Doping bei Olympia:"60 Prozent der Sportler betrügen"

Victor Conte, Schlüsselperson im Balco-Dopingskandal 2003, hält nichts von den Kontrollen bei Olympia, deutscher Kajak-Fahrer kritisiert die Erwartungshaltung, deutsche Volleyballer scheiden im Viertelfinale klar aus, US-Basketballer stehen im Halbfinale.

in Kürze

Doping: Victor Conte, Hauptschuldiger im Balco-Skandal, hält das Anti-Doping-Programm bei den Olympischen Spielen in London für Augenwischerei. "Das ist Propaganda, wenn sie sagen, das sind die am teuersten getesteten Spiele der Geschichte und sie machen 6000 Tests", sagte Conte der Times: "Sie müssten die Angel auswerfen, wenn die Fische beißen, und das war vor neun Monaten. Ist es einfach, zu dopen und davon während Olympia zu profitieren? Ja." Er geht davon aus, dass etwa 60 Prozent der Sportler bei den Spielen in London betrügen.

Victor Conte war Gründer und Inhaber des mittlerweile aufgelösten kalifornischen Unternehmens Balco und 2003 für einen der größten Dopingskandale der Sportgeschichte verantwortlich. Die Firma, die mit Nahrungsergänzungsmitteln handelte, versorgte über mehrere Jahre hinweg Sportler aus aller Welt mit Steroiden und Wachstumshormonen. Kunde war damals unter anderem auch der später überführte britische Dopingsünder Dwain Chambers, der in London wieder über die 100 Meter an den Start gehen durfte. Conte wurde 2005 zu einer viermonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, vier weitere Monate stand er unter Hausarrest. Der Balco-Skandal hatte zahlreiche Haftstrafen zur Folge, unter anderem US-Sprinterin Marion Jones musste ins Gefängnis und ihre fünf Medaillen von den Olympischen Spielen 2000 in Sydney zurückgeben.

Kritik an Erwartungshaltung: Kajakfahrer Andreas Ihle hat beklagt, dass schon zweite oder dritte Plätze in Deutschland keinen Wert mehr haben. "Wenn ich höre, dass wir nur Dritter geworden sind, finde ich das sehr traurig für die, die im Boot stehen", sagte der Olympiasieger von Peking am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Deutschen Haus in London.

Gemeinsam mit Martin Hollstein hatte Ihle am Mittwoch Bronze im Zweierkajak gewonnen. "Ich finde das keine schlechte Leistung", fügte der Magdeburger hinzu. Man müsse doch mal berücksichtigen, dass man hier von einem olympischen Finale spreche. Die Weltspitze liege so eng zusammen, sagte Ihle. "Da kann auch eine schlechte Nacht über eine Platzierung zwischen eins und sechs entscheiden."

Volleyball: Deutschlands Volleyballer sind im Olympia-Viertelfinale von London gescheitert. Das Team um Angreifer Georg Grozer unterlag nach der schwächsten Vorstellung des Jahres deutlich mit 0:3 (20:25, 16:25, 14:25) gegen Bulgarien, fährt aber als Fünfter trotzdem mit der besten deutschen Olympia-Platzierung seit 40 Jahren nach Hause. 1972 hatte die DDR mit Silber den bis dato einzigen Podestplatz für den deutschen Männer-Volleyball bei Sommerspielen geschafft.

Bulgariens Gegner im Halbfinale am Freitag wird Gold-Favorit Russland sein, der Polen mit 3:0 besiegte. Peking-Olympiasieger USA war zuvor überraschend schon im Viertelfinale von London entthront worden. Der Top-Favorit unterlag klar mit 0:3 gegen Italien. Die Azzurri treffen auf Weltmeister Brasilien, der zuvor souverän mit 3:0 gegen Argentinien triumphiert hatte.

Basketball: Das Dream Team hat ihr Viertelfinalspiel gegen den Ozeanien-Meister 119:86 (56:42) gewonnen und trifft nun in der Runde der letzten Vier wie schon 2008 und 2004 auf Argentinien. Im zweiten Halbfinale misst sich Europameister Spanien mit dem Überraschungsteam aus Russland. Es war mit Ausnahme der letzten Minuten nicht das ganz große Spektakel, das das Team von Coach Michael Krzyzewski gegen den krassen Außenseiter Australien auf das Parkett legte. Doch immer wenn das aufopferungsvoll kämpfende Team aus Down Under in die Nähe eines Ausgleichs kam, drückten die Amerikaner aufs Tempo und zogen wieder davon.

