Doping:Das IOC könnte Russland fallen lassen

Sotschi 2014

Archivbild aus Sotschi: ""Verbotszone - Zutritt (Zufahrt) - verboten (geschlossen)"

(Foto: dpa)

Bisher bildeten das IOC und Russland eine inoffizielle Allianz bei der Aufarbeitung des Dopingbetrugs von Sotschi. Auf einmal aber ist ein Olympia-Ausschluss denkbar.

Kommentar von Thomas Kistner

In der russischen Staatsdoping- Affäre wird es jetzt eng für die Allianz zwischen Russland und dem IOC, die zwar nie offiziell besiegelt, aber augenscheinlich intensiv gepflegt wurde. Es ist ein Datensatz aufgetaucht, der präziser denn je das Treiben des Moskauer Anti-Doping-Labors von Anfang 2012 bis August 2015 offenbart. Und plötzlich scheint ein stilles Konkordat zwischen Moskau und Lausanne zu zerbrechen: weil die neue Beweislage gerade alle politischen Planspiele zerschießt?

Bisher hatte das Internationale Olympische Komitee unter Thomas Bach selbst in rauesten Zeiten für Wladimir Putins Athleten gekämpft; bei den Sommerspielen 2016 in Rio zog es dafür globale Kritik auf sich. Rau geht es auch vor Pyeongchang 2018 zu, und wieder ist die Streitfrage, ob Russlands Sportler dort komplett ausgesperrt gehören - als Reaktion auf die Doping-Spiele 2014 in Sotschi. Das fordern nicht nur die organisierten Betrugsbekämpfer um die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada).

Doch das IOC zog es vor, zwei Kommissionen einzusetzen. Eine, unter dem Schweizer IOC-Mann Dennis Oswald, untersucht die Fälle der in Sotschi offenbar heimlich ausgetauschten Dopingproben; die andere unter dem Schweizer Politiker Samuel Schmid geht der Rolle staatlicher Stellen nach. Diese Herangehensweise signalisiert, dass das IOC kaum gewillt war, die Russen für einen tausend Athleten umfassenden, institutionellen Sportbetrug zu sanktionieren - sondern lieber eine Art Einzelfallprüfung machen will. Das ist gut, wenn es um Einzelfälle geht. Im Falle eines staatlich orchestrierten Großbetrugs, der ein ganzes Event entwertet, darf man ruhig auch mal das Land bestrafen. Die eigenen Regeln geben das her.

Putin zürnt - weil das IOC die Russen jetzt doch aussperrt?

Über Monate schien die fromme Sache mit den zwei Kommissionen auf erfolgreichem Wege zu sein, aus Sicht ihrer Betreiber. Nun schaffen neue Beweise eine verräterische Situation: Chaos bricht aus, Attacken werden quer durch die Fraktionen geführt. Oswalds Stab hat jüngst einige Russen gesperrt, ohne konkrete Positivbefunde. Es ist gut möglich, dass diese Urteile schon im neuen Material gründen. Überdies wird kolportiert, das IOC könnte in Korea auf Flagge und Hymne Russlands verzichten.

Und die Russen? Gehen auf die Barrikaden. Putin vorneweg, er zog Verbindungen zwischen den IOC-Urteilen gegen russische Langläufer und den Ermittlungen der US-Justiz zur "eingebildeten Einmischung" Moskaus in die Trump-Wahl 2016. In Russland, zürnte er, stünden ja nun im März 2018, gleich nach den Winterspielen, ebenfalls Präsidentschaftswahlen an. Bachs IOC als Rächer der US-Politik? Starker Tobak.

Sollte der neue Datensatz eine Verständigung zwischen IOC und Russen platzen lassen, würde das einiges erklären. Etwa, warum die Russen lange stillhielten - und nun plötzlich um sich schlagen. Auch gegen das IOC. Obwohl noch kein Grundsatzentscheid gefallen ist.

FILE PHOTO: Russia's Petukhov skis during the men's cross-country sprint free qualification at the Sochi 2014 Winter Olympic Games in Rosa Khutor

Alexey Petukhov: In Sotschi dabei, nun lebenslang für Olympia gesperrt

(Foto: REUTERS)

Ein Whistleblower legte das neue Beweismaterial vor. Außerhalb Russlands käme dafür Grigori Rodschenkow in Frage. Der in die USA geflohene Ex-Chef des Moskauer Labors hat schon viel enthüllt über die heimischen Giftküchen. Und bei der US-Justiz, die ihm Schutz gewährt, dürfte noch viel mehr Wissen gebunkert sein - all sein Wissen. Denn Rodschenkow, dessen Auslieferung Moskau massiv betreibt, kann sich nicht leisten, von den USA fallengelassen zu werden.

Das hatte die Sportpolitik mit ihren zwei Kommissionen so wenig auf dem Radar wie den Fakt, dass die Wada ganz neue, starke Ermittler hat, mit einem deutschen Cybercrime-Spezialisten an der Spitze. Es ist wie immer im Sport: Änderung schaffen nur fähige Leute von außen, nicht die aus dem eigenen Sud.

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