Doping:Kritische Geister werden auf merkwürdige Art erwischt

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Der italienische Trainer und Wissenschaftler ist einer der weltweit führenden Doping-Bekämpfer: Er erlangte Weltruhm, als er einen gewaltigen Betrugskomplex um den italienischen Dachverband Coni und das römische Labor aufdeckte - auf seine Initiative ging Schwazers Sperre 2012 zurück. Er setzt also eine große Reputation aufs Spiel. Auf Kosten des Athleten arbeitete Donati eine üppige Überwachung aus, inklusive Dauer-Verfügbarkeit für Tests und zusätzlichen Blutuntersuchungen. Und nun trotz alldem ein Positivbefund auf anabole Steroide?

Der Fall ist sehr merkwürdig. Demnach soll eine Trainingskontrolle vom 1. Januar zunächst negativ ausgefallen sein - so wie mehr als ein Dutzend anderer Kontrollen in diesem Jahr. Kaum hatte sich Schwazer für Rio qualifiziert, habe es plötzlich eine zweite Analyse der Blut- und Urinprobe vom Jahresanfang gegeben. Und in dieser ließen sich anabole Steroide nachweisen. "Es ist ein Alptraum, ich habe mir nichts vorzuwerfen", sagte Schwazer auf einer Pressekonferenz am Mittwochabend. Sein Anwalt teilte mit: "Es kann nur Sabotage oder ein Fehler sein."

Ertappte Dopingsünder haben der Welt schon viele Ausreden präsentiert, aber in diesem Fall stellen sich nicht nur an Schwazer und Donati Fragen. Denn es fällt auf, dass das System ausgerechnet kritische Geister und Kronzeugen auf merkwürdige Art erwischt. 5000-Meter-Olympiasieger Dieter Baumann prangerte in den 90ern ständig den Umgang des nationalen Leichtathletik-Verbandes und mancher Laufkollegen mit früheren DDR-Doping-Trainern an.

Auch bei Radprofi Sinkewitz gab es Merkwürdigkeiten

Er agitierte gar vor dem Europa-Parlament und im Innenministerium. Bald darauf fanden sich in seinen Proben immer wieder Spuren von Nandrolon. Nach Erkenntnissen der einzigen Juristen, die sich präzise mit Inhalten des Falles beschäftigten, und den kriminalistischen Ermittlungen war dies die Folge eines Anschlags, bei dem die Substanz in Baumanns Zahnpastatube gemengt worden war.

Vor ein paar Jahren wiederum packte Patrik Sinkewitz umfangreich über Dopingpraktiken im Radsport aus. Danach fand er zunächst keinen Rennstall mehr, und kaum saß er wieder im Sattel, war er der erste und bisher einzige Radler, der positiv auf das Wachstumshormon HgH getestet wurde. Es war ein seltsamer Fall: Sinkewitz' Probe stammte von einem völlig unbedeutenden Rennen, und im Verfahren vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) gab es zahlreiche Merkwürdigkeiten (siehe SZ vom 9.5.2015). Und nun also der Kronzeuge Schwazer und der Doping-Bekämpfer Donati, der wegen seines Tuns natürlich viele Feinde im Sport hat?

Mit dem Zynismus, der aus solchen Fällen spricht, sollte es vielleicht nicht verwundern, wenn auch Doping-Anklägerin Julia Stepanowa bald positiv getestet würde - falls sie es doch noch nach Rio schafft.

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