Die Elf des Bundesliga-Spieltages:Fluchen gegen den Herzinfarkt

Rudi Völler poltert bis in die Katakomben gegen den Schiedsrichter, Wolfsburgs Torhüter Marwin Hitz ruft "Vollidiot oder so" und Tim Wiese schließt mit seiner dritten roten Karte zu Oliver Kahn auf. Nur der, der am übelsten beleidigt wurde, tut: nichts.

Die Elf des Spieltags

1 / 11
(Foto: dpa)

Rudi Völler poltert bis in die Katakomben gegen den Schiedsrichter, Wolfsburgs Torhüter Marwin Hitz ruft "Vollidiot oder so" und Tim Wiese schließt zu Oliver Kahn auf. Nur Manuel Neuer tut - nichts. Die Elf des Spieltags. Manuel Neuer Normalerweise kommt ein Akteur nur dann in die Elf des Spieltags, wenn er etwas Tolles geleistet hat, an einer skurrilen Situation beteiligt war oder einen grotesken Fehler gemacht hat. Manuel Neuer ist am Sonntag nach Schalke zurückgekehrt, er wurde ausgepfiffen, beschimpft, beworfen. Und was machte Neuer? Gar nichts! Er jubelte nicht bei Toren des FC Bayern, er ärgerte sich nicht über vergebene Torchancen - er hielt nicht einmal einen Ball, was aber auch daran lag, dass kein Ball auf sein Tor geflogen kam. Neuer hat nichts gemacht an diesem Spieltag - und das war genau richtig. Texte: Sebastian Gierke, Jonas Beckenkamp, Jürgen Schmieder

Die Elf des Bundesliga-Spieltages

Tim Wiese

2 / 11
(Foto: Bongarts/Getty Images)

Da ist schon mal DFB-Torwarttrainer Andreas Köpke im Stadion, dem der Torwart Tim Wiese seit Jahren beweisen möchte, dass er viel weniger falsche Entscheidungen trifft als Manuel Neuer, der ja gerne mal ungestüm aus dem Strafraum eilt und so Gegentore verursacht. Und dann kommt da so ein Ball auf Wiese zugetrudelt, der Torwart eilt aus dem Strafraum und will ihn elegant annehmen. Doch das Spielgerät springt ihm vom Fuß, ungelenk dreht er sich um und muss den Nürnberger Stürmer Christian Eigler umreißen, um einen Gegentreffer zu verhindern. Vielleicht kann sich Wiese damit trösten, dass er nun genauso oft des Feldes verwiesen wurde wie der große Oliver Kahn (drei Mal). Zu Torwart-Rekordhalter Jens Lehmann fehlen ihm allerdings noch zwei Hinausstellungen.

Die Elf des Bundesliga-Spieltages

Artur Sobiech

3 / 11
(Foto: REUTERS)

Kurz, aber ereignisreich - so lässt sich Artur Sobiechs Bundesliga-Debüt bei Hannovers 2:1-Sieg gegen Dortmund zusammenfassen. Tatsächlich dauerte der Einsatz des Polen gerade einmal acht Minuten, aber dafür erlebte der 21-jährige Stürmer alles, was im Fußball dazugehört. Beim Stand von 0:1 als letzte Maßnahme für mehr Offensive ins Spiel gekommen, wohnte er zunächst dem umjubelten Ausgleich bei, um dann einige Momente später Ya Konans Siegtor mitfeiern zu dürfen. Doch diese kuriose Wendung schien dem Nationalspieler nicht auszureichen. Als die Partie in die Nachspielzeit ging, avancierte Sobiech zum Sensenmann und mähte Dortmunds Antonio da Silva von hinten um - für soviel "Tretkunst" gab es vom Schiedsrichter die rote Karte. Und von seinem Trainer Mirko Slomka gewiss noch ein paar erzieherische Hinweise.

Die Elf des Bundesliga-Spieltages

Martin Harnik

4 / 11
(Foto: Bongarts/Getty Images)

Wen Martin Harnik bei seinem Torjubel imitieren wollte, ist nicht ganz klar. Der Stuttgarter Stürmer traf in Freiburg zweimal und präsentierte eine neue Form der Zelebration: die hochgezogene Sporthose. Diese Pose erinnert grundsätzlich an zwei berühmte Vorreiter. Da wäre zum einen der unvergessene Thorsten Legat, der sich auf einem Mannschaftsfoto mit der modisch bedenklichen Hosen-Nummer verewigte - und natürlich werden auch Erinnerungen an Steve Urkel wach, jene TV-Urfigur des modernen Nerds, der seine hoch sitzende Buchse zu allem Überfluss auch noch mit Hosenträgern fixierte. Ob Martin Harnik nun also dem Raubein Legat oder dem Hornbrillen-Helden Urkel huldigte, bleibt sein Geheimnis. Aber er wird seine Gründe gehabt haben.

