Die Transfertour des Felix Magath:Alleinherrscher im Kaufrausch

Am Dienstagabend holt der VfL Wolfsburg mit dem portugiesen Vieirinha den nächsten Profi. Gut 80 Mann hat Felix Magath in den zurückliegenden viereinhalb Jahren für Schalke und Wolfsburg schon zusammengekauft, in diesem Winter macht er einfach weiter. Will er am Ende seiner Trainerkarriere jeden Fußballer dieses Planeten einmal zum Schwitzen gebracht haben oder folgt alles einem strukturierten Masterplan?

Boris Herrmann

In der zweiten Januarwoche reist Felix Magath mit dem Profikader des VfL Wolfsburg ins Trainingslager. Das Reiseziel steht schon länger fest (Dubai), das Lernziel ebenfalls (besser werden). Offen ist aber noch die Frage, wer oder was der Profikader des VfL Wolfsburg in der zweiten Januarwoche sein wird. Tipp: Jedenfalls nicht das, was er in der ersten Januarwoche war.

VFL Wolfsburg - VFB Stuttgart

Her mit den neuen Spielern: Wolfsburgs Trainer Felix Magath kauft fleißig ein.

(Foto: dapd)

Am Dienstagabend gehörten 35 Profis zur Erstliga-Mannschaft des VfL. Weil Magath aber selbst am besten weiß, wie schnell sich solch eine Zahl ändern kann, wie offen das Transferfenster steht und wie leicht es ist, einem Kaufrausch zu erliegen, hat er für alle Fälle vorgesorgt. "Wir haben das Trainingslager so geplant, dass wir 40 Spieler mitnehmen können", sagte er beim Trainingsauftakt am Montagabend. Mit einem Lächeln, das sowohl vom Allwissenden als auch vom Allmächtigen stammen könnte, merkte er an: "Wir werden dieses Kontingent aber nicht aufbrauchen."

Das muss nicht heißen, dass Magath die Lust am Einkaufen verloren hat. Es deutet vielmehr darauf hin, dass sie sich in den kommenden Tagen und Wochen mit seiner Lust am Verkaufen mischen wird. Der Kader des VfL wird generalüberholt. Wieder einmal.

Sechs bis acht Spieler sollen nach Möglichkeit ihren Spind räumen, um Platz für den nächsten Schub zu machen. Die Herren Helmes, Lakic, Kyrgiakos, Kahlenberg, Cale sowie der ehemalige Meister-Kapitän Josué gelten als Streichkandidaten. Dafür waren in der ersten Trainingseinheit des neuen Jahres dabei: die Mittelfeldspieler Petr Jiracek, 25, aus Tschechien (bislang Viktoria Pilsen), Slobodan Medojevic, 21, aus Serbien (Novi Sad) sowie Ferhan Hasani, 21, aus Mazedonien (Skendija Tetovo). "Die Tinte ist trocken", verkündete Magath nach einem für seine Verhältnisse recht lockeren Aufgalopp.

Der Trainermanager ließ ferner wissen, er werde je nach Marktlage entscheiden, was in diesem Winter noch an Einkäufen hinzukomme. So viel steht aber fest: "Ein bisschen Tinte haben wir noch im Füller." Zum Beispiel für den Portugiesen Vierinha: Am späten Dienstagabend gab der VfL dessen Verpflichtung bekannt, der bald 26-jährige Offensivmann erhält einen Vertrag bis 2015, er kommt vom griechischen Klub PAOK Thessaloniki und wird am Freitag in Wolfsburg eintreffen.

Vom Rande des Wolfsburger Trainingsplatzes bietet sich gerade ein hübscher Überblick über die Marktlage, und es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Blick bald noch besser wird. Auch für Jiraceks ehemaligen Kollegen Vaclav Pilar, 23, soll Magath ein Angebot abgegeben haben. Auf seiner Liste steht außerdem der Serbe Alexandar Lukovic, 29, der noch bei Zenit St. Petersburg spielt. Hinzu könnten der Ivorer Giovianni Sio (22, FC Sion) sowie der hochgehandelte Schweizer Nationalspieler Ricardo Rodriguez (19, FC Zürich) kommen.

Dem Vernehmen nach wird in seinem Fall nur noch darum gestritten, ob die Ablösesumme gegen sieben oder neun Millionen Euro tendiert. Darüber hinaus hielt sich der Ivorer Ibrahim Sissoko, 20, von Portugals Erstligisten Academica Coimbra am Montag in der Wolfsburger Geschäftsstelle auf. Wenn der Markt so wie Magath will, dann dürfte Ende Januar etwa ein Viertel seines Profikaders neu sein.

Wenn Magath die Argumente ausgehen, dann lächelt er

Das Bemerkenswerte dabei ist nicht, dass im großen Stil die Spieler ausgetauscht werden. Das passiert in Wolfsburg seit der Meisterschaft 2009 im Sechs-Monats-Takt. Bemerkenswert ist eher, dass Magath immer noch um den Eindruck bemüht ist, dieses skurrile Personalkarussell folge einem wohlüberlegten Masterplan. "Es war so und nicht anders gedacht, dass wir jetzt vor allem auf Spieler achten, die uns perspektivisch weiterhelfen", sagte er. Damit sind zum Beispiel die Perspektivspieler Medojevic und Hasani gemeint, bei denen man, so Magath, erstmal abwarten müsse, "wie das auf Bundesliganiveau aussieht".

Fragt sich nur, weshalb derselbe Magath im Sommer hauptsächlich Spieler holte, die perspektivisch eher nicht so weiterhelfen - die Abwehrmänner Chris, 32, und Kyrgiakos, 31, den Mittelfeldveteranen Salihamidzic, 34, den längst wieder ausgemusterten Hleb, 30, den dauerverletzten Hitzlsperger, 29. Daran schließt sich auch die Frage an, weshalb mit Tolga Cigerci (19, nach Gladbach) nun der nächste Perspektivspieler aus der eigenen Jugend den Verein verlässt.

Eine Antwort auf diese Fragen könnte lauten: Weil Magath plant, am Ende seiner Trainerkarriere jeden Fußballer dieses Planeten einmal zum Schwitzen gebracht zu haben. Gut 80 Mann hat er in den zurückliegenden viereinhalb Jahren für Schalke und Wolfsburg zusammengekauft. Eine andere Antwortmöglichkeit wäre: Weil er beim VfL machen kann, was er will - und seine Argumente je nach Bedarf an seine Transferlaunen anpasst. Und wenn ihm doch einmal die Argumente ausgehen, dann lächelt er - und trinkt ein Tässchen Tee dazu.

Ein sehr flexibler Etat

Von außen betrachtet hat Magath ein Team gekauft, das nicht funktionierte. Und jetzt kauft er eben das nächste. Er bereinigt mit einer Investitionssumme von geschätzten 20 Millionen Euro einen kapitalen Managementfehler. Aus Magaths Sicht betrachtet (Stand 3. Januar), holte der VfL im Sommer kostengünstige Altstars, um im Winter Geld für teure Perspektivspieler zu haben. Jetzt werde lediglich ausgegeben, was damals eingespart wurde. Noch bewege sich alles im Jahresetat, so Magath am Montag.

Das Beste an dem Argument ist, dass sich dieser Jahresetat stets als flexibel erwiesen hat. Und dass nur einer weiß, wie man ihn bewegt.

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