Feuerwerke würde es geben, hatte Novak Djokovic vor diesem Achtelfinalmatch gegen Holger Rune angekündigt. Er glaubte ja auch wie so viele, der junge Däne würde ihn an die Grenzen treiben und kraft seines jungen Alters von 21 Jahren entschlossen dagegenhalten. Aber dann kam es anders am späten Montagabend in Wimbledon. Die Feuerwerke, womit furiose Vorhand-, Rückhand- und sonstige explosiven Tennisschläge gemeint waren, blieben aus. Beziehungsweise: Nur Djokovic, der 37-jährige Oldie, fabrizierte sie. Mit einem aalglatten, roboterhaften 6:3, 6:4, 6:2-Erfolg erreichte er das Viertelfinale (sein 60. bei einem Grand Slam!), wo er an diesem Mittwoch auf den Australier Alex de Minaur trifft.
Als es dann nach einem gemütlich-friedlichen Siegerinterview auf dem Centre Court von Wimbledon aussah, kam ein zweites Mal alles völlig anders. Jetzt knallte es richtig – verbale Raketen stiegen in den Nachthimmel Londons, die es im All England so auch noch nicht gegeben hat.
Lulu Sun in Wimbledon:Heimlich ins Viertelfinale gebeamt
Sie wurde in Neuseeland geboren, ging in Shanghai zur Schule, wuchs in der Schweiz auf – und steht nun erstmals bei einem großen Turnier unter den letzten Acht: Der erstaunliche Weg von Lulu Sun, der in Wimbledon fast schon vorzeitig geendet hätte.
Interviewer Rishi Persad, der für die BBC arbeitet und ein äußerst distinguierter Mensch ist, wählte eine völlig unverfängliche Einstiegsfrage. Djokovic sagte erst etwas Freundliches, um plötzlich seine Gemütslage radikal zu ändern. „Und an alle Leute“, setzte er an und schaute lüstern ins weite Oval, „die entschieden haben, die Spieler und in dem Fall mich nicht zu respektieren: Have a Gooooood Niiiiiight!“ Einige applaudierten daraufhin, aber auch Buhrufe waren zu hören. Djokovic indes war noch nicht fertig und rief dreimal hinterher, diesmal kürzer: „Gooood night! Goood night! A very good night! Yap.“
Trotz war immer Djokovics stärkster Motivator
Da stand er dann strahlend, nachdem er ja so schwach ins Turnier gestartet war, seine Form war nach einem Eingriff am Knie mit vielen Fragezeichen versehen. Doch jetzt, in Richtung des entscheidenden Wochenendes in Wimbledon, ist er offenbar wieder ganz der alte Djokovic, der Ich-gegen-die-Welt-Djokovic. Wenn der Mann aus Belgrad Widerstände empfindet, war er stets die beste Version seiner selbst. Trotz war noch immer sein stärkster Motivator. Wer 24 Grand-Slam-Titel gewinnt, muss sich eben wehren können. Und er sucht Gegenwehr. De Minaur kann einem jetzt schon leidtun.
Persad, dem sichtlich die Kinnlade herunterfiel, versuchte sofort, die Wogen zu glätten und erwiderte: „Ich hoffe, sie wollten nur Rune kommentieren, sie haben dich nicht respektlos behandelt.“ Und das war ja tatsächlich gut möglich, der Weltranglisten-15. aus Gentofte wird von seinen Fans gerne mit einem langen „Ruuuuuuuune“ angefeuert. Also alles ein Missverständnis? Da schüttelte Djokovic sofort den Kopf und sprach zackig: „Sie haben! Sie haben! Das akzeptiere ich nicht! Ich weiß, dass sie Rune angefeuert haben, aber das ist nur ein Vorwand zum Ausbuhen … hör zu, ich bin auf der Tour seit mehr als 20 Jahren. Vertrau mir. Ich kenne alle Tricks.“
Djokovic beendete seine Tirade mit den Worten: „Es ist fein. Ich fokussiere mich auf die respektvollen Leute. Sie haben Respekt. Sie zahlen die Tickets und kommen, um nachts hier zu sein. Sie lieben Tennis und wissen die Spieler zu schätzen. Ich habe in viel feindlicheren Umgebungen gespielt. Ihr könnt mir nichts anhaben.“ Diese Feuerwerke, ja, sie machten ihm richtig Spaß.