernandes - und eben auch Keisuke Honda.
Der Japaner spielte damals, wie Ignaschewitsch und Fernandes, für ZSKA Moskau. Das ist nicht nur der erfolgreichste russische Verein des vergangenen Jahrzehnts, sondern auch der Verein, der am häufigsten mit dem Dopingthema in Berührung kam. 2009 gab es nach einem Champions-League-Spiel gegen Manchester United einen Positivtest der beiden Abwehrspieler Ignaschewitsch und Alexej Beresuzkij auf ein verbotenes Stimulans; ein paar Jahre später erhielt Roman Eremenko nach einer Partie gegen Leverkusen wegen Kokain-Konsums eine Sperre.
Russlands Verband erklärt, dass es nach seiner Antwort nur in einem der elf Fälle nähere Nachforschungen der Fifa gegeben habe, bei Pjotr Nemow von Krylja Sowjetow Samara, der nie für die Sbornaja spielte - und dass dessen Antworten den Weltverband überzeugt hätten. Zudem seien alle Proben sauber gewesen. Eine schriftliche Anfrage der SZ an den japanischen Verband blieb unbeantwortet; am Rande einer Trainingseinheit der Japaner sagte ein Sprecher nur knapp, er wisse nichts von einem Doping-Thema bei Honda.
Die Fifa teilt auf Anfrage nicht mit, wie sie in den Fällen dieser Elfer-Liste konkret reagiert habe. Sie könne nur generell sagen, dass bei ihren Ermittlungen bei keinem Spieler aus den vorläufigen WM-Kadern ein Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln habe nachgewiesen werden können. Allerdings gibt es zur Intensität und Genauigkeit dieser Fifa-Ermittlungen einige Fragezeichen, weil der Weltverband keine Details mitteilt - etwa zur Frage, auf welche Substanzen sie gelagerte Proben der russischen Fußballer nachtestete.
Laut Wada ist es schwer, mit der Datenbank einen Doping-Verstoß zu belegen
Die Wada erklärt, sie sei zufrieden mit dem von der Fifa durchgeführten Prozess, bei den russischen Nationalspielern wie im Honda-Fall. Wada-Chefermittler Günter Younger betonte zuletzt in der FAZ, dass er es aufgrund der konkreten Abläufe im Moskauer Labor generell für schwierig hält, mit dieser zugespielten Datenbank einen Doping-Verstoß zu belegen. Und er legte nahe, dass unter den auffälligen Proben manche zu Unrecht seien. Doch um die Vorgänge in der jahrelangen Betrugszentrale besser einordnen zu können, wünscht sich die Wada dringend Zugang zum Moskauer Labor. Dort gibt es nicht nur die Original-Datei der Datenbank, sondern befinden sich auch noch viele Proben. Damit ließe sich mancher Verdacht konkretisieren - beziehungsweise könnte dies laut Younger in anderen Fällen entlastend wirken. Doch diesen Zugang zum Labor verwehrt die russische Seite der Wada bisher.