Diskussionen bei Werder Bremen:Der Abstieg muss kein Nachteil sein

FUSSBALL 1 BUNDESLIGA SAISON 2014 2015 12 SPIELTAG Hamburger SV SV Werder Bremen 23 11 2014 Fin; Werder Bremen

Deprimierende Niederlage in Hamburg: Fin Bartels (links) und Felix Kroos.

(Foto: imago/Ulmer)

Vorletzter Tabellenplatz, hohe Verluste - und trotzdem neue Schulden? Bei Werder Bremen wird eifrig diskutiert, wie der Abstieg zu verhindern ist. Der Gang in die zweite Liga ist längst kein Tabuthema mehr.

Von Carsten Eberts

Es hätte nicht gepasst, hätte diese Woche für Werder Bremen mit einer positiven Nachricht geendet. Also gab es eine schlechte. Franco Di Santo, der gefährlichste Angreifer der Hansestädter, wird in dieser Hinrunde nicht mehr für Werder auflaufen. Seine Außenbandverletzung im rechten Knie will nicht abklingen. Di Santo braucht Ruhe.

Zuletzt verfestigte sich der Eindruck, dass der Elf von Trainer Viktor Skripnik vor allem die Fähigkeit abgeht, Stammkräfte zu ersetzen. Nun also der langfristige Ausfall von Di Santo. Doch dies war nicht die einzig schlechte Nachricht der Woche für den Tabellenvorletzten. Erst die Derby-Niederlage beim HSV, dann ging es um miese Geschäftszahlen, mögliche neue Schulden - und eine noch viel wildere Geschichte.

Rund um die Jahreshauptversammlung machte sich in Bremen eine Angelegenheit breit, die die Verantwortlichen bei Werder durchaus ernst nahmen. Jüngere Mitglieder sollen gezielt angesprochen worden sein, um gegen Geld die Versammlung zu stören. Sie sollten Stimmung gegen das Aufsichtsratsmitglied Willi Lemke machen - sogar Lemke-raus-Plakate zeigen, wie der Verein offen kommunizierte.

Für manche Bremer gilt Lemke, der als Aufsichtsratsboss bereits zurückgetreten ist, als Hauptschuldiger der aktuellen Situation - die Aktion wäre ein Affront gewesen. "Das hat es noch nie bei Werder Bremen gegeben, und das wird es bei Werder Bremen auch nicht geben", echauffierte sich Klubpräsident Klaus-Dieter Fischer am Mikrofon. Die Plakate, wenn es sie denn gab, blieben in den Taschen. So protestierten vor der Halle nur einige Tierschützer gegen den Trikotsponsor "Wiesenhof".

Auch sonst verlief die Versammlung wenig befriedigend, auch wenn die Werder-Bosse glauben zu machen versuchten, dass alles seinen Gang geht an der Weser. Nicht arm, nicht reich sei der Klub, bilanzierte Fischer - dagegen stand mit 9,8 Millionen Euro Verlust die zweitschlechteste Bilanz der Klubgeschichte. Diese, bekannte Fischer, sei vor allem mit dem Konsolidierungskurs zu erklären. Doch daran bestehen Zweifel.

Viel wurde gespart in Bremen in den vergangenen Jahren, das ja einmal als sicherer Kandidat für die Europacup-Plätze galt. In Marko Arnautovic, Sokratis und Denni Avdic wurden teure Spieler abgegeben, die Gehälter für das Bundesligateam betragen nicht einmal mehr 30 Millionen Euro. Trotzdem ist zu wenig Geld in der Kasse. Die Kapitalgesellschaft musste sich sogar eine beträchtliche Summe vom Stammverein leihen, um weiter liquide zu sein. Das alles sieht nicht wirklich gut aus, zumal sich der Qualitätsverlust in der Mannschaft unmittelbar in der Tabelle niederschlägt.

Gar nicht zu passen scheinen deshalb die Rufe aus dem Klub, man dürfe in der Winterpause nicht zimperlich sein, wenn es darum geht, den Kader zu verstärken. Präsident Fischer hatte den Aufsichtsrat aufgefordert, neue Schulden zu machen, um den Abstieg aus der Bundesliga abzuwenden. Auch der neue Aufsichtsratschef Marco Bode zeigte sich gesprächsbereit.

Abstieg als realistisches Szenario

Das wäre ein großer Sprung an der Weser, war der Aufsichtsrat zuletzt doch stets jenes Gremium, dass die Ausgaben deckelte. Mittlerweile ist von einem "kontrollierten Risiko die Rede". Lemke sagte diesbezüglich, der Aufsichtsrat werde "nichts beschließen, wodurch wir irgendwann unsere Lizenz abgeben müssen". So weit ist es in Bremen gekommen.

So ist der Abstieg längst ein realistisches Szenario geworden, das wird auch im Klub anerkannt. Auch in Liga zwei gehe das Leben weiter, sagte Geschäftsführer Thomas Eichin bei Radio Bremen: "Da gibt's andere Vereine, da kann ich Ihnen zig Beispiele nennen, die das geschafft haben über diesen Umweg zurück zu kommen." Nicht zuletzt Borussia Mönchengladbach, Eichins früherer Verein. Eichin: "Gucken Sie, wo die heute stehen. Die haben auch einen harten Weg hinter sich."

Sätze, die Trainer Skripnik sicher besonders gerne hört. Gerade hat er seinen bestehenden Kontakt in einen Cheftrainervertrag umgewandelt - in der Hoffnung, dass im Verein alles getan wird, um den drohenden Gang in die Zweitklassigkeit zu verhindern. Am Samstag gegen den SC Paderborn muss unbedingt ein Sieg her, da die Konkurrenz am Tabellenende zu punkten beginnt - und auch beim Schlusslicht VfB Stuttgart davon auszugehen ist, dass nach dem Trainerwechsel die Stimmung umschwingt.

Skipniks Sorgen sind nicht gerade klein: Gegen Paderborn fällt nicht nur Di Santo aus, sondern auch Ludovic Obraniak (Muskelverhärtung) sowie Clemens Fritz und Santiago Garcia (beide gesperrt). Wer dafür spielt, weiß Skripnik noch nicht. Er habe im Kader "noch keine Lösung gefunden", sagte Skripnik am Donnerstag. Er hat sich stets wohlwollend geäußert, wenn es um die Verpflichtung neuer Spieler ging. Skripnik ahnt, dass dieser Kader kaum bundesligatauglich ist.

In Skripniks neuem Vertrag wurde übrigens darauf verzichtet, eine Nichtabstiegs-Prämie festzuschreiben. Geld gab es an der Weser selten zu verschenken, schon gar nicht jetzt.

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