Süddeutsche Zeitung

Dirk Nowitzki:Der einzigartige Typ sagt goodbye

  • Dirk Nowitzki verkündet sein Karriereende in der NBA - nach 21 Jahren, in denen er nur für die Dallas Mavericks gespielt hat.
  • Er wollte keine große Abschiedsshow, doch es wird eine emotionale Nacht.
  • Nowitzki möchte nach seiner Karriere mit seiner Familie weiter in Texas leben.

Von Jürgen Schmieder, Dallas/Los Angeles

Und dann gibt es doch diesen Moment, in dem Dirk Nowitzki von seinen Emotionen überwältigt wird. Er stützt sich auf seinen Knien ab, vergräbt das Gesicht im Trikot, und es sagt sehr viel aus über diesen Menschen, welche Bilder kurz vor der Halbzeit auf dem Videowürfel in der Arena der Dallas Mavericks gezeigt werden (hier die Zeremonie im Video). Es sind keine heroischen Augenblicke, keine Würfe im Rückwärtsfallen, keine Drei-Punkte-Treffer, keine krachenden Dunkings.

Zu sehen ist Nowitzki, wie er Kinder im Krankenhaus besucht, mit einer recht ulkigen Mavericks-Nikolausmütze auf dem Kopf. Es ist dieser Dirk Nowitzki abseits des Parketts, der den Leuten mindestens so ans Herz gewachsen ist wie der Basketballspieler.

Am Ende dieses Videos wird die Zahlenkombination "41.21.1" gezeigt als Hinweis darauf, dass der Typ mit der Rückennummer 41 während seiner 21 Jahre in der NBA nur für diesen einen Verein gespielt hat. Das ist davor noch keinem NBA-Profi gelungen, auch deshalb lieben sie ihn in Dallas, weil er auf größere Titelchancen oder bessere Verdienstmöglichkeiten verzichtet hat - an diesem Abend trägt Nowitzki blaue Basketballschuhe, auf denen das Wort "Loyalty" (Treue) eingestickt ist, und nach dem 120:109-Sieg gegen die Phoenix Suns sagt er: "Ihr habt das ja wahrscheinlich schon erwartet: Das ist mein letztes Heimspiel gewesen."

Nowitzki hatte absichtlich keine Abschiedstournee angekündigt

Am Nachmittag, da überwiegt in Dallas noch die Hoffnung, dass sie Nowitzki vielleicht doch zu einer weiteren Saison überreden können, zumal der ja angekündigt hatte, über seine sportliche Zukunft erst nach der Saison entscheiden zu wollen, nach einem Karibik-Urlaub mit Ehefrau Jessica, nach Gesprächen mit Vertrauten, nach dem Hineinhören in den eigenen Körper.

Die Fans legen also beide Hände auf die Vorderseite des Dirk-Nowitzki-Trikots, dann strecken sie die Arme nach vorne und formen mit den Fingern die Zahlen vier und eins. Durch das Abdecken der Buchstaben "D" und "AS" beim Ortsnamen wird das Wort "ALL" sichtbar, darunter ist Nowitzkis Nummer 41 angebracht. "ALL 41" also, und vor der Arena brüllen sie immer wieder: "One! More! Year!" Noch ein Jahr.

Sie haben Nowitzki-Masken auf jeden Sitz gelegt, dazu T-Shirts mit dieser so bedeutsamen Aufschrift 41.21.1. "Es wird eine ganz besondere Nacht - egal, ob er das möchte oder nicht", sagte Mavericks-Besitzer Mark Cuban vor der Partie in Anspielung darauf, dass Nowitzki diese Ehrungen ja meist eher peinlich sind. Er hat absichtlich keine Abschiedstournee angekündigt, wie es zum Beispiel Dwyane Wade vor dieser Spielzeit getan hat und das letzte Spiel seiner Karriere am Dienstag in Miami dann auch zu einer bombastischen Ein-Mann-Show hat werden lassen. Dieses Gedöns ist Nowitzkis Sache nicht, Cuban sagte dennoch: "Ich würde den Leuten raten, lieber mal ganz viele Taschentücher mitzubringen."

Das war tatsächlich notwendig, weil die Mavericks nicht nur Masken und Shirts verteilten und in jeder Auszeit die grandiosesten Momente der Karriere zeigten, sondern weil sie auch so ziemlich jeden eingeladen hatten, der irgendwie mit Nowitzkis Karriere zu tun hatte: Charles Barkley und Scottie Pippen zum Beispiel erzählten noch einmal die Geschichte, wie sie Nowitzki einst als Teenager schwindelig gespielt habe - und Barkley bot ihm gleich einen Job als Experte an: "Ich kann dafür sorgen, dass Shaq gefeuert wird." Nowitzkis Vorbild Larry Bird war da, sein bester Basketball-Freund Steve Nash, sein ehemaliger Vereinskollege Michael Finley.

Als Nowitzki in die Halle kam - grauer Anzug, weißes Hemd, blaue Krawatte -, da standen die Mitarbeiter Spalier, jeder wollte noch einmal persönlich von ihm abgeklatscht werden. Nowitzki machte fröhlich lächelnd mit, es schien ihm nun doch nicht mehr ganz so peinlich zu sein - nein, er genoss es regelrecht. Er wärmte sich auf, drückte jede in seine Richtung ausgestreckte Hand, und dann zeigte er innerhalb der ersten drei Minuten noch einmal das komplette Repertoire seiner Spielkunst.

Einen Typen wie ihn hat es in der NBA noch nicht gegeben

Sprungwurf, Dreier, einbeiniger Fade-Away-Jumper, Dreier. Er erzielte die ersten zehn Punkte seiner Mannschaft, am Ende wurden es 30 Zähler, so viele wie noch nie in seiner letzten Spielzeit - und irgendwann, da forderten die Fans in der Arena nicht mehr noch ein weiteres Jahr, sie riefen einfach nur noch: "Thank You, Dirk!"

Das ist die Strahlkraft, die Nowitzki aufgrund seiner sportlichen Leistungen (31 540 Punkte und 11 479 Rebounds in 1521 Partien), seiner 21 Jahre währenden Treue zu diesem einen Verein und vor allem auch aufgrund seines Verhaltens abseits des Parketts besitzt. Einen Typen wie ihn hat es in dieser Liga noch nicht gegeben, so einen wird es wohl nicht mehr geben, und dieser Dienstagabend ist der Beweis dafür, was das mit den Leuten anstellt, wenn sie so einen Typen mehr als zwei Jahrzehnte lang erleben haben dürfen.

"Ich habe euch auf eine wilde Achterbahnfahrt genommen, ihr habt mich immer unterstützt", sagte Nowitzki, und dann ergänzte er in Anlehnung an John F. Kennedy: "Ich bin vor mehr als 20 Jahren als Deutscher hierher gekommen. Jetzt bin ich ein Texaner."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4403987
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/ebc
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.