Süddeutsche Zeitung

Doping:Aus einer sauberen Doping-Probe sollte eine schmutzige werden

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Der russische Doping-Whistleblower Grigorij Rodtschenkow soll vor den Olympischen Winterspielen 2014 vom früheren stellvertretenden Sportminister Juri Nagornych aufgefordert worden sein, die Dopingprobe einer ukrainischen Biathletin bewusst zu verunreinigen - und so eine Sperre zu provozieren. "Die ukrainischen Biathletinnen haben ihm besondere Sorge bereitet, denn sie waren bei den Spielen in Sotschi die größte Konkurrenz für die russische Staffel", sagte Rodtschenkow, der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping- Labors, in einem Interview der New York Times. Bei der Biathletin handelte es sich nach Angaben von Rodtschenkow um Wita Semerenko; er habe eine bei einem Wettkampf in Moskau entnommene Probe von ihr "schmutzig machen" sollen.

Die Wada bestätigt: Die brisante Datenbank aus Moskau ist echt

Rodtschenkow willigte nach eigener Aussage jedoch nicht ein und überzeugte Nagornych davon, dass der Schwindel bei Nachtests auffliegen würde. "Ich habe in meiner Karriere viele schmutzige Proben als sauber berichtet, aber nie andersherum", sagte er in seinem ersten Interview, seitdem er in den USA unter Zeugenschutz steht. Semerenko gewann in Sotschi mit der ukrainischen Staffel dann tatsächlich Gold, vor Russland. Den Gastgebern wurde Silber mittlerweile aberkannt, da Olga Wiluchina und Jana Romanowa vom IOC wegen Dopings lebenslang gesperrt und die Resultate von 2014 annulliert wurden.

Rodtschenkow, 59, den die russische Justiz per Haftbefehl sucht, war der Kopf des russischen Doping-Programms rund um Olympia in Sotschi. Ende 2015 flüchtete er in die USA und wird dort an einem unbekannten Ort vom FBI bewacht. Auf Rodtschenkows Aussagen basieren große Teile der beiden Berichte des von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada eingesetzten Sonderermittlers Richard McLaren, in denen Russland ein staatlich gelenktes Dopingsystem nachgewiesen wurde.

Unterdessen hat die Wada nun auch die Echtheit der ihr zugespielten Doping-Testdaten aus dem Moskauer Kontrolllabor aus den Jahren 2012 bis 2015 bestätigt. "Wir haben die forensische Untersuchung abgeschlossen und können jetzt die Echtheit der Datenbank bestätigen", sagte Wada-Chefermittler Günter Younger der ARD. "Der Inhalt scheint die Behauptungen von Whistleblower Rodtschenkow zu bestätigen, dass mehrere Jahre lang - von 2012 bis 2015 - Maßnahmen erfolgten, um mutmaßlich gedopte russische Athleten zu schützen", sagte Younger.

Das erhöht den Druck auf das IOC, das am Dienstag in Lausanne über weitere Sanktionen gegen Russland entscheiden will. Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich ist ein Komplettausschluss der russischen Mannschaft von den Winterspielen 2018 in Pyeongchang.

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Quelle:
SZ vom 04.12.2017 / dpa, SZ
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