Die Elf des Bundesliga-Spieltages

Mehmet Ekici

5 / 11
(Foto: Bongarts/Getty Images)

Im Spiel Nürnberg gegen Bremen ereigneten sich an diesem Wochenende gleich mehrere bemerkenswerte Geschichten: Da war die Sache mit Tim Wieses Kamikaze-Ausflug, der mit einer roten Karte endete. Und die mit dem starken Regen, der beinahe zum Spielabbruch geführt hätte. Da wäre es fast untergegangen, dass Werders Torschütze Mehmet Ekici hieß. Der junge Mittelfeldspieler war vor der Saison vom "Club" in die Hansestadt gewechselt. Ekici selbst schien sich der Bedeutung seines Torerfolgs bewusst zu sein und verzichtete aus Anstand auf ausgefallene Kaspereien wie sie Stuttgarts Martin Harnik gegen Freiburg vorführte. Am Ende war dann ohnehin wieder alles gut: Der FCN schaffte noch den Ausgleich, die Sonne kam raus und Ekici hatte ein ordentliches Spiel gezeigt, ohne sich in der alten Heimat unbeliebt zu machen.

Die Elf des Bundesliga-Spieltages

Rudi Völler

6 / 11
(Foto: dpa)

Als das Spiel Leverkusen gegen Köln beendet war, ging Rudi Völler mit dem Schiedsrichter in eine persönliche Verlängerung. Weil er sein Team von Günter Perl benachteiligt sah, lief Bayers Sportdirektor zu großer Rumpelstilzchen-Form auf. Besonders echauffierte sich Völler darüber, dass der Referee einen wuchtigen Tritt von Lukas Podolski gegen Andre Schürrle in der Anfangsphase des Spiels gar nicht geahndet hatte und dann Schürrle kurz vor Schluss wegen einer Grätsche von der Seite mit Rot vom Platz schickte. Bis in die Katakomben verfolgte der ehemalige DFB-Teamchef seinen Widersacher und torpedierte ihn mit Worten aus der weniger guten Kinderstube. "Das musste ich sagen, sonst hätte ich einen Herzinfarkt bekommen," erklärte Völler später - immer noch etwas angerötet im Gesicht.

Die Elf des Bundesliga-Spieltages

Ryan Babel

7 / 11
(Foto: AFP)

Holger Stanislawski hatte es von vorne herein gewusst: Er habe noch nie so einen guten Fußballer wie Ryan Babel trainiert, sagte der neue Hoffenheimer Coach neulich - und das, obwohl der Holländer bisher wahrlich kein großer Gewinner in der Bundesliga war. Gerademal einen Treffer hatte der Nationalspieler in der vergangenen Saison zustande gebracht und schon machten Unkenrufe wie "Fehleinkauf" die Runde. Doch der neue Trainer Stanislawski weckt offenbar die verborgenen Fähigkeiten des Stürmers. Gegen Wolfsburg erzielte er mit einem zielgenauen Wuchtgeschoss aus 27 Metern die Hoffenheimer Führung und wuselte auch sonst herum, als habe er ein Barcelona-Gen in sich. Warum er doch im Kraichgau spielt und nicht in Katalonien, zeigte Babel dann in der 80. Minute: Frei vor dem leeren Tor drosch er den Ball in die Wolken.

Die Elf des Bundesliga-Spieltages

Marwin Hitz

8 / 11
(Foto: AFP)

Marwin Hitz hatte es eilig. Der Torhüter des VfL Wolfsburg lag mit seinem Team in Hoffenheim mit 1:2 zurück - da galt es keine Zeit zu verlieren. Als ein Schuss der TSG im Toraus gelandet war, krallte er sich flink den Ball und führte einen Abstoß aus. Doch zur selben Zeit kullerte ein zweiter Ball von der Eckfahne ins Spielfeld, weshalb Schiedsrichter Marco Fritz den jungen VfL-Keeper noch einmal zurückpfiff und ihm signalisierte: Immer mit der Ruhe. Doch für Ruhe hatte Hitz nicht mehr viel übrig - er wollte unbedingt weiterspielen und ärgerte sich über die Verzögerung des Referees. Er schimpfte und ruderte mit den Armen und plötzlich sah er die rote Karte vor seiner Nase wedeln. Was war passiert? Hitz hatte zuviel geflucht: Das Wort "Vollidiot oder so" hatte der Spielleiter auf sich bezogen und Wolfsburgs Nummer eins dafür bestraft. Dabei beteuerte Hitz später, er habe gar nicht den Schiedsrichter gemeint. Fragt sich nur: wen dann?

