Die Bayern und ihre Torjäger:Ja, und dann kracht's

Bayern München - Real Madrid 1976

Die Doppelpass-Experten Gerd Müller (l) und Franz Beckenbauer bejubeln das 2:0 gegen Real Madrid 1976.

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  • Robert Lewandowski stellt mit seinen fünf Treffern in neun Minuten gegen Wolfsburg mehrere Rekorde auf.
  • Manche vergleichen ihn bereits mit dem früheren Bayern-Stürmer Gerd Müller.
  • Doch nach Müller gab es weitere Angreifer, die für die Bayern viele Tore schossen.

Von Christof Kneer

Dann macht es bumm /

Ja, und dann kracht's /

Und alles schreit: Der Müller macht's /

Dann macht es bumm /

Dann gibt's ein Tor/

Und alles schreit dann: Müller vor!

Von Gerd Müller weiß man eigentlich alles. Man weiß, dass er in 427 Bundesligaspielen unbegreifliche 365 Tore schoss und dass er nur 62 Länderspiele brauchte, um auf 68 Treffer zu kommen. Viele wissen sogar, dass Müller nicht nur Torjäger von Beruf war, sondern auch Erfinder, weil er seine Tore gelegentlich mit Körperteilen erzielte, die bis dahin noch niemand entdeckt hatte. Manche wissen sogar, dass Gerd Müller einmal ein Lied gesungen hat, das auf eine sogenannte Schallplatte gepresst wurde.

Das Lied hieß "Dann macht es bumm" und war im Großen und Ganzen autobiografisch angelegt, und wer es schafft, sich das Lied mehrmals anzuhören, entdeckt an Gerd Müller tatsächlich noch eine bisher unbekannte Qualität. Beim Versuch, die Töne zu treffen, hört sich Müller manchmal so an, als sei er der einzige Mensch auf der Welt, dem es gelingt, alleine zweistimmig zu singen.

Robert Lewandowski hat, so weit man das weiß, noch kein Lied aufgenommen, und man neigt zu der Ansicht, dass das auch ganz okay so ist. Lewandowski wird von zwei Männern beraten, denen man zutrauen würde, dass sie auch einen Liedtext für ihre Zwecke nutzen würden. Er habe "einen Plan für Roberts weiteres Leben im Kopf", hat sich einer der Berater nach Lewandowskis jüngster Fünf-Tore-Aufführung gegen Wolfsburg gerade zitieren lassen und den Plan dergestalt präzisiert, dass "Spanien die beste Umgebung für einen Fußballer" biete. Ob das, mitten in Lewandowskis bisher bester Münchner Phase, die freundliche Ankündigung eines anstehenden Vertragsbruchs ist? Ach nö, meinte der Berater, da sei er falsch verstanden worden. Kann ja mal vorkommen, wenn man zweistimmig spricht.

Schnellster Hattrick der Bundesliga-Geschichte, schnellster Viererpack, schnellster Fünferpack: Beim Spiel gegen Wolfsburg sei Lewandowski "wie früher Gerd Müller immer zur richtigen Zeit am richtigen Platz" gewesen, hat Klubchef Karl-Heinz Rummenigge später gesagt. Er muss es wissen. Rummenigge hat Müller noch auf dem Rasen erlebt, und als der große Bumm-Macher Ende der Siebzigerjahre in die USA wechselte, waren es vor allem Rummenigges Tore, die den Klub heil durch die Nach-Müller-Jahre brachten.

Dennoch bleibt Gerd Müller natürlich unerreicht, heute und bis in alle Ewigkeit. Die Sehnsucht nach einem Nachfolger hat den Verein jahrzehntelang beschäftigt und geprägt, und Rummenigges Müller-Lewandowski-Vergleich bietet nun die einmalige Gelegenheit, einen kleinen Blick ins Bayern-Familienalbum zu werfen.

Der Weg von Gerd Müller bis Robert Lewandowski:

Die Stürmergeschichte der Bayern gliedert sich in mehrere Kapitel.

Kapitel 1: Am Anfang war der Gerd

Der FC Bayern hatte Franz Beckenbauer und den Maiersepp, aber erbaut wurde der Mythos dieses Klubs auf den Toren von Gerd Müller. "Wenn der Franz von hinten kam, wusste ich immer: Jetzt will er Doppelpass", hat Gerd Müller im SZ -Interview mal über das Zusammenspiel mit Beckenbauer erzählt, "wenn er mich schwach angespielt hat, sollte ich zurückspielen. Hat er mich scharf angespielt, musste ich mit dem scharfen Ball was machen." Okay, und was er machte, waren halt Tore, und am Ende hatten die Bayern halt alles gewonnen.

Kapitel 2: Kein Rudi Völler

Karl-Heinz Rummenigge war kein Mittelstürmer wie Müller, er war ein Multifunktionsangreifer, für den man heute 100 Millionen zahlen würde. Dank seiner Tore und der brachialen Kopfballkunst des fünf Meter großen Dieter Hoeneß haben die Bayern den Übergang erfolgreich hinbekommen, aber wer weiß, wie die Geschichte des bayerischen und deutschen Fußballs verlaufen wäre, wenn die Münchner den vielleicht einzig möglichen Gerd-Müller-Nachfolger nicht kampflos aus der Stadt gelassen hätten.

