Dick Advocaat:Hollands Fußball ereilen die Peinlichkeiten

Dick Advocaat File Photo

Der neue alte niederländische Nationaltrainer Dick Advocaat.

(Foto: Richard Sellers/dpa)
  • Die Niederlande stehen derzeit nur auf Platz vier der Qualifikationsgruppe für die WM 2018 in Russland.
  • Dick Advocaat soll sie als neuer Nationaltrainer noch zur Teilnahme führen.
  • Doch der Verband soll sich bei der Suche nach einem Nationaltrainer Peinlichkeiten geleistet haben.

Von Christopher Gerards

Die Pressekonferenz, die niederländische Medien später "historisch" nennen sollten, lief bereits eine gute Dreiviertelstunde, da sagte Hans van Breukelen einen vielsagenden Satz. Was die Nationalspieler vom neuen Bondscoach Dick Advocaat hielten, hatte ein Reporter ihn gefragt an diesem Dienstagvormittag. Na ja, antwortete van Breukelen, der Technische Direktor des niederländischen Fußballverbandes, mit ein paar Spielern habe er kürzlich gesprochen. Und, was solle man sagen: Diese seien "verrast" gewesen. Überrascht.

Es ist gar nicht so lange her, da galten die Niederlande als eines der innovativsten Länder im europäischen Fußball, sie waren das Land, das Spieler hervorgebracht hatte wie Johan Cruyff, Marco van Basten oder auch Arjen Robben. Die Elftal, das war ein Synonym für Talent-Entwicklung, meist auch für wahnsinnig schönen Fußball. Aber dann verpassten die Niederlande die Teilnahme an der EM 2016, Trainer Guus Hiddink schied wenige Monate später aus dem Amt, auch unter dem im März gefeuerten Danny Blind klappte wenig: Das Team steht derzeit nur auf Platz vier der Qualifikationsgruppe für die WM 2018 in Russland.

Und nun saß van Breukelen, einst Nationaltorhüter, also in dieser Pressekonferenz und verkündete: Der neue Nationaltrainer der Niederlande wird ein Mann, der vor allem für die Vergangenheit steht. Dick Advocaat, 69 Jahre alt und bereits von 1993 bis 1995 sowie von 2002 bis 2004 Nationaltrainer. Und von Juni an also wieder, diesmal halt als ältester Trainer, den die niederländische Nationalelf je hatte. Advocaat ist einer, für den das schöne Wort Schleifer erfunden wurde. Er war einst Klub-Trainer in Eindhoven, Glasgow und Mönchengladbach, unter anderem; derzeit ist er noch im Amt bei Fenerbahce Istanbul, wohin er im vergangenen August gewechselt war und sein altes Amt aufgegeben hatte - das als Co-Trainer der niederländischen Nationalmannschaft. Überraschend? Kann man schon so sehen.

Vertrag geht zunächst bis zum Ende der WM-Qualifikation

"Die Spieler sind, genau wie ich, professionell genug, über diese Dinge hinweg zu sehen", sagte van Breukelen am Dienstag. Der Verband habe zwei Szenarien entworfen, um einen neuen Trainer zu finden: auf der einen Seite einen langfristigen Plan, auf der anderen einen kurzfristigen, der vor allem das Ziel hat, die WM 2018 noch zu erreichen. Autorität, Erfahrung, Inspiration, leidenschaftlich, kommunikativ - diese Worte ließ van Breukelen in den Raum tröpfeln, als er über Advocaat sprach. Der Vertrag mit dem neuen Coach gelte zunächst bis zum Ende der WM-Qualifikation. Assistent wird der frühere Nationalspieler Ruud Gullit, der seit seinem Rauswurf bei Terek Grosny (Tschetschenien) vor sechs Jahren nicht mehr als Trainer gearbeitet hat.

Advocaat selbst fehlte übrigens bei seiner Vorstellung, aber das war okay. Denn eigentlich ging es nicht zuerst um ihn. Vor allem ging es um: Hans van Breukelen und die Peinlichkeiten, die sich der Verband bei der Suche nach einem neuen Nationaltrainer geleistet haben soll.

"Ihr wollt mir Fehler in die Schuhe schieben"

Neben Advocaat hatte Henk ten Cate, 62, als Favorit auf den Posten des Bondscoaches gegolten (allerdings erst nachdem Louis van Gaal, Ronald Koeman, Frank de Boer und Roger Schmidt abgesagt hatten). Der frühere Trainer von Ajax Amsterdam, inzwischen bei Al Jazeera in den Vereinigten Arabischen Emiraten, hatte Ende April selbst verkündet, neuer Nationaltrainer zu werden. Das habe van Breukelen ihm zugesagt. Doch schon einen Tag später teilte er mit, nicht mehr Bondscoach werden zu wollen, da er nicht genügend Vertrauen spüre.

Kurios wird die Geschichte dadurch, dass ein Redakteur des Fachmagazins Voetbal International im Auto mit ten Cate gesessen und bei einem Telefonat mit van Breukelen mitgehört haben soll. Der habe sich demnach in dem Gespräch von einer Zusage distanziert. "Ich habe niemandem gesagt, dass er Trainer wird, denn ich war mit zwei Kandidaten im Gespräch", sagte van Breukelen am Dienstag, und diesen Satz wiederholte er mehrmals. Vielmehr habe er sich gegen ten Cate entschieden, weil er diesen nur zusammen mit dem Co-Trainer Fred Rutten, einst im Amt bei Schalke 04, habe verpflichten wollen - Rutten habe jedoch abgesagt.

Breukelen warf ten Cate außerdem vor, dass er den Journalisten habe mithören lassen und fügte an: "Ich bin froh, dass so jemand nicht Bondscoach wird." Wohingegen ein Reporter einwandte, dass man "so nicht mit Menschen umgeht" und van Breukelen der Lüge bezichtigte. Als ein anderer Reporter fragte, ob er, van Breukelen, sich nun entschuldigen müsse, sagte der: "Für was? Ihr wollt mir Fehler in die Schuhe schieben."

Wer wissen will, wie es um die niederländische Nationalelf steht, der musste sich also nur diese Pressekonferenz angesehen haben. Ob Advocaat die Lage verbessern kann? Der Elftal bleiben fünf Spiele, um drei Punkte auf die zweitplatzierten Schweden aufzuholen und noch die WM-Playoffs zu erreichen.

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