Die Clippers in der NBA:Häuptlinge und Helferlein

NBA: Playoffs-Houston Rockets at Los Angeles Clippers

Entscheidender Mann: Clippers-Guard J.J. Redick (r.) traf beim 124:99 gegen Houston fünf seiner sechs Dreierversuche. Er machte insgesamt 31 Punkte.

(Foto: Gary A. Vasquez/USA Today Sports)

Die Rückkehr von Chris Paul gegen Houston zeigt: Die Teams in den Playoffs sind fragile Gebilde.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Nein, es gab keinen Willis-Reed-Moment an diesem Freitagabend im Staples Center von Los Angeles. Trotz Verletzung war Reed im Mai 1970 im entscheidenden Spiel der Finalserie der NBA für die New York Knicks aufgelaufen, er erzielte humpelnd die ersten beiden Körbe und verhalf seiner Auswahl zum ersten Titelgewinn. Der Augenblick, als Willis alleine aus den Katakomben durch die Massen aufs Spielfeld marschierte, gilt bis heute als einer der größten Gänsehaut-Momente in der Geschichte des an Gänsehaut-Momenten wahrlich nicht armen Madison Square Garden.

Chris Paul kam am Freitagabend nicht alleine aufs Spielfeld, er wurde begleitet von seinen Kameraden der Los Angeles Clippers. Es gab kein Raunen, keinen Jubelschrei, Pauls Einsatz nach einer Zerrung im Oberschenkel war schon am Nachmittag bestätigt worden. Paul spielte nicht einmal besonders spektakulär, am Ende standen zwölf Punkte und sieben Zuspiele in seiner Statistik. "Aber natürlich sind wir eine andere Mannschaft, wenn er auf dem Parkett steht", sagte Trainer Doc Rivers nach der Partie.

Paul führte seine Mannschaft umsichtig, und die Los Angeles Clippers gewannen gegen die Houston Rockets 124:99. Die Clippers führen in der Best-of-seven-Serie im Halbfinale der Western Conference nun 2:1. "Ich habe mich gut gefühlt und so viele Minuten gespielt, wie ich konnte", sagte Paul, der die ersten beiden Partien verpasst hatte: "Die anderen Jungs haben heute großartig gespielt." Blake Griffin kam auf 22 Punkte und 14 Rebounds, der ansonsten häufig unauffällig agierende J.J. Reddick steuerte 31 Punkte bei.

"Er macht Dinge, die ich nicht kann"

Natürlich ist Paul der prägende Akteur der Clippers, schon die entscheidende Partie der ersten Playoff-Runde gegen die San Antonio Spurs entschied er mit einer akrobatischen Aktion wenige Sekunden vor dem Ende. Sein verletzungsbedingtes Fehlen wirkt natürlich schwerer, als würde ein Ergänzungsspieler ausfallen. Sein 22 Jahre alter Ersatzmann Austin Rivers sagt: "Er macht Dinge, die ich nicht kann. Es ist seine Mannschaft, die nur er so dirigieren kann." Rivers, übrigens der Sohn des Trainers, schaffte am Freitag als Pauls Ersatzmann immerhin formidable 25 Punkte und wurde am Ende vom ansonsten zurückhaltenden Publikum in LA mit Sprechchören und Ovationen gefeiert.

Die Verletzung von Paul indes zeigt auch, welch fragile Gebilde die Kader vieler NBA-Vereine sind. Diese Struktur ist meist leicht an der Gehaltstabelle abzulesen. Freilich gibt es Ausnahmen wie die Atlanta Hawks, die San Antonio Spurs oder die Milwaukee Bucks, doch die Los Angeles Clippers stehen symbolisch dafür, wie zahlreiche Manager unter Berücksichtigung der Gehaltsobergrenze ihre Kader basteln.

Es gibt die Häuptlinge, die in der NBA gemeinhin mit dem Begriff Superstar umschrieben werden, bei den Clippers sind das Chris Paul (20 Millionen Dollar Jahresgehalt) und Blake Griffin (17,6 Millionen). Daneben spielt ein Hilfssheriff - das ist entweder ein talentierter Akteur auf dem Weg zum Superstar-Status, ein verdienter Veteran oder ein herausragender Spieler, der bereit ist, auf ein bisschen Gehalt zu verzichten. In Los Angeles ist das der 26 Jahre alte Center DeAndre Jordan (11,4 Millionen), der in der Sommerpause zum Free Agent wird und dann durchaus auf einen Vertrag mit üppigem Gehalt spekulieren darf.

Bei guter Führung dürfen die Helfer auch mal punkten

Die anderen beiden Startspieler - bei den Clippers J.J. Reddick (6,8 Millionen Salär) und Matt Barnes (3,4 Millionen) - sollen verteidigen, Blöcke stellen, bei guter Führung dürfen sie auch den Ball in den Korb werfen. Sie sind Helferlein wie auch die Ersatzspieler Spencer Hawes (5,3 Millionen), Austin Rivers (2,4 Millionen), Glen Davis (1,2 Millionen) und Hidayet Turkoglu (1,4 Millionen). Bestenfalls gibt es noch einen herausragenden so genannten sechsten Mann, der hin und wieder eine Partie prägt, so wie Jamal Crawford (5,5 Millionen).

Zahlreiche Kader sind in der NBA auf ähnliche Weise komponiert, das Big-Three-Konzept war in den vergangenen Jahren einfach zu erfolgreich - es kann jedoch zu Problemen führen, wenn sich einer der Häuptlinge verletzt. Die Los Angeles Lakers (Kobe Bryant), die Indiana Pacers (Paul George) und die Oklahoma City Thunder (Kevin Durant) etwa erreichten aufgrund der jeweils langfristigen Verletzung eines prägenden Akteurs nicht einmal die Ausscheidungsrunde.

In der ersten Playoff-Runde verletzte sich Kevin Love von den Cleveland Cavaliers schwer an der Schulter und kann den anderen beiden Häuptlingen LeBron James und Kyrie Irving nicht beim Duell gegen die Chicago Bulls helfen. Die Cavaliers verloren am Freitagabend die Partie in letzter Sekunde und liegen nun im Halbfinale der Eastern Conference 1:2 zurück. Der entscheidende Wurf gelang übrigens Derrick Rose - die Führungskraft der Bulls hatte in 31 Partien der regulären Saison gefehlt und war erst kurz vor Beginn der Playoffs in den Kader zurückgekehrt.

LeBron James hat sich derweil für die Playoffs ein Handy- und Social-Media-Verbot auferlegt, das er bislang nur einmal brach - um seinem Freund Chris Paul zu gratulieren: "Ich habe das Telefon meiner Frau benutzt und ihm gesagt, wie großartig er spielt. Dann habe ich einfach aufgelegt." James wünscht sich eine Finalserie zwischen den Clippers und seinen Cavaliers, mit einem gesunden Kevin Love an seiner Seite wäre das deutlich wahrscheinlicher. Doch auch in Cleveland dürfte es keinen Willis-Reed-Moment geben. Love wird mehrere Monate lang ausfallen.

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