Sportmediziner aus Erfurt:Der Arzt, der stets alles bestritt

Doping - Beutel mit Eigenblut liegen in einem Kühlfach

Zahlreiche Blutbeutel wurden in der Arztpraxis von Mark Schmidt in Erfurt sichergestellt (Symbolfoto).

(Foto: dpa)
  • Ein früherer Mannschafts-Arzt aus dem Radsport soll einer der führenden Köpfe des Doping-Netzwerkes sein, das am Mittwoch in Seefeld ausgehoben wurde.
  • In Dopingkreisen ist Mark Schmidt kein Unbekannter - doch er bestritt stets Vorwürfe gegen seine Person.
  • Nun dürfte es für den Mediziner aus Erfurt allerdings richtig ungemütlich werden.

Von Johannes Aumüller

Früh am Morgen rückten die Zollbeamten in der Arztpraxis in Erfurt ein - und sie wurden fündig. Zahlreiche Blutbeutel und eine Zentrifuge stellten sie sicher, zwei Personen nahmen sie fest. Einen mutmaßlichen Komplizen und einen Mann, dem die Ermittler im Rahmen ihrer "Operation Aderlass" eine zentrale Rolle zuweisen: den Sportmediziner Mark Schmidt. In Jeans, dunkler Jacke und Sonnenbrille wurde er abgeführt.

Dieser Name ist in der Szene keineswegs unbekannt. Mark Schmidt, 40, hat schon lange einen Bezug zum Leistungssport. Und er wurde in seiner sportmedizinischen Biografie schon sehr konkret mit dem Doping-Thema in Verbindung gebracht, wobei er alle Vorwürfe stets strikt zurückwies.

In Jugendjahren war er gemäß einer in einem medizinischen Fachblatt zitierten Aussage sogar selbst als alpiner Skifahrer leistungssportlich aktiv. Nach dem Studium kam er dann Mitte der Nullerjahre als sportmedizinischer Begleiter in den chronisch dopingverseuchten Radsport. Zunächst arbeitete er für das Team Gerolsteiner, als die Sprudel-Equipe sich ob der vielen Doping-Fälle auflöste, zog er wie so viele andere Mannschaftsmitglieder zum Team Milram weiter. Später konzentrierte sich Schmidt vor allem auf seine Praxis in Erfurt als Allgemeinmediziner, die er zusammen mit seiner Mutter betrieb.

Schmidt sagt, dass er nie gegen die Dopingregeln verstoßen habe

Kontakt mit Spitzenathleten pflegte er aber weiterhin: "Wir betreuen hier etwa 50 bis 60 Sportler regelmäßig: vor allem Schwimmer, Radsportler, Fußballer, Handballer und Leichtathleten", zitierte ihn vor wenigen Jahren ein Ärzteblatt. Auch führte der Landessportbund Thüringen die Praxis in seiner Liste der "lizenzierten sportmedizinischen Untersuchungsstellen".

Bereits 2009 war Schmidt vom österreichischen Radprofi Bernhard Kohl belastet worden. Kohl war im Nachgang zur Frankreich-Rundfahrt 2008, die er in Diensten der Gerolsteiner-Equipe bestritten hatte, positiv auf das Epo-Mittel Cera getestet worden und räumte auch Blutdoping ein. Er warf Schmidt vor, dass dieser in die Blutdoping-Praktiken involviert gewesen sei. Schmidt bestritt das und sagte, dass er nie gegen die Dopingregeln verstoßen habe. Er erwirkte vor einem österreichischen Gericht auch einen Entscheid in seinem Sinn.

Einige Jahre später geriet Schmidt erneut in den Fokus. 2013 belastete ihn der frühere Gerolsteiner-Fahrer Stefan Schumacher in einem Betrugsprozess vor dem Landgericht Stuttgart - so wie auch Ernst Jakob, einen sportmedizinischen Begleiter Schmidts, der der berüchtigten Freiburger Sportmediziner-Schule entsprang und schon an diversen dunkleren Flecken der deutschen Leistungssportgeschichte auftauchte. Schumacher bezichtigte die Ärzte, sie hätten ihn beim Dopen unterstützt; auch der Zeuge David Kopp äußerte sich entsprechend. Die Mediziner bestritten, an Dopingpraktiken teilgenommen oder Hilfe dafür geleistet zu haben. Schmidt bestätigte lediglich solch unappetitliche Sachen wie die, dass das Schlucken des Potenzmittels Viagra zur besseren Atmung normal sei. Allerdings sagte er vor Gericht erst aus, nachdem er sich mehrmals für die vorgesehenen Zeugenvernehmungen hatte entschuldigen lassen. Die Ärzte hätten sich "geziert", überhaupt auszusagen, befand der Vorsitzende Richter bei der Verkündung des Urteils. Und er erklärte, das Klima für Doping sei bei Gerolsteiner "doch eher freundlich" gewesen.

Nun dürfte es für Schmidt richtig ungemütlich werden. Es sind gemäß einer Mitteilung des österreichischen Bundeskriminalamtes vom Mittwoch gravierende Vorwürfe, mit denen er sich auseinandersetzen muss. Die aus Erfurt agierende kriminelle Organisation um den Mediziner und seinen Vater sei "dringend verdächtig, seit Jahren Blutdoping an Spitzensportlern durchzuführen, um deren Leistung bei nationalen und internationalen Wettkämpfen zu steigern und dadurch illegale Einkünfte zu lukrieren", hieß es. Lukrieren sagt man in Österreich für "Gewinn erzielen". Ein "weltweit agierendes Dopingnetzwerk" sei zerschlagen worden. Bislang gab es auf eine Anfrage an Schmidt keine Stellungnahme zu den Vorwürfen; es gilt die Unschuldsvermutung.

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