Süddeutsche Zeitung

Dirk Nowitzki:"Lieber Dirk, bist du wahnsinnig?"

Lesezeit: 3 min

Von Matthias Schmid

Als sich Dirk Nowitzki nach dem Spiel auf die Bank setzt, füllen sich seine Augen rasch mit Tränen, es sind Tränen der Rührung. Er wischt sie mit einem Handtuch weg, der gebürtige Würzburger hat einige Minuten zuvor zum wiederholten Mal die Geschichte in der besten Basketballliga des Planeten umgeschrieben. Er hat in der NBA schon die Meisterschaft mit den Dallas Mavericks gewonnen, ist als bester Spieler der Finalserie 2011 ausgezeichnet worden. Das neueste Kapitel des 2,13 Meter großen Basketballprofis mit dem goldenen Händchen trägt die Überschrift: erster ausländischer Spieler, der in seiner Karriere mehr als 30 000 Punkte in den regulären Spielzeiten geworfen hat.

Um besser verstehen zu können, was diese Punktezahl überhaupt bedeutet, muss man sich nur die bemerkenswerten Reaktionen aktueller und früherer Kollegen sowie die Liste derer anschauen, die noch vor Nowitzki stehen. Scottie Pippen, einst kongenialer Partner von Michael Jordan bei den Chicago Bulls, erinnerte den Deutschen auf Twitter daran, zu welch elitären Kreis er nun zählt: "Kareem, Mailman, Kobe, MJ, Wilt, und nun, Dirk", schrieb der sechsmalige NBA-Champion: "Glückwunsch zur Aufnahme in den 30 000-Punkte-Klub."

Nowitzki warf in der Partie gegen die Los Angeles Lakers noch die fehlenden 20 Punkte, um als sechster Profi in der langen NBA-Historie zu Kareem Abdul-Jabbar (38 387), Karl Malone (36 928), Kobe Bryant (33 643), Michael Jordan (32 292) und Wilt Chamberlain (31 419) aufzuschließen, die bislang als Einzige mehr als 30 000 Punkte in ihrer Karriere gesammelt haben. Nowitzki ist neben Bryant (LA Lakers) sogar nur einer von zwei Spielern, die alle Zähler für einen einzigen Klub geworfen hat.

Die Sportwelt im Allgemeinen und die Basketballfamilie im Besonderen verneigen sich vor dem Lebenswerk des 38-Jährigen aus Würzburg, der nun auf 30 005 Punkte kommt. Nowitzki wirkt - nach all den Jahren im schrillen NBA-Betrieb - noch immer so lässig und bodenständig wie ein Sportstudent im 20. Semester, gerade deshalb bewundern ihn so viele Menschen auf der ganzen Welt. LeBron James, der wohl aufregendste Spieler der Gegenwart, widmete Nowitzki sogar eine 50-sekündige Videobotschaft aus seinem Wohnzimmer. Während er den Deutschen lobte ("Du bist einfach unglaublich"), liefen im Hintergrund auf einem riesigen Flachbildfernseher noch die Feierlichkeiten zu Nowitzkis Bestmarke. "Diesen Moment durfte ich in keinem Fall verpassen und ich hoffe, dass ich dich eines Tages erreichen werde, großer Bruder", sagte James schließlich. Der amtierende NBA-Sieger der Cleveland Cavaliers liegt mit 28 316 Punkten derzeit auf dem achten Platz der ewigen Rangliste.

Hoeneß hofft auf Nowitzki beim FC Bayern

Auch deutsche Sportler gratulierten via Twitter. "Lieber Dirk, bist du wahnsinnig?", fragte der dreimalige Wimbledon-Sieger Boris Becker. Auch die Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng, Mats Hummels und Toni Kroos huldigten ihrem Landsmann. Sogar Uli Hoeneß meldete sich, der ja insgeheim noch darauf hofft, dass Nowitzki zum Abschluss seiner Karriere einmal in der Basketball-Bundesliga für den FC Bayern München auflaufen wird. "Ich bin immer ein großer Bewunderer Ihrer Karriere gewesen", ließ der Bayern-Präsident mitteilen.

Auch die NBA ließ es sich nicht nehmen, Nowitzki für seine Vorstellungen auf dem Parkett zu danken. "Dirk ist ein Muster-Profi und ein grandioser Botschafter für unser Spiel. Seine Leistungen machten ihn zu einer Legende und zu einem der größten NBA-Spieler aller Zeiten", teilte Commissioner Adam Silver mit.

Nur Barack Obama fehlte in dem Kreis der Gratulanten. Dabei pflegen Nowitzki und der vormalige US-Präsident ein besonders Verhältnis. Zuletzt speiste Nowitzki mit Obama bei dessen abschließendem Deutschland-Besuch in Berlin. Und als Obama die Mannschaft der Dallas Mavericks nach ihrem NBA-Titel ins Weiße Haus einlud, sprach der erwiesene Basketball-Fan in seiner Rede Nowitzki persönlich an und machte sich über dessen Sangeskunst lustig. "Ich habe gehört, dass du daran arbeitest, um dich zu verbessern."

Es ist nicht bekannt, ob Nowitzki an seiner Schwäche gefeilt hat. Es steht nur fest, wie er den Abend nach seinem Rekordspiel hat ausklingen lassen: mit dem ersten Bier seit langer Zeit. Er hat noch einiges vor. Dirk Nowitzki will mit seinem Klub in dieser Saison unbedingt wieder die Playoffs um die Meisterschaft erreichen. Da lässt er sich auch nicht von einer historischen Bestmarke aus der Ruhe bringen.

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