Die Partie nach dem Jahrhundertfehler:Fritz und sein Bauernopfer

Weltmeister Wladimir Kramnik rettet gegen den Computer mit Weiß ein Remis

Als Wladimir Kramnik in den dunklen Spielsaal der Bonner Bundeskunsthalle trat, leuchtete vorne auf dem Podest schon der Monitor. Wie immer in diesen Tagen lief der Gegner, das Schachprogramm ,,Deep Fritz'', bereits auf Betriebstemperatur, auch vor dieser dritten Partie gegen den Weltmeister. Aus dem Hintergrund erklang leise ,,Feelin' the same way'' von Norah Jones. Kramnik durfte dies durchaus als beruhigendes Motto verstehen, schließlich befand sich der Russe in einer misslichen Lage, nachdem er sich zwei Tage zuvor ohne Not einzügig matt setzen ließ.

Fritz und sein Bauernopfer

Schaffte ein remis: Wladimir Kramnik.

(Foto: Foto: dpa)

Was die Zuschauer dann auf der riesigen Projektionswand sahen, war aus Sicht des Weltmeisters überhaupt nicht beruhigend: ,,Deep Fritz'', obwohl mit Schwarz spielend, setzte Kramnik schon nach wenigen Zügen unter Druck, mit einem verblüffend menschlich anmutenden Bauernopfer. Nach drei Stunden Spielzeit sah sich das Fritz-Team sogar mit einer Bauerneinheit im Vorteil, was angesichts der zehn Züge perfekt im Voraus berechnenden Maschine Böses ahnen ließ. Umso erstaunlicher, wie der präzise und fehlerlos verteidigende Kramnik auf eine rettende Festung hinarbeitete, die ihm das Remis sicherte. Eine Partie auf hohem Niveau - darüber war man sich hinterher einig. Kramnik zeigte sich sichtbar erleichtert.

Es sei psychologisch äußerst unangenehm gewesen, zumal er in der zweiten Partie so schrecklich verloren habe. ,,Man hat Angst, dass man wieder patzt. Ich musste heute doppelt vorsichtig sein.'' Eine schlaflose Nacht habe sein Anfängerfehler aber nicht verursacht gehabt. ,,Ich trank einige Pils und schlief dann ziemlich gut'', sagte Kramnik lächelnd.

,,Deep Fritz'' führt vor der heutigen vierten von insgesamt sechs Partien mit 2:1 Punkten.

Kramnik - Deep Fritz (3. Partie)

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.g3 (Katalanische Eröffnung.) 3...d5 4.Lg2 dxc4 5.Da4+ Sbd7 6.Dxc4 a6 7.Dc2 (In der ersten Partie hatte Kramnik 7.Dd3 gespielt.) 7...c5 8.Sf3 b6 9.Se5 Sd5 10.Sc3 Lb7

11.Sxd5 Lxd5! (Die einzige Vorgängerpartie, die hier noch in Fritz' gespeichertem Eröffnungsbuch stand, ging mit 11...exd5 weiter. Doch ,,Fritz'' widersetzte sich nach eigenem Rechnen der Vorgabe und stufte das Zurückschlagen mit dem Läufer als stärker ein.) 12.Lxd5 exd5 13.0-0 Sxe5 (Spätestens hier hätte er lieber mit Schwarz gespielt, gestand Kramnik später.) 14.dxe5 Dc8!

15.Td1 De6 16.Dd3 (Auf 16.e4 plante ,,Deep Fritz'' 16...d4 17.f4 g5; eine schwer abzuschätzende Lage entstünde z.B. nach 18.f5 Dxe5 19.Lxg5 Tg8! 20.Dd2 Ld6 21.Tf1, mit der Idee Lg5-f4.) 16...Le7! (Fritz opfert einen Bauern! Offenbar hat er berechnet, dass er genügend dynamisches Gegenspiel erhalten wird. Schwächer wäre 16...d4? gewesen, wegen 17.e3 dxe3 18.Lxe3 Le7 19.f4 0-0 20.Dd7.) 17.Dxd5 Td8 18.Db3 (Nicht 18.Dxe6?? Txd1+ 19.Kg2 fxe6.) 18...Txd1+! 19.Dxd1 0-0 (Es scheiterte 19...Dxe5? an 20.Da4+.)

20.Db3 (Falls 20.Lf4, hätte Fritz hemmungslos 20...g5 gespielt, denn nach 21.Ld2 Dxe5 22.Lc3 De4 wäre die Schwächung des Königsflügels unbedeutend, weil Weiß zu wenig Angriffspotential besitzt.) 20...c4 21.Dc3 f6! 22.b3! (Weiß ist spürbar unterentwickelt, doch mit einer Reihe starker Züge hemmt Kramnik nun die schwarze Initiative. Zu gefährlich wäre 22.exf6?! Dxe2 23.Le3 Lxf6 und schon gar nicht 23.fxe7?? Dxf2+ 24.Kh1 Df1 matt.) 22...Tc8 23.Lb2 b5 24.De3! fxe5

25.bxc4 Txc4! (,,Viel stärker als 25...bxc4'', sagte Kramnik hinterher, ,,weil ich nun Probleme mit meinem a-Bauern bekomme.'') 26.Lxe5 h6 (Fritz spielt trotz Minusbauern auf Gewinn, denn der schwarze Turm steht aktiver, und am Damenflügel wird ein gefährlicher Freibauer entstehen. Ein Remis wäre schon mit 26...Lc5 27.Dg5 Lf8 28.De3 Lc5 möglich gewesen.) 27.Td1 Tc2 28.Db3!? (Indem Kramnik den Mehrbauern zurückgibt, erhofft er sich mehr Entlastung als nach 28.a3 Ta2.) 28...Dxb3 29.axb3 Txe2

30.Ld6 Lf6 (Die Turmendspiele wären hier und in der Folge stets remis, weil sich der weiße Turm hinter den Freibauern stellt, z.B. 30...Lxd6 31.Txd6 Tb2 32.Txa6 Txb3 33.Tb6.) 31.Lc5 a5 32.Ld4 Le7 33.Lc3 a4 (Oder 33...b4 34.Ld4.) 34.bxa4 bxa4

35.Td7 Lf8 (Etwas mehr Mühe abverlangt hätte Kramnik die Folge 35...a3 36.Kf1! Te4 37.Ta7 g5.) 36.Td8! Kf7 37.Ta8 a3 (Dies war laut Kramnik wohl der einzige Zug der Partie, den kein Mensch spielen würde. ,,Mit Turm c2 hätte man noch etwas versuchen können, obwohl die Stellung auch dann ziemlich einfach remis sein sollte.'') 38.Txf8+! Kxf8 39.Lb4+ Kf7 40.Lxa3 Ta2 41.Lc5 g6 42.h4 Kf6 43.Le3 h5 44.Kg2 remis.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: