Diego Costa bei Atlético Madrid:Gefährlicher als Messi und Ronaldo

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Zehn Treffer in acht Ligaspielen: Diego Costa von Atlético Madrid beim Torjubel

(Foto: AFP)

Vom umstrittenen Rüpel zur Respektsperson im spanischen Fußball: Der gebürtige Brasilianer Diego Costa galt lange als schwieriger Typ, jetzt ist er Europas erfolgreichster Torjäger. Dafür winkt dem Mann von Atlético Madrid ein Platz in der Nationalmannschaft des Weltmeisters - wenn die Behörden mitmachen.

Von Oliver Meiler

Es darf wieder einmal die These verhandelt werden, ob Kerle mit Hang zur sportlichen Flegelhaftigkeit die besseren Stürmer sind. Die bissigeren, instinktsichereren, schließlich auch torträchtigeren. Dann zumal, wenn sie ihre List mit Talent und Klasse kombinieren. Diego Costa von Atlético Madrid, 25 Jahre alt, so etwas wie die wandelnde Inkarnation des Genres, beliefert die These gerade mit vielen Toren.

Zehn Treffer in acht Spielen in der laufenden Liga - in Spanien hat bisher keiner öfter getroffen, auch Lionel Messi und Cristiano Ronaldo nicht, die die Torschützenliste in der Regel unangefochten dominieren. "Atleti" steht ohne Verlustpunkte an der Tabellenspitze. Dank ihm. Sie nennen Costa jetzt den "totalen Stürmer" und "Spieler der Stunde".

Es sind neue Töne für Diego da Silva Costa, wie er mit vollem Namen heißt, geboren im brasilianischen Lagarto. Nicht dass ihn die früheren Töne gestört hätten. Er lebte ganz gut mit seinem üblen Ruf. Es machte gar den Anschein, als spornte ihn diese Missliebe, die ihm in den meisten Stadien Spaniens entgegenschlug, zusätzlich an. Als nährte sie seinen Trotz.

So mancher gegnerischer Verteidiger fühlte sich von Costas verbalen Provokationen verunglimpft und schwor sich wohl, sich bei nächster Gelegenheit zu revanchieren. Die Schiedsrichter achteten immer ganz besonders auf die kleinen Boshaftigkeiten des Stürmers, jene mit den Ellbogen ganz besonders, die er bei Luftduellen oft generös ausfuhr. Und dann diese Miene: dunkel, fokussiert, eruptiv wie ein Vulkan.

Nun aber mischt sich Respekt in die Sicht auf den Mittelstürmer, und er wächst mit jedem Tor. Die ganze Kraft, sie scheint plötzlich kanalisiert zu sein. Sein Trainer, der frühere argentinische Internationale Diego Simeone, dem er in Sachen Intensität recht ähnlich ist, sagt von seinem besten Mann: "Costa ist professioneller geworden, ich muss jetzt nicht mehr in jedem Spiel fürchten, dass ihn der Schiedsrichter vom Platz stellt." Simeones Verdienst an dieser schier wundersamen Wandlung gilt als beträchtlich. Er machte Costa erst zum Stammspieler, nachdem der über Jahre herumgeschoben worden war - quer durch die spanische Provinz: Celta de Vigo, Albacete, Real Valladolid, Rayo Vallecano.

"Dieses Land hat mir alles gegeben"

Costa war ein klassischer Leihspieler, dem man ihm Heimklub nie so richtig traute. Die disziplinarischen Probleme waren nur ein Grund. Im Madrider Verein, dem er seit 2007 angehört, war man in den letzten Jahren ja auch immer gut bestückt im Sturm: Diego Forlán, Sergio "Kun" Agüero, Radamel Falcao - da blieb nicht viel Raum. Vor zwei Jahren stand Costa kurz davor, Atlético zu verlassen. Sein Berater sprach schon mit dem Klub. Dann kam Simeone, stellte ihn Falcao zur Seite. Und Costa bediente den "Tiger" mit brillanten Vorlagen, verdichtete den Sturm zum mächtigen Block.

Der Kolumbianer war der Superstar, Costa der Zubringer. Als Falcao im Sommer für 60 Millionen Euro nach Monaco verkauft wurde, fürchtete man bei Atlético schon die große Torflaute und kaufte schnell und billig David Villa. Wieder glaubte man nicht wirklich an den "Panther". Nun schreibt Marca: "Costa frisst den Tiger." Seine Trefferquote ist noch besser als jene Falcaos.

Man hört ihm jetzt ganz genau zu, wenn er redet, auch an sehr berufener Stelle. Diego Costa möchte nämlich unbedingt für Spanien spielen: "Dieses Land hat mir alles gegeben", sagt er. Im Sommer ließ er sich einbürgern. Der Coach der "Roja", Vicente del Bosque, soll Costa versprochen haben, ihn in seinen Kader für die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in Brasilien zu berufen, wenn der brasilianische Verband denn nichts dagegen habe. Und der hat offenbar nichts dagegen, obschon Costa im Frühjahr in zwei Freundschaftsspielen für Brasilien mitgemacht hatte, je einige Minuten lang. Für den Wechsel fehlen nur noch einige Papiere.

Umfragen zeigen, dass nicht alle Spanier so begeistert sind über diese Entwicklung wie jene im Süden von Madrid, an den Gestaden des Manzanares. Dort, im Vicente Calderón, dem Stadion von Atlético, stimmen die Fans neuerdings in einen Chor ein, der als Hommage an ihr neues Idol gedacht ist und doch etwas eigenartig klingt: "Schläger und Goleador, sturer und gehässiger Stürmer, Freund von Zoff und Prügel - Diego Costa ist meine Schwäche."

Vier Strophen lang geht das so, sie handeln von metaphorischen Messerstechereien, von richtigen Schlägen und Provokationen. Und von Toren, die Diego Costa zum Nachtisch serviere, als wären es süße Früchte des Zorns.

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