Doku zur Handball-WM:Projekt Helden

Nach dem Fußball-Sommermärchen kommt nun der Film "Projekt Gold" in die Kinos. Doch Regisseur Oelsner gibt auch Einblicke in weniger schöne Seiten des Handballsports.

Thomas Hummel

Ist die Geschichte des frustrierten Torwarts Henning Fritz, der sich plötzlich wieder zu Höchstleistungen aufrafft, schöner als die Vereinigung der Erzfeinde Kahn und Lehmann? Ist Heiner Brand sympathischer als Jürgen Klinsmann? Am kommenden Donnerstag kommt ein Film in die Kinos, den man so ähnlich kürzlich gesehen hat: Der Fußball-Dokumentation "Deutschland - ein Sommermärchen" folgt die Handball-Dokumentation "Projekt Gold".

Projekt Gold Brand

Kabinengeflüster: Handball-Nationaltrainer Heiner Brand nach dem Sieg im WM-Finale.

(Foto: Foto: dpa)

Regisseur Winfried Oelsner hat die deutschen Handballer bei der Weltmeisterschaft in eigenen Land zu Beginn des Jahres begleitet. Oelsner hat dabei einen Film gedreht, der in der Machart Sönke Wortmanns Doku über die Klinsmannschaft bei der Fußball-WM 2006 vollständig gleicht. Etwa der Blickwinkel: Durch die Handkamera bekommt der Zuschauer Einblicke in das Innenleben einer Sportmannschaft. Es geht los mit dem Training, Mediziner, Betreuer und Psychologen erzählen, wieso der Sport toll ist und was man dabei beachten muss. Im Mittelpunkt stehen Spieler und Trainer und die Eindeutigkeit des Sports: Sieg oder Niederlage, Jubel oder Trauer.

Der Film taucht ein in das Turnier mit den euphorischen Zuschauern, mit den Erfolgen dieser Mannschaft bis hin zum Happy End. Allerdings gibt er, anders als das "Sommermärchen", erfreulicherweise auch Einblicke in die weniger schönen Seiten der Sportart wie auch der WM.

Wieder die Polen

So fallen selbst unter smarten Handballern politisch inkorrekte Motivationshilfen: Kapitän Markus Baur fordert ganz nach Klinsmann: "Wir hauen die Polen durch die Wand!" Linksaußen Torsten Jansen berichtet, dass er vor den K.o.-Spielen plötzlich gespürt habe, wie die zunächst fröhliche Stimmung der Zuschauer in blanke Aggression gegen den Gegner umgeschlagen sei.

Schließlich hält Oelsner seine Kamera hin, als Abwehrspieler Oliver Roggisch eine Platzwunde am Kopf per Tacker geflickt wird. Roggisch erzählt anschließend von seinen bisherigen Verletzungen. Während er aufzählt, wie er sich so ziemlich alle Knochen und Bänder im Körper bereits geschädigt hat, und damit schließt, dass er im Vergleich zu einigen Kollegen noch glimpflich davongekommen sei, könnten Väter und Mütter stutzig werden, ob sie ihren Nachwuchs in einen Handballverein schicken sollen.

Der Unterschied zum Kickerfilm liegt vor allem in den handelnden Personen. Die Protagonisten sind nicht mediengeschulte Fußballer, die gerne vorgefertigte Sätze aus ihren Köpfen kramen, sondern kumpelhafte, natürlich auftretende Handballer, mit denen sich der Breiten-Mannschaftssportler sehr viel leichter identifizieren kann. Und es gibt ein paar erinnerungswürdige Szenen, die auch den Unterschied zum Millionen-Geschäft Fußball verdeutlichen.

Stehplatz im Zug

Zum Beispiel bewegten sich die Handballer mit dem Zug durch Deutschland statt mit dem Flugzeug. Auch nicht mit einem eigenen Zug, wie schon die Fußball-Weltmeister 1954, sondern mit einem normalen ICE. Und weil die Leitung vergessen hat, nach dem Auftaktspiel in Berlin Plätze zu reservieren, muss Trainer Heiner Brand die Anweisung geben: "Jeder, der gespielt hat, muss sitzen." Die anderen stehen. Wunderbar ist auch Brands Ärger in der Mannschaftssitzung, nachdem er am Abend vor dem Zwischenrundenspiel gegen Slowenien gesehen hatte, dass sich Spieler Pizza aufs Hotelzimmer bestellt hatten. Vor dem wichtigsten Spiel der Karriere "kommt hier der Pizzabäcker vorbei".

Am Ende gibt der Film dann selbst die Antwort auf die Frage, warum man sich bisweilen von ihm mitreißen lässt. Im Abspann erklingt: "Forever young, I want to be forever young" - Immer jung, ich will immer jung sein - ein Remake des Achtziger-Jahre-Hits von Alphaville. Jung und erfolgreich soll der Mensch sein, ein Held, dann ist er eine Identifikationsfigur. Das hat bei den Fußballern schon funktioniert, und weil dann auch die Handballer diese Eigenschaften aufs Beste kombiniert haben, profitiert der Film "Projekt Gold" ebenfalls davon.

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