Beim Stadtrivalen TSV 1860, einem Fußballverein, an den sich nur noch die Älteren erinnern, produzierte ein blutjunger Rudi Völler in der zweiten Liga serienweise seine "Törchen", wie er selbst sie später nannte. Aber die Bayern haben das Talent auf der anderen Straßenseite unterschätzt. Völler? A geh', der habe viel zu dünne Haxen, sagten ein Bayern-Verantwortlicher damals. Später wurden diese Haxen den Bayern so gefährlich, dass Klaus Augenthaler krachledern in sie hineintrat.

Kapitel 3: Versuch und Irrtum (I)

Als Rummenigge 1984 zu Inter Mailand wechselte, erlebten die Bayern, wie Rudi Völler in Bremen und später in Rom auf gar nicht mehr so dünnen Beinen viele, viele Törchen schoss. Noch einen Zweitliga-Torjäger wollten sich die Münchner nicht entgehen lassen, deshalb holten sie aus Duisburg den jungen Roland Wohlfahrt, der zwar kein Völler, aber immerhin ein Roland Wohlfahrt wurde. Dieser schüchterne Mensch sollte für eine Weile der letzte verlässliche Bayern-Mittelstürmer bleiben.

Das Jahrzehnt nach Rummenigge war die Versuch-und-Irrtum-Phase in Bayerns Sturmgeschichte. Die besten Stürmer der Welt zog es ins Maradona-Land Italien, also suchte Manager Uli Hoeneß den neuen Gerd Müller in den Nischen. Allerlei interessante Wesen kamen da hervorgekrabbelt, sie hießen Mark Hughes, Emil Kostadinow oder Ruggiero Rizzitelli, und manche von ihnen haben zwar keine Ära, aber wenigstens einen soliden Kult begründet: Mic & Mac etwa, die bürgerlich Radmilo Mihajlovic und Alan McInally hießen, oder der von Beckenbauer Scha-Pa-Pa-Pa genannte Stürmer, den manche fälschlicherweise Jean-Pierre Papin schrieben, und natürlich - unvergessen - der herrliche Kolumbianer Adolfo Valencia, den die SZ damals den "Entlauber" taufte, weil er mit seinen Trainingsschüssen immer so nett die Bäume rasierte.

Die Bayern wären aber nicht die Bayern, wenn sie nicht auch von diesen Jahren profitiert hätten. Torschützenkönig wurden in diesen Jahren zwar andere - aber weil die Bayern in dieser Zeit keine Riesensummen für ihre Stürmer ausgaben, wuchs das Festgeldkonto prächtig.

Für Stürmer begannen unruhige Zeiten

Kapitel 4: Versuch und Irrtum (II)

Nein, Jürgen Klinsmann hat nicht zu Bayern gepasst. Er schoss zwar Tore, aber berühmt machte ihn vor allem der Tritt, den eine unbescholtene Tonne abbekam, weil Giovanni Trapattoni ihn auswechselte.

Kapitel 5: Die Stürmer der anderen

Giovane Elber, Claudio Pizarro und Roy Makaay waren sehr unterschiedliche Stürmer. Die ersten beiden waren/sind charmant, geschmeidig und wirklich gute Fußballer; der dritte war nicht charmant, nicht geschmeidig, und er war gar kein Fußballer, sondern Torjäger. Eines hatten alle drei aber gemein: Sie besaßen die ausgesprochen karrierefördernde Eigenschaft, gegen Bayern gut zu spielen. Elber und Pizarro taten das oft und gründlich mit dem VfB Stuttgart und Werder Bremen; Makaay, damals La Coruña, reichten Hin- und Rückspiel im Europacup. Zur Strafe wurden sie alle umgehend aufgekauft.

Kapitel 6: Geld schießt Tore

Mit Elber und Makaay begann eine neue Ära: Nun gaben die Bayern plötzlich viel Geld aus, um neue Gerd Müllers zu finden. Die neuen Stürmer wurden hymnisch willkommen geheißen in der Gerd-Müller-Stadt, man huldigte ihnen und lag ihnen zu Füßen, bis die Bayern irgendwann einen neuen Stürmer entdeckten, dem sie huldigen und zu Füßen liegen wollten. Darauf wurde dem alten Stürmer mit nicht immer netten Worten bedeutet, er möge bitte die Stadt verlassen.

So wie Elber Makaay weichen musste, so wurde Makaay später eher unfein aus der Stadt begleitet, um Platz für Luca Toni zu schaffen. Toni wurde dann so lange gefeiert, bis er irgendwann nicht mehr gefeiert wurde und Mario Gomez als neuer Held in die Stadt kam, wobei Gomez nach einer Weile von Mehmet Scholl und Uli Hoeneß auf seine Verzichtbarkeit hingewiesen wurde. Für ihn kam Mario Mandzukic, bevor er im Unfrieden wieder ging. Dann übernahm Robert Lewandowski.

Anmerkung der Redaktion: Dass Miroslav Klose und Lukas Podolski auch für Bayern stürmten, gilt als nicht gesichert. Die Fans zumindest haben es vergessen.

Kapitel 7: Zwei gegen Gerd

Erstmals in der Klubgeschichte ist Gerd Müllers ewiger Rekord von 40 Bundesliga-Toren pro Saison ernsthaft gefährdet. Robert Lewandowski könnte die Marke knacken - allerdings nur, wenn man seine Tore mit denen seines Nebenmannes addiert, der ebenfalls Müller (Thomas) heißt.

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