Die Bayern-Besieger:Der Killer und der Roboter

In München könnten für Manchester drei Spieler auf dem Platz stehen, die schon im Finale 1999 dabei waren. Aber wo sind Solskjær und Sheringham?

Rebecca Schäfer

Der "Killer mit dem Babyface" hat wieder zugeschlagen. Genauso unauffällig, genauso eiskalt wie sein Spitzname besagt. Der Ball ist eher zufällig zu ihm gekommen, aber er stand da und hat reflexartig den Fuß hingehalten: Ole Gunnar Solskjær schießt Manchester United 1999 in der dritten Minute der Nachspielzeit des Finals gegen Bayern München zum 2:1-Champions-League-Sieg. Und die Vorlage ist vom "Roboter" gekommen. Von ebendiesem "Roboter", der zwei Minuten zuvor den Ball irgendwie, er selbst sagt, mehr mit dem Socken als mit dem Schuh, zum 1:1 ins Bayern-Tor befördert hatte.

Direkt nach Solskjærs Treffer, einem Golden Goal, das doch keins ist, und das sich für Bayern sowieso vielmehr anfühlt wie der "Sudden Death", der plötzliche Tod im Eishockey, beginnt die Suche nach Superlativen für dieses Spiel. Und für seine beiden Helden, Ole Gunnar Solskjær und Teddy Sheringham, die seit damals einen festen Platz in den Liederbüchern der Manchester-Fans haben.

Rein theoretisch könnte es am Dienstag also "Who put the ball in the Germans' net?" ("Wer hat den Deutschen einen reingemacht?") durch die Münchner Arena schallen. Vielleicht aus purer Schadenfreude - verständlich wär's, Grund dazu haben englische Fußballfans gegen deutsche Mannschaften ja eher selten. Vielleicht aber auch, um den Geist von 1999 zu beschwören. Und ein solcher müsste es schon sein, denn weder der im Lied besungene Ole Gunnar Solskjær noch Teddy Sheringham werden im Champions-League-Viertelfinalhinspiel bei Bayern München für Manchester auf dem Platz stehen. Gary Neville, Ryan Giggs und Paul Scholes sind die letzten im Kader der Engländer verbliebenen Spieler, die die Mutter aller Bayern-Niederlagen auf dem Fußballplatz miterlebt haben. Und wo sind die, die sie besiegelt haben? Wo sind Solskjær und Sheringham?

Nicht als Spieler auf einem Fußballplatz. So viel steht fest. Wobei man sich zumindest bei Sheringham da nie so sicher sein kann. Denn 1999 schon 33-jährig, spielte er weiter. Und weiter. Und weiter. Noch zwei Jahre für Manchester, danach zwei für seine alte Liebe Tottenham, in Portsmouth, für West Ham und zuletzt noch eine Saison in der zweiten englischen Liga bei Colchester United. Bei West Ham ist er Ende 2006 mit 40 Jahren und 270 Tagen der älteste Spieler, der je in der Premier League auf dem Platz gestanden hat. Mit 42 Jahren erklärte Sheringham 2008 seinen Rücktritt. Der "Roboter" lief nicht mehr rund. Den Spitznamen hatten ihm Fans und Kollegen verpasst, weil sein Körper 26 Jahre lang Profifußball und parallel dazu die, beschönigend ausgedrückt, ein oder andere - sprich viele - nächtliche Kneipentouren offenbar mühelos wegsteckte.

Und Ole Gunnar Solskjær? Auch er machte nach 1999 zunächst weiter das, was er am besten konnte: Angst und Solskjær vor dem gegnerischen Tor verbreiten. Am liebsten - wie damals gegen Bayern - wenn er von der Bank kam und wichtige Tore geschossen werden mussten. "Super Sub" ("Sub" ist die Kurzform von "Substitute" - Einwechselspieler) nannten sie den "Killer mit dem Babyface" daher auch, weil er als Einwechselspieler die Rekordzahl von 28 Toren erzielte. Dafür widmeten ihm die Fans ein weiteres Lied: "You are my Solskjær, my only Solskjær". Als er 2007 nach jahrelangen Knieproblemen seine Karriere beendete, hatte der Norweger in elf Jahren für Manchester United 126 Treffer erzielt. Doch in all der Zeit blieb er trotzdem zumeist nur der "Super Sub".

Der Grund dafür war etwas, das ihn mit seinem langjährigen Sturmpartner Teddy Sheringham verbindet. Es war der Kopf, der beide Fußballer auszeichnete. Ein Kopf, der den Fußball denkt. Sheringham war während seiner aktiven Zeit bekannt für seine lahmen Beine. Aber auch für sein schnelles Denkvermögen. Sein Sturmpartner bei Tottenham, Jürgen Klinsmann, soll ihn "den besten Mitspieler, den ich je hatte" genannt haben. Und über Solskjær sagte Manchesters Trainer Sir Alex Ferguson einmal: "Er studiert das Spiel. Wenn er auf der Bank sitzt, sind seine Augen stur auf den Platz gerichtet. Wenn er dann reinkommt, weiß er genau, was er zu tun hat."

So kann man sagen, es war der Kopf, der Solskjær und Sheringham 1999 ihren Platz in der Fußballhistorie und in der United-Folklore beschert hat. Weil beide genau wussten, was sie zu tun und wo sie zu stehen hatten in dieser 91. und 93. Minute.

Und so ist es auch der Kopf, mit dem beide nach ihrer Karriere arbeiten. Solskjær trainiert momentan Manchesters Reserveteam und fungierte in der Saison 2007/08 zeitweilig als rechte Hand von Ferguson bei den Profis - er coachte damals die Stürmer um Wayne Rooney. Wenn das für Dienstag mal kein schlechter 1999-Geist ist. Und Sheringham? Sheringham spielt erfolgreich Poker gegen Profis der Szene. Poker? Okay, ein bisschen was muss der "Roboter" ja auch noch für seinen Ruf tun.

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