Dokumentarfilm über Schalke:Hymne in Blau

1958 verdrängten Yves Kleins Ultramarinblau und das Schalker Königsblau zusammen das obligatorische Anthrazitgrau in Gelsenkirchen. Nun wurde sogar ein Film über das "blaue" Phänomen gedreht.

Von Jörg Marwedel

Artur Dieckhoff glaubt nicht an Zufälle. Er glaubt auch nicht daran, dass Kunst und Fußball nicht zusammen gehören. Mehr noch: Artur Dieckhoff ist überzeugt davon, dass ein Zusammenhang besteht zwischen jenen beiden Ereignissen, die im Jahre 1958 die Arbeiterstadt Gelsenkirchen in Aufregung versetzten: Der Auftritt des französischen Künstlers Yves Klein, der aus Paris anreiste, um das Foyer des modernistischen neuen Stadttheaters mit einem 500 Quadratmeter großen, leuchtend-blauen Schwammrelief auszustatten, und die vorerst letzte deutsche Fußballmeisterschaft für den FC Schalke 04.

Es war das Jahr, als Kleins Ultramarinblau und das Schalker Königsblau zusammen das Anthrazitgrau in der einstigen Stadt der Hochöfen und Kohlezechen als prägende Farbe verdrängten.

Und Dieckhoff, der damals ein zehnjähriger Junge war, der mit der Straßenbahn am Stadttheater vorbei zur Schalker Glückauf-Kampfbahn fuhr, beschäftigte dieses Thema so lange, bis sein Freund, der Regisseur Christian Bau, sich der Sache annahm und einen Film über das Phänomen drehte.

Herausgekommen ist "schuss ins blau", ein 67minütiger Dokumentarstreifen, der an diesem Dienstag im Hamburger Abaton-Kino Premiere hat und im Juni von den Fernsehsendern ZDF und Arte gezeigt wird.

Moderiert wird diese Hymne auf die Farbe Blau von Peter Lohmeyer, Hauptdarsteller in Sönke Wortmanns "Wunder von Bern" und Schalke-Fan, der laut Selbstauskunft nie ohne ein blaues Utensil in der Arena AufSchalke aufkreuzt.

Lohmeyer geht also der Frage nach, weshalb eine Farbe so viel Kraft entfalten kann und wie sehr Kleins Kunst tatsächlich auch die Fußballer beeindruckt hat, deren Verhältnis zur Muse der Schalker Meisterspieler Heiner Kördell trocken umschreibt: "Kultur war für uns damals, eine Toilette in der Wohnung zu haben."

Doch auch Kördell, Ballschlepper und Bergmann mit Knappenbrief, hat wie seine Mitspieler Willi Koslowski ("Der Schwatte"), Günther Brocker oder Manfred Kreuz gespürt, dass da ein Aufbruch stattfand in der grauen Stadt, die gerade die Kriegsjahre abzuschütteln versuchte wie Zechenstaub.

"Wir wollten", erinnert sich Werner Ruhnau, der Architekt des avantgardistischen Stadttheaters, "für Schalke das Paradies bauen, eine Oase."

Und die Farbe, das glaubt Kleins Witwe Rotraut Klein-Moquay, die Lohmeyer in Paris besuchte, half dabei, weil das Blau "wie der Kosmos diese Zeitlosigkeit verkörpert, eine Kraft und Sensibilität, eine andere Dimension".

Damals, als junges Mädchen, war Rotraut Klein-Moquay in Gelsenkirchen dabei und von Farbe und Künstler beeindruckt. Die Faszination hat gehalten, selbst bei Rudi Assauer, Schalkes Manager, der damals das Endspiel gegen den HSV (3:0) als 14-Jähriger in der Gaststätte "Zum Katzbusch" im nahen Herten erlebte und sich selbst als "Kunstbanause" bezeichnet.

Über Kleins Blau sagt Assauer: "Ist zwar nicht Königsblau, Schalker Blau, ist aber trotzdem ein sehr schönes Blau geworden."

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