Die Elf des Bundesliga-Spieltages

Makoto Hasebe

9 / 11
(Foto: dapd)

Als Hitz den Platz verließ, kam beim VfL Wolfsburg die Frage auf: Wer stellt sich denn nun ins Tor? Auswechseln konnten die Niedersachsen nicht mehr, also streifte sich der kleine Japaner Makoto Hasebe die Handschuhe über und positionierte sich im Kasten. Beim Hoffenheimer Treffer zum 3:1 zeigte sich, dass der Mittelfeldspieler in Torwartfragen nicht allzu geschult - ist: Als Roberto Firmino den Ball an Hasebe vorbeischob, wich der wie ein aufgeschrecktes Reh zur Seite anstatt sich dem Schuss in den Weg zu werfen. Vielleicht begreifen sie in Wolfsburg langsam, dass es Handlungsbedarf auf der Torhüterposition gibt: Diego Benaglio agierte zuletzt unsicher, Marwin Hitz schimpft zuviel und Makoto Hasebe ist eben doch kein vielarmiger Samurai - auch wenn Trainer Felix Magath erklärte: "Ich war für Hasebe. Die Japaner sind sehr diszipliniert und können auf jeder Position spielen."

Die Elf des Bundesliga-Spieltages

Lukas Podolski

10 / 11
(Foto: dapd)

In Köln sagen sie ja, gegen Leverkusen, das sei gar kein Derby. Man nimmt die Leverkusener als Gegner nicht ganz ernst. Zu wenig Tradition hätte die Werkself. Das einzig wahre Rhein-Derby sei immer noch das gegen die Düsseldorfer - und das gebe es im Moment eben nicht. Auch gegen Mönchengladbach gehen die Emotionen noch hoch. Aber nach dem 4:1-Sieg in Leverkusen, dem ersten seit 15 Jahren, feierten die Kölner allerdings, als hätten sie das Derby aller Derbys gewonnen. Held des Spiels war natürlich Lukas Podolski, ihm gelangen zwei Tore und eine Vorlage. Nach der Partie klopfte sich Podolski auf die Brust, schnappte sich eine Kölner Fahne und marschierte geradewegs zu den himmelhochjauchzenden FC-Fans. "Nach 15 Jahren wieder in Leverkusen zu gewinnen, ist sensationell. Damit konnte keiner rechnen", erklärte der Liebling aller Kölner. Und tatsächlich sah er aus, als feierte er einen seiner größten Tage im FC-Trikot.

Die Elf des Bundesliga-Spieltages

Papiss Cissé

11 / 11
(Foto: dapd)

Er hat schon wieder fünf Tore geschossen, auch an diesem Spieltag traf er: Papiss Cissé ist zweiter in der Torjägerliste der Bundesliga. Zuletzt wirkte der Torjäger, der den SC Freiburg verlassen wollte, aber nicht gehen durfte, allerdings enttäuscht und ein bisschen bockig. Doch jetzt hat Cissé Gewissheit: Er bestreitet seine Abschiedstournee. Der 26-Jährige, der den Freiburgern in der vergangenen Saison mit 22 Toren den Klassenerhalt fast im Alleingang gesichert hatte, darf den Verein zum Saisonende verlassen. Zwar hat der Senegalese gerade einen neuen Vertrag unterschrieben, doch gleichzeitig hat er die Zusage erhalten, bei einem "adäquaten Angebot" den Verein verlassen zu dürfen. Und an diesem Angebot muss Cissé jetzt arbeiten. Je mehr Tore für Freiburg, desto besser das Angebot, desto besser die Chancen, endlich raus zu kommen, aus diesem kleinen, unbedeutenden Freiburg. Das klingt komisch, es könnte dem SC aber in dieser Saison noch viel Freude machen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: