Doping:Bizarres Schweigen zum Doping im Fußball

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Russlands Sportminister Witalij Mutko (l.) und Fifa-Präsident Gianni Infantino: Gutes Klima vor der WM (Foto: dpa)

2018 richtet Russland die Fußball-WM aus - Dopingtests organisiert man ganz diskret selbst.

Von Thomas Kistner

Es war harte Arbeit für Richard McLaren. Die Aufarbeitung des weitflächigen, mit staatlicher Akribie orchestrierten Dopings in Russland; eines "beispiellosen" Betrugs an Fans und Zuschauern seit mindestens 2011, der mehr als tausend Athleten in 30 Sportarten umfasst. Heikel war es auch, wiewohl der kanadische Anwalt sagt, die Anfeindungen seien erträglich gewesen. Bei der Präsentation seines Reports in London wirkte McLaren abgeklärt. Nur bei einem Thema arbeiteten die Stirnfalten des Chefermittlers, und seine Statements blieben kurz und harsch: Wenn die Rede auf den Fußball kam.

Russland. Staatlich gelenktes Massendoping. Fußball. Das ist die explosivste Mischung, die es im internationalen Sport derzeit gibt - und sie erwächst aus dieser Affäre. Zudem gibt es eine Schlüsselfigur, die diese Themen verbindet, die aber im McLaren-Report als fast unberührbar dargestellt wird: Witalij Mutko.

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Mutko war in all den schmutzigen Jahren der Sportminister, nun stieg er zum Vize-Premier auf. Er sitzt im Vorstand des Fußball-Weltverbands Fifa und, mehr Interessenskonflikt geht nicht - er präsidiert auch dem Organisationskomitee für die WM 2018. Noch im Juni hatte McLaren, in seinem ersten Report für die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, Mutko als Mitwisser, womöglich Initiator einer Dopingvertuschung im Fußball dargestellt. Die Wada forderte die Fifa-Ethikkommission öffentlich auf, "die Vorwürfe zu untersuchen, die den Fußball betreffen, und auch die Rolle, die ein Exekutivmitglied, Minister Witalij Mutko, spielt". Sofort erbaten die Fifa-Ethiker alle Dokumente zu Mutko, weitere Gesuche folgten. Vergeblich. Sie bekam nie etwas.

Nun weckt das neue Fußball-Material erneut ihr Interesse. Auch das werden die Ethiker anfordern, zumal nun 33 Doping-Verdachtsfälle aufgelistet sind. Nur Mutkos Rolle wird groteskerweise immer unschärfer - dabei hat er jenes Ministerium geleitet, das als Regiepult der Betrugsverschwörung gilt. Man muss es wohl so sagen: Gerade dieses bizarre Schweigen zum Fußball und zur Kernfigur der Affäre entlarvt die gewaltige Dimension des Problems.

Noch 18 Monate bis WM-Anpfiff im Moskauer Luschniki-Stadion, dann tritt Russlands Fußball in ein nie da gewesenes Spannungsfeld. Die heimische Auswahl ist am Boden, bei EM und WM in Frankreich und Brasilien scheiterte sie in der Vorrunde. Jüngst unterlag die Sbornaja sogar Katar. Außer Frage steht, dass WM-Spitzenteams nicht über Nacht geformt werden können - zumal, wenn sie keine Wettkampfspiele bestreiten können. Russland ist als Veranstalter qualifiziert, nur der Confed Cup 2017 bietet etwas Übungscharakter. Wie soll aus so einem schwarzen Loch ein Wunderteam erwachsen? Und ein Wunderteam wird es brauchen, um die Erwartungen von Wladimir Putin und den Genossen zu bedienen: Der Staatschef wünscht Russland im Finale; zumindest unter den letzten Vier.

Das ist auch im Interesse der Fifa. Scheitern die Hausherren früh, steht, zumal angesichts der trüben Realität in Russlands Ligabetrieb, in Frage, wie freundlich die Stimmung im WM-Land bliebe. Zudem sind mit einem guten Abschneiden der Gastgeber starke merkantile Aspekte verknüpft; es sorgt für die Stimmung im Austragungsland. Tatsächlich gibt es in der WM-Historie, die voll kleiner (Brasilien, Deutschland, Frankreich) und großer (Südkorea 2002) Gefälligkeiten für Gastgeberteams ist, seit 1998 nur ein Turnier, bei dem der Hausherr nicht ins Halbfinale kam: Südafrika 2010. In Afrikas stolzem ersten WM-Veranstalterland trübte es die Stimmung kaum. Und: Südafrika ist nicht Russland.

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Es gibt, neben einschlägigen Fragen zur passenden Turnier-Setzliste und der Referee-Auswahl, eine Antwort, die sich direkt aus der Affäre aufdrängt. Auch deshalb zielen manche Kritiken nun auf die WM 2018: Russland dürfe "so lange nicht an Welt- und Europameisterschaften und Olympia teilnehmen, bis das Sportsystem überprüfbar einer glaubwürdigen Reform unterzogen worden" sei, sagt Dagmar Freitag, die Chefin des Bundestag-Sportausschusses. Der dänische Nada-Chef Michael Ask findet, Russland dürfe vorläufig keine Fußball-WM veranstalten. Damian Collins, Sportvorsitzender im britischen Parlament, fragt die Fifa, ob Mutko der richtige Vorstand sei und fordert sie auf, "sehr ernsthaft zu prüfen, wie die WM veranstaltet wird. Wie kann Russland der Fifa und der Welt Vertrauen geben, dass es richtige Anti-Doping-Maßnahmen gibt?" Vertrauen? Eher fragt sich, wo hier die Fifa steht.

Fifa-Boss Gianni Infantino sprach Mutko schon das Vertrauen aus. Nun teilt eine Fifa-Sprecherin auf SZ-Anfrage mit, dass das Dopingtest-System bei der WM 2018 dasselbe wie immer sei. Das sind ganz schlechte Nachrichten. Dieses Testsystem ist äußerst lax. Die Wada ist bei der WM sogar ausgesperrt, hat "Beobachterstatus". Das Fifa-Testsystem regelt handverlesenes Personal. Zwar gehen die Proben an ein Wada-Labor, aber bis 2018 dürfte das in Moskau wieder akkreditiert sein. Beaufsichtigt wird es von Sportfiguren wie Jelena Issinbajewa, die das ganze Dopingtheater für eine Auslands-Verschwörung hält.

Das größere Problem ist: Nicht mal das integerste Labor könnte etwas ausrichten. Selbst wenn es 100 WM-Sündenfälle ermitteln würde, könnte das folgenlos bleiben und die Öffentlichkeit niemals erreichen. Denn die Befunde gehen an die Fifa, zum Anti-Doping-Chef (der Job ist gerade vakant) sowie an Präsident und Generalsekretär. Die entscheiden, was passiert; nur die Fifa hat das Recht, Dopingfälle zu publizieren. Tut sie es nicht? Gibt es keinen Fall. Ein Labor aber, das seine Funde im Alleingang publik machen würde, spielt mit seiner Existenz. Und Dopinglabore sind Millionenbetriebe. Russland und die Fifa werden das Problem also bei der WM unter Kontrolle haben.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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