"Die Finals":Der Windstoß des Neuen weht durch Berlin

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Larena Hees bei den Trial-Meisterschaften in Berlin (Foto: dpa)

Das Fernsehen bestimmt den Sport - deswegen verbünden sich bei den "Finals" in Berlin zehn Sportarten im Kampf um mehr Aufmerksamkeit. Dafür nehmen sie manches in Kauf.

Kommentar von Saskia Aleythe

Es ist die perfekte Zeit, um erkannt zu werden. Sarah Köhler und Florian Wellbrock wissen jetzt, wie das ist: Neulich beim Frühstück in Magdeburg wurde das Schwimmerpaar von wildfremden Leuten angesprochen. Sie waren gerade erst aus Südkorea mit vier WM-Medaillen heimgekehrt: Wellbrock als Weltmeister über 1500 Meter und zehn Kilometer im Freiwasser, Köhler mit ihrem Titel in der Freiwasser-Mixed-Staffel und Silber über 1500 Meter. Zeit zum Verschnaufen hatten sie nicht, sie mussten gleich weiterreisen nach Berlin zu den deutschen Meisterschaften, die nun im Rahmen der "Finals" anstehen: eine Woche nach dem Saisonhöhepunkt. "Völlig irrelevant" seien die Ergebnisse, rief Teamchef Bernd Berkhahn vor dem ersten Hüpfer ins Berliner Becken unverblümt aus. Nicht überall, wo Highlights draufstehen, stecken auch Highlights drin. Wichtiger ist: erkannt zu werden.

Angesprochen werden Schwimmer in Deutschland eher selten, das geht auch den meisten Leichtathleten so, den Triathleten, Kanuten und Bahnradfahrern. Fast allen Athleten der zehn Sportarten, die an diesem Wochenende unter dem Namen "Die Finals" in Berlin an verschiedenen Wettkampforten ihre Meisterschaften bestreiten. Mit einem "Hauch von Olympia" werben ARD und ZDF für die eigenen Übertragungen, 20 Stunden Livesport wird es zu sehen geben. Und dieser Hauch ist in mancher Hinsicht schon ein kräftiger Luftstoß vom angeknipsten Hochleistungsventilator: Das Fernsehen bestimmt den Sport, nicht andersrum. Eine Realität, der man sich nun endgültig stellt und die bewirkt, dass Sportverbände sich verbünden im Kampf um mehr Aufmerksamkeit.

Neue Zeiten fordern neue Maßnahmen

Bei Olympia ist das ja längst Prinzip: Zeitpläne sind auf den TV-Zuschauer ausgerichtet und nicht auf die Sportler. Biathleten mussten sich 2018 wie Babuschkas einpacken bei arktischen - weil nächtlichen - Temperaturen auf Südkoreas Loipen, damit der europäische Zuschauer zur besten Sendezeit einschalten konnte. Und ambitionierte Schwimmer können sich jetzt schon auf das Programm in Tokio gefasst machen: Da wird um 10 Uhr Ortszeit am Vormittag um Olympiagold geschwommen. Das ist Primetime für Sportfans in den USA.

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Nur die Leichtathletik wurde in den vergangenen Jahren noch ausgiebig live im Fernsehen übertragen, wenn deutsche Meisterschaften stattfanden, allen anderen Sportarten an diesem Wochenende in Berlin bietet das Konzept der Finals eine gesteigerte Präsenz. "Die Aufmerksamkeit, die uns im Moment zuteilwird, kann nicht besser sein", lobte Jürgen Kyas, Präsident des Deutschen Boxsport-Verbandes. Gelobt wurde zuvor viel. Und auch manches in Kauf genommen. Die Kanuten bereiten sich eigentlich auf die WM Mitte August vor, diese Meisterschaft ist eine kleine Mogelpackung: Den 160-Meter-Parallelsprint auf der Spree an der Oberbaumbrücke gibt es in erster Linie für die schönen Bilder. Die richtige deutsche Meisterschaft bestreiten sie erst im Herbst. Und doch: Neue Zeiten fordern neue Maßnahmen.

Insofern ist einiges verkraftbar: Am Donnerstag ist Sarah Köhler in Berlin über 1500 Meter deutsche Meisterin geworden. Sie war fast 15 Sekunden langsamer als bei ihrem WM-Silber, aber trotzdem konkurrenzlos. Dass die Leichtathleten aufgrund der späten WM im Oktober in Doha noch nicht ihre Bestform auspacken werden, ist auch klar. Und doch ist das alles besser, als unter Ausschluss der Öffentlichkeit Rekorde aufzustellen.

Was man sich langfristig wünscht, machte Thomas Kurschilgen, Leistungssportdirektor im Schwimmen, deutlich und benutzte dabei folgendes Bild: An einer Bushaltestelle gebe es nur zwei Themen, über die problemlos jeder mit jedem reden könne, das Wetter und Fußball. Weil Fußball präsent sei. Damit war klar, was den Athleten diese Bühne bedeutet, auch eine Woche nach der WM. Die Bushaltestellen-Vormacht werden sie nicht mehr gewinnen. Aber jeder Frühstückscafé-Gruß ist ein Fortschritt.

© SZ vom 03.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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