Am völlig verdienten Erfolg änderten auch die 26 Punkte von Australiens Topscorer Patrick Mills nichts. Kobe Bryant machte 20 Punkte für das amerikanische Team, das sich im folgenden Duells gegen die Argentinier erwartungsgemäß deutlich weniger Kreativpausen nehmen darf. Der amtierende Amerika-Meister besiegte seinerseits die Auswahl Brasiliens 82:77 (46:40). Dabei bestimmten die Argentinier über weite Strecken das südamerikanische Duell, mussten aber nach einigen Unkonzentriertheiten zum Ende kurzzeitig noch um den Erfolg bangen. Erfolgreichster Korbjäger bei den Argentiniern war Luis Scola mit 16 Zählern. Bei Brasilien waren Marcelinho Huertas und Leandrinho Barbosa (jeweils 22 Punkte) die Topscorer.

Eine härtere Aufgabe galt es dagegen für die Spanier zu bewältigen. Die Iberer besiegten in einer Neuauflage des letztjährigen Europameisterschafts-Finals die Auswahl Frankreichs mit 66:59 (34:37) und treffen in der Runde der letzten Vier am Freitag auf das Überraschungsteam aus Russland, das sich mit 83:74 (32:27) gegen Litauen behauptete und damit den größten Erfolg der russischen Basketballgeschichte feierte.

Steiner: "Ich habe starke Schmerzen"

Turmspringen: Die deutschen Wasserspringerinnen Christin Steuer und Maria Kurjo haben das Halbfinale vom Turm erreicht. Steuer (Riesa) kam im Vorkampf mit ihren fünf Sprüngen auf 341,75 Punkte und belegte damit einen hervorragenden dritten Platz. Die 29-Jährige war kurzfristig für Nora Subschinski nachgerückt, die wegen anhaltender Probleme mit der Halsmuskulatur auf ihren Start verzichten musste. Bei ihrem dritten Anlauf kam Steuer bei Olympia erstmals in die zweite Runde. Der sieben Jahre jüngeren Kurjo gelang dies bereits bei ihrem Debüt. Die EM-Dritte aus Berlin zog mit 319,65 Zählern als 16. in die Vorschlussrunde der besten 18 ein. Die beste Vorkampfleistung zeigte Weltmeisterin und Titelverteidigerin Chen Ruolin (China/392,35), die in London schon Gold im Synchronwettbewerb gewonnen hat. Die ersten zwölf Springerinnen des Halbfinals am Donnerstag (11.00 Uhr MESZ) springen am Abend (20.00 MESZ) um die Medaillen.

Handball: Im Handball-Turnier ist Europameister Dänemark überraschend ausgeschieden. In keiner Phase beim 22:24 (9:11) gegen Schweden wurden die Dänen ihrer Favoritenrolle gerecht. Zwar konnten sie einen zwischenzeitlichen Drei-Tore-Rückstand in der zweiten Halbzeit wettmachen, verloren aber in der hektischen Schlussphase den Überblick. Niklas Ekberg sorgte mit zwei Treffern kurz vor dem Ende für die Entscheidung zugunsten der Schweden, die nun auf Ungarn treffen. Indes darf Olympiasieger Frankreich weiter auf Gold hoffen. Die Mannschaft um Nikola Karabatic setzte sich im Viertelfinale in vorletzter Sekunde 23:22 (9:12) gegen Spanien durch. Damit blieb ihr nach dem elften Platz bei der EM Anfang des Jahres in Serbien eine weitere Enttäuschung erspart.

Leichtathletik: Die Regensburgerin Corinna Harrer ist im Halbfinale über 1.500 Meter ausgeschieden. Bei ihren ersten Olympischen Spielen kam die 21-Jährige auf 4:05,70 Minuten und wurde in ihrem Lauf Siebte. Nur die besten Fünf schafften den Einzug in den Endlauf am Freitag (21.55 Uhr MESZ). "Ich habe mich sehr gut präsentiert. Das war ein echt guter Lauf", sagte Harrer, die ihre persönliche Bestzeit nur um rund eine Sekunde verfehlte.

Wasserball: Beim Wasserballturnier der Männer trifft im Halbfinale am Freitag Europameister Serbien auf Weltmeister Italien, der WM-Dritte Kroatien hat es mit Vizeeuropameister Montegenro zu tun. Im Viertelfinale am Mittwoch warf die Squadra Azzurra den EM-Dritten Ungarn mit 11:9 (2:2, 3:2, 3:1, 3:4) aus dem Rennen, das zuletzt dreimal in Folge Gold gewonnen hatten. Die Kroaten schalteten die USA mit 8:2 (2:0, 3:0, 2:2, 1:0) aus, die in Peking noch Silber gewonnen hatten. Australien stand gegen Europameister Serbien kurz vor einer Sensation, als es mit einer 8:6-Führung inss letzte Viertel ging, dort aber nicht mehr traf. Am Ende siegte der Bronzemedaillen-Gewinner von Peking mit 11:8 (2:3, 2:4, 2:1, 5:0).

Gewichtheben: Matthias Steiner hat bei seinem schweren Unfall im olympischen Finale der Superschwergewichtler Glück im Unglück gehabt und muss keine bleibenden Schäden befürchten. "Ich habe starke Schmerzen. Aber bei mir und meiner Familie überwiegt die Erleichterung, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Das Sportliche rückt da für den Moment in den Hintergrund", sagte Steiner dem sid. Die Ärzte diagnostizierten beim Olympiasieger von Peking eine Bandverletzung an der Halswirbelsäule, eine Prellung des Brustbeins und eine Muskelzerrung im Bereich der Brustwirbelsäule. Knochenverletzungen und direkte Schäden am Rückenmark wurden dagegen ausgeschlossen.

Der Olympiasieger von Peking hatte beim zweiten Versuch im Reißen 196 Kilogramm in die Höhe gestemmt, jedoch das Gleichgewicht verloren. Die Hantel fiel in Steiners Nacken und rollte dann auf seinen Oberschenkel. Steiner blieb am Boden liegen, stand nach kurzer Behandlungszeit aber wieder auf, bevor Helfer vor ihm einen Sichtschutz gegen neugierige Blicke postieren konnten. Kurz darauf gab Steiner den Wettkampf aus gesundheitlichen Gründen auf. "Das Wichtigste ist, dass der Kerl gesund ist. Das steht an erster Stelle. In den ersten Schrecksekunden musste man mit allem rechnen. Wir sind haarscharf an einer schlimmeren Geschichte vorbei geschrammt", sagte Bundestrainer Frank Mantek dem sid.

Volleyball: Die Volleyballer von Peking-Olympiasieger USA sind schon im Viertelfinale gescheitert. Das Team von Trainer Alan Knipe unterlag am Mittwoch überraschend deutlich Italien mit 0:3 (26:28, 20:25, 20:25) und musste damit frühzeitig seine Hoffnungen auf erneutes Gold begraben. Der Weltranglisten-Sechste aus Italien bot eine beeindruckende Vorstellung, profitierte aber auch von vielen leichten Fehlern der US-Boys. Italien trifft im Halbfinale auf Weltmeister Brasilien. Die Auswahl von Bernardo Rezende entschied das südamerikanische Viertelfinal-Duell gegen Außenseiter Argentinien ebenfalls klar mit 3:0 (25:19, 25:17, 25:20) für sich. Am Abend sollten die deutschen Volleyballer gegen Bulgarien ihr Viertelfinale absolvieren. Die deutschen Volleyballer hatten erstmals seit 40 Jahren wieder die Runde der besten Acht bei Olympia erreicht.

Hockey: Die niederländischen Frauen haben erneut das Endspiel der Spiele erreicht. Der Olympiasieger von 2008 bezwang in einem packenden Halbfinale das Team aus Neuseeland mit 3:1 im Penalty-Shootout. Nach regulärer Spielzeit und Verlängerung hatte es 2:2 (1:1, 2:2) gestanden. Der Shootout kommt in London erstmals bei Olympia zum Einsatz, bislang wurde der Sieger im Siebenmeterschießen ermittelt. Ellen Hoog verwandelte im Penalty-Krimi den letzten Versuch zur Entscheidung. Hollands Torfrau Joyce Sombroek konnte drei Versuche der Neuseeländerinnen abwehren. Im Spiel hatten Kayla Sharland (7.) und Krystal Forgeson (49.) Außenseiter Neuseeland in seinem ersten Olympia-Halbfinale zweimal in Führung gebracht. Maartje Paumen (32., 53.) konnte zweimal für den Europameister ausgleichen. Die Niederlande stehen am Freitag um 21.00 Uhr MESZ zum dritten Mal in Folge in einem Olympia-Finale. Der Gegner wurde am Abend im Spiel zwischen Gastgeber Großbritannien und Weltmeister Argentinien ermittelt.

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