Novak Djokovic:Zwischen den Fronten

Novak Djokovic: Sitzt immer noch im Hotel in Melbourne fest: Novak Djokovic

Sitzt immer noch im Hotel in Melbourne fest: Novak Djokovic

(Foto: Patrick Steiner/Gepa/Imago)

Novak Djokovic schlug in Australien viel Sympathie entgegen - doch nun hat er sich eigenverantwortlich in die Bredouille manövriert. Verständnis, auch von Kollegen, muss er nicht erwarten.

Kommentar von Barbara Klimke

Ein Adjektiv genügt dem australischen Fernsehsender Seven News, um die derzeitige Herberge von Novak Djokovic zu skizzieren: "infamous", berüchtigt. Das Park Hotel in Melbourne diente Asylbewerbern als Unterkunft, wurde als Quarantäne-Station genutzt, und die Regierung bringt dort auch Leute unter, die auf ein Visum warten. Manche, so heißt es, sitzen in dieser und ähnlichen Wohnstätten schon seit Jahren fest. Selbst wenn sich das 107-Zimmer-Etablissement etwas von dem Charme bewahrt hat, den es besaß, als es noch als "luxuriöses 4,5-Sterne-Hotel" mit Pool beworben wurde, so liegt diese Bude doch abgrundtief unterhalb der Preisklasse, in der Djokovic, der in seiner Karriere 154 Millionen US-Dollar Preisgeld verdient hat, sonst residiert.

Der weltbeste Tennisspieler in einer Abschiebeunterkunft - wie konnte es so weit kommen?

Australien hat in der Pandemiebekämpfung bislang wenig Kompromissbereitschaft erkennen lassen. Dass die Regierung die Gesetze ohne Ansehen von Person, Prestige oder Prominentenstatus umsetzen würde, dürfte für Djokovic nicht neu gewesen sein. Er gehörte auch vor Jahresfrist zum Tennisreisetross, als einigen seiner Kolleginnen und Kollegen, damals noch in Ermangelung von Vakzinen, statt Freiluft-Quarantäne ein 14-tägiger Stubenarrest verordnet wurde. Dennoch beschloss er, die seit Monaten bekannte Impfpflicht für die die Australian Open 2022 mit Hilfe eines Antrags auf eine Sonderreglung zu umgehen, was zweifellos erheblichen Aufwand erfordert hat. Soweit sich die komplexe Sachlage überblicken lässt, ist er nun in einem innenpolitischen Behördenstreit über Länder- und Bundeskompetenzen zwischen die Fronten geraten.

Novak Djokovic: Nach seinem neunten Streich in Melbourne: Novak Djokovic im Februar 2021 posiert mit Pokal nach seinem Rekordsieg bei den Australian Open.

Nach seinem neunten Streich in Melbourne: Novak Djokovic im Februar 2021 posiert mit Pokal nach seinem Rekordsieg bei den Australian Open.

(Foto: Patrick Hamilton/AFP)

Dass die Kollegen dem Dilemma ihres Branchenprimus ein über knappe Mitleidsbekundungen hinausgehende Verständnis entgegenbringen, ist kaum zu erwarten, wie die Reaktion des Spaniers Rafael Nadal, 35, zeigt. "Es steht jedem frei, seine eigenen Entscheidungen zu treffen, aber dann gibt es Konsequenzen", teilte der alte Widersacher (geimpft und genesen) lakonisch mit. Wie Djokovic, 34, und der in Melbourne verletzt fehlende Schweizer Roger Federer, 40, hat Nadal 20 Grand-Slam-Titel gewonnen. Wird dem Einspruch des serbischen Dauerrivalen gegen den Entzug seines Visums nicht stattgegeben, steigen Nadals Chancen, zum alleinigen Weltrekordhalter im Trophäensammeln aufzusteigen.

In diesem Umstand liegt vielleicht die größte Misere für Djokovic: Niemand hat die Australian Open häufiger gewonnen als er. Bei keinem anderen Grand-Slam-Turnier schlägt dem neunmaligen Melbourne-Sieger - der oft leise Klage führte, dass ihm seltener eine Welle der Wärme und des Wohlwollens entgegenschwappt als dem kämpferischen Nadal und dem eleganten Federer - mehr Sympathie entgegen in der Rod Laver Arena. Wenn er eine treue Fangemeinde hat, dann in Australien, dem Einwandererland auf der anderen Seite der Welt.

Was Nadal und Federer von Djokovic unterscheidet, ist auch der Umstand, dass die beiden Älteren kaum das Wagnis eingegangen wären, sich derart in die Bredouille zu bringen. Eher hätten sie wohl auf das Turnier verzichtet, als eine Extratour mit ungewissem Ausgang zu riskieren. Vermutlich schon deshalb, um unter allen Umständen eine Nacht in einem berüchtigten Abschiebehotel zu vermeiden.

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