Süddeutsche Zeitung

Sport und Diskriminierung:Sauber schimpfen

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Anfeuern, ohne andere runterzumachen: Ein neuer Leitfaden soll Sportzuschauern Impulse für eine bessere Sprache geben - weil selbst kleine sprachliche Präzisierungen einen großen Unterschied machen.

Von Nelis Heidemann, München

Diskriminierende Sprache auf dem Fußballplatz ist so alt wie die Sportart selbst. Und seit genauso langer Zeit gibt es schon verschiedenste Versuche, das zu bekämpfen. Jetzt hat die Beratungsstelle KickIn! einen Ansatz vorgelegt, den es so noch nicht gegeben hat. "SprachKick" heißt die neueste Idee aus dem Verein für Inklusion und Vielfalt im Fußball, bei dem viele Fanklubs und Fußballklubs von der Bundesliga bis in den Amateurfußball Mitglied sind. Sie wird unterstützt vom Deutschen Fußball-Bund (DFB), der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und Aktion Mensch.

Im Kern der Webseite steht die Funktion "Wie sag ich's besser?", die anhand praktischer Beispiele aufzeigt, wie der eigene Sprachgebrauch inklusiver zu gestalten ist. In vier Oberthemen aufgeteilt, beschreibt der Leitfaden etliche Formulierungen, die auf Fußballplätzen der Republik gängiger Rhetorik entsprechen - aber eben auch diskriminierend sind und deshalb Alternativen bedürfen.

Unter der Kategorie "Geschlecht & sexuelle Orientierung" lässt sich zum Beispiel herausfinden, dass der Ausruf "Was für ein schwuler Pass!" diskriminierend ist, da er eine Gleichsetzung von Homosexualität mit schlechter Leistung vornimmt. Die vorgeschlagene Alternative: "Boah, was ein mieses Zuspiel" - damit wäre die unterirdische Qualität des Passes diskriminierungsfrei und immer noch hinreichend erklärt.

Eine Behinderung "meistert" man nicht - man lebt mit ihr

Aber auch ganz Grundsätzliches findet sich im Portal, hilfreich nicht nur für Fußballfans von Bundes- bis Kreisliga. So werden unter der Rubrik "Behinderung & Alter" zahlreiche Formulierungen aufgeführt, die darauf hinweisen, dass zum Beispiel "der Behinderte" besser als "Mensch mit Behinderung" zu bezeichnen ist. Oder dass man eine Behinderung nicht "meistert", sondern einfach "mit der Behinderung lebt".

Nun mag mancher Fußballfan bei solch kleinen Detailfragen entnervt abwinken - dass aber gerade diese kleine sprachliche Präzisierung einen großen Unterschied in der Wahrnehmung der Betroffenen macht, hat Projektleiterin Daniela Wurbs in der Erarbeitung von "SprachKick" erfahren. "Die Verbände verurteilen die harten sprachlichen Vergehen sofort, was natürlich richtig ist. Aber es gibt abseits von Schwarz und Weiß auch eine breite Grauzone", sagt Wurbs.

Deshalb haben sie und ihr Team sich in intensiver Kleinarbeit mit Betroffenen abgestimmt, um diese Grauzone etwas ausleuchten zu können. Mehr als ein Jahr hat das Erstellen der Webseite gedauert. Dass "SprachKick" dennoch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, weiß auch die Projektleiterin selbst.

Das Projekt will Orientierungshilfe bieten - und hofft auf Multiplikatoren in Stadien

"Wir zielen auf die ab, die es von sich aus besser machen wollen und ein grundsätzliches Bewusstsein für ihre Sprache haben. Wir wollen auch keine Sprachpolizei sein, sondern nur eine Orientierungshilfe bieten", erklärt Wurbs und hofft, dass ihre Leser im Stadion als Multiplikatoren auftreten. Es ist eben kaum davon auszugehen, dass Schreihälse, die diskriminierende Beleidigungen auf den Fußballplatz brüllen, später im stillen Kämmerlein die "SprachKick"-Webseite aufrufen, um zu checken, wie sie sich besser hätten ausdrücken können: "Mein Wunsch wäre, dass die Vereine die Inhalte von SprachKick in die Stadien tragen und zum Beispiel auf den Leinwänden anzeigen."

Celia Sasic, die neu gewählte DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität, steht dem Projekt zur Seite. "Wenn wir den Fußball für alle wollen, müssen wir eine gemeinsame Sprache sprechen. Miteinander, aber auch übereinander", sagt Sasic, die als frühere Fußballerin die Wirkung allerhand diskriminierender Attacken kennt.

Die Bedeutung von "SprachKick" lässt sich auch daran bemessen, welche weiteren prominenten Fürsprecher das Projekt gewinnen konnte. Leon Goretzka, Gerald Asamoah oder Thomas Hitzlsperger lassen sich auf der Projektseite zitieren. Und auch einer, der zu den großen gesellschaftlichen Debatten im Fußball schon immer Fundiertes beizutragen hatte. "Schimpfen kann ich im Stadion ganz wunderbar, auch ohne Menschen abzuwerten", sagt Ewald Lienen.

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