Süddeutsche Zeitung

Disput zwischen Doll und Gräfe:"Du sabbelst uns voll!"

  • Beim Spiel in Augsburg streitet sich Hannover-Trainer Thomas Doll mit dem Schiedsrichter.
  • Manuel Gräfe meint, Doll habe sich arrogant verhalten.
  • Dass Hannover erneut verliert, hat aber ganz andere Gründe als den Referee.

Von Maik Rosner, Augsburg

Der Duden führt eine ganze Reihe von Synonymen für Arroganz auf, und dabei sind so unschöne Charaktereigenschaften zu finden wie Hochmut, Selbstgefälligkeit und Blasiertheit, die die Arroganz noch etwas unschöner erscheinen lassen. Dieser hatte Schiedsrichter Manuel Gräfe Hannovers Trainer Thomas Doll bezichtigt, und zwar in aller Öffentlichkeit des Augsburger Kabinengangs und mit einiger Lautstärke, so dass alle Anwesenden Augen- und Ohrenzeugen eines Disputs wurden, der für Unbeteiligte recht amüsante Züge trug.

Gräfe siezte, Doll duzte. "Das ist Arroganz", rief Gräfe von der einen Seite der sogenannten Mixed-Zone, was Doll auf dem Weg zur anderen Seite mit den Worten konterte: "Das ist Arroganz? Hey, hör auf, fünf Minuten sabbelst du uns voll. Scheiß auf Arroganz." Dann verschwand er in der Kabine seiner Mannschaft. Als er wieder heraustrat, legte Doll nach, auch noch auf dem Podium in der Pressekonferenz, zu der er erst eine Stunde nach der 1:3 (1:0)-Niederlage beim FC Augsburg erschienen war. Beruhigende Wirkung hatte die recht lange Zeitspanne aber offenbar nicht entfaltet.

Doll sagte, Gräfe habe ihn schon nach dem Schlusspfiff minutenlang "volllabern wollen". Ihm Arroganz vorzuwerfen, sei "schon harter Tobak", und überdies habe sich Gräfe "gockelig" aufgeführt und solle "vom hohen Ross runterkommen". Und dann sagte Doll zumindest noch einen Satz, den Gräfe wohl durchaus teilte, nur eben nicht in Bezug auf sich. "Mittlerweile nimmt sich der ein oder andere ein bisschen größer als er ist", befand Doll.

Zu der erheblichen Aufregung war es wegen gleich mehrerer Szenen im Spiel gekommen, bei denen Doll sich und seine akut abstiegsgefährdete Mannschaft ungerecht behandelt fühlte. Wie beim Stande von 1:0 für Hannover nach dem frühen Tor von Hendrik Weydandt (8.), als Gräfe zu Beginn der zweiten Halbzeit auf Freistoß für 96 entschied, den Genki Haraguchi an die Latte setzte (52.). Aus Sicht der Gäste hatte er ihnen dabei aber einen Vorteil genommen, da Nicolai Müller kurz nach dem Foulspiel frei vor Augsburgs Torwart Gregor Kobel stand. "Da hatte ich längst gepfiffen, und deshalb sind die Augsburger überhaupt erst stehen geblieben", erklärte Gräfe, was er Doll zuvor schon im persönlichen Gespräch darzulegen versucht hatte.

Dass es in dieser Szene durchaus möglich gewesen wäre, auf Vorteil zu entscheiden, ließ der Schiedsrichter selbstkritisch anklingen. Andererseits habe er die Vorteilsregel vor Hannovers Führung schon "maximal ausgereizt", erinnerte Gräfe, als er von einem Pfiff absah, nachdem Kobel den Ball außerhalb des Strafraums mit der Hand gespielt hatte.

Überhaupt nicht nachvollziehen konnte Gräfe zudem nach Ansicht der Fernsehbilder den Vorwurf der Gäste, er habe vor Augsburgs Freistoß zum 2:1 durch Jonathan Schmid (78.) ein Foulspiel an Hannovers Oliver Sorg übersehen. Vor allem aber konnte Gräfe kein Verständnis für Dolls höhnischen und ironischen Vorwürfe in aller Öffentlichkeit aufbringen. Emotionen gehörten dazu, sagte Gräfe, "aber das war in der Art und Weise nicht korrekt von ihm". Doll habe ihm unter anderem gesagt: "Deinetwegen haben wir verloren."

Gräfe fand nicht nur das "despektierlich", er sagte: "Wenn ich mit ihm in einen Dialog treten, mit ihm reden möchte, dann mich des Laberns zu bezichtigen, dann ist das schon die erste Form der Arroganz. Das ist ja kein faires Miteinander." Er sehe aber von einem Sonderbericht ab, da ja keine Beleidigung vorgelegen habe. Für ihn sei die Angelegenheit schon vergessen. "Ich will das auch nicht höher hängen, als es ist", sagte Gräfe, "wenn man absteigt oder gegen den Abstieg kämpft, dann ist man frustriert."

Dass Hannover so langsam für die zweite Liga planen kann, mussten sich die Gäste auch selbst anlasten, wie Doll einräumte. Mehrere Großchancen hatte seine Mannschaft nach der Führung liegen gelassen. Erst nach der Pause verdiente sich Augsburg mit Wucht und Leidenschaft den Ausgleich durch Sergio Córdova (65.) und später noch André Hahns 3:1 (86.), durch das der FCA im Abstiegskampf erst einmal durchatmen kann. Bei Hannover soll die sechste Niederlage im siebten Spiel unter Doll derweil nichts an der Vereinbarung mit ihm ändern.

Jedenfalls, wenn es nach Horst Heldt geht. "Auch wenn der Worst Case eintritt, wollen wir mit Thomas Doll wieder aufsteigen", sagte der Manager, "so ist das zumindest besprochen worden." Für ihn sei ein erneuter Trainerwechsel "kein Thema". Genug Zeit, sich zu beruhigen, sollte Doll vor dem anstehenden Treffen mit den ebenfalls abstiegsbedrohten Schalkern haben. Das Spiel findet erst nach der Länderspielpause in zwei Wochen statt.

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SZ vom 17.03.2019/jbe
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