Djokovic-Triumph in London:Nur Boris klaut Applaus

Djokovic-Triumph in London: Triumphiert auch in London: Novak Djokovic

Triumphiert auch in London: Novak Djokovic

(Foto: AFP)

Von Lisa Sonnabend

Die Zuschauer applaudierten ehrfurchtsvoll, manche erhoben sich gar. Da stand auch Boris Becker auf, er grinste. Unten auf dem Tennisplatz hielt Novak Djokovic das Mikrofon in der Hand: "Happy Birthday, Boris!", rief er. Die Zeremonie nach dem ATP-Finale in London geriet zu einer spontanen Geburtstagsfeier für den Trainer, denn der wurde am Sonntag 48 Jahre alt. Dabei hatte es an diesem Abend eigentlich nur einer verdient, gefeiert zu werden: Djokovic. Der Serbe hatte soeben im Endspiel Roger Federer mühelos mit 6:3 und 6:4 besiegt - und seine ohnehin schon unglaubliche Saison gekrönt. Seit Jahren hat kein Spieler mehr den Tennissport so dominiert wie Djokovic 2015.

Der Serbe hat in dieser Saison 16585 Weltranglistenpunkte gesammelt, so viele wie nie ein anderer Profi zuvor. Andy Murray und Roger Federer, die Nummer zwei und drei der Welt, erspielten jeweils gerade einmal halb so viele Punkte. Djokovic gewann nicht nur zum vierten Mal in Serie das ATP-Finale, sondern auch die Grand-Slam-Turniere in Melbourne, Wimbledon und New York. Hätte er das Finale in Paris nicht gegen Stan Wawrinka verloren, hätte er als erster Spieler seit Rod Laver 1969 sogar den Grand Slam, also den Triumph bei den vier wichtigsten Turnieren, geschafft.

Als Djokovic in London den großen Pokal in die Hand nahm und Konfetti vom Hallendach rieselte, rollte er mit den Augen. So als könne er selbst nicht glauben, dass er schon wieder ein bedeutsames Turnier gewonnen hat. "Ich bin sehr stolz auf meine Erfolge", sagte Djokovic. Sein Gegner Federer meinte anerkennend: "Er hat verdient gewonnen, er hatte ein unglaubliches Jahr."

Schwer zu besiegen

In 82 Matches verließ Djokovic 2015 den Platz als Sieger, nur sechs Mal verlor er. Immerhin drei Mal gegen Roger Federer. Der Schweizer hatte ihn auch in London in der Gruppenphase besiegt, doch im Finale demonstrierte Djokovic einmal mehr, warum er in diesem Jahr so schwer zu bezwingen ist. Der Weltranglistenerste deckte dank seiner Athletik stets alle Ecken des Platzes ab, er returnierte stark, trieb Federer geduldig von einer Seite auf die andere - und im entscheidenden Moment zeigte er Nervenstärke. Im zweiten Satz konnte Federer die Partie bis zum 4:5 offen gestalten, doch dann zog der Serbe an und nutzte zwei, drei wackelige Aufschläge von Federer sofort, um das Match zu entscheiden.

Obwohl Djokovic 2015 schon zehn Turniere gewonnen hatte, war er extrem hungrig nach dem elften Pokal, so als würde er in seinem ersten großen Finale stehen. Djokovic will jetzt erst einmal Urlaub machen. "Ich werde mich vom Tennis fern halten", versprach er in London. Eine gute Nachricht für die Konkurrenz ist das jedoch nicht. Djokovics Ziel: Die Batterien müssen neu aufgeladen werden.

Federer saß nach der Niederlage auf seiner Bank. Er blickte geradeaus, die Schultern hingen herunter. Er wirkte ratlos. Wie soll ein Tennisspieler diesen Novak Djokovic aufhalten?

Im Frauentennis war in diesem Jahr viel von der unglaublichen Dominanz von Serena Williams die Rede, doch nun wird deutlich: Die von Djokovic ist noch viel erdrückender. Während die Amerikanerin schon am Ende ihrer Karriere steht, immer wieder mit Verletzungen und flatternden Nerven zu kämpfen hat, ist Djokovic erst 28 Jahre alt - und wird immer besser. Zuletzt hat er mit Trainer Becker an seiner Psyche gearbeitet, er versteht es immer besser, sich taktisch auf das Spiel des Gegners einzustellen, Und seine Volleys, die bisherige Schwachstelle, werden immer souveräner.

Nach diesem Tennisjahr steht fest: Im Männertennis gibt es nicht mehr die großen Vier, also Djokovic, Federer, Rafael Nadal und Murray, die die wichtigen Siege untereinander aufteilen. Nur einer ist übrig.

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