Bundesliga:Eine Frage der Loyalität

DFB Cup Final 2016 - Gala Evening

Karl-Heinz Rummenigge vom FC Bayern München und Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Auf sportliche Fachfragen sind bei der DFL-Versammlung am Montag kaum Antworten zu erwarten. Dringlicher sind Notfallfonds und die Verhinderung von Insolvenzen.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Nähert man sich dem Problem noch einmal von der emotionalen Seite, dann ist es verständlich, dass besonders die Fans des FC Liverpool den Eindruck haben, sie seien im völlig falschen Film gestrandet. Irgendeiner dieser Hollywoodregisseure spiele ihnen einen ziemlich üblen Streich. Mit einer Geschichte mit dem Arbeitstitel: Von der Epidemie zur Pandemie - und wie besonders dieser Fast-schon-Meister von der Merseyside darunter leidet.

Als Hauptdarsteller war der Trainer Jürgen Klopp bislang nur in kurzen Werbespots zu sehen, aber er würde auch in ein solches Opus passen. Monologe und Dialoge schreibt er am besten selbst. Zwei Spiele noch, dann hätten die Reds ihre erste Meisterschaft seit 30 Jahren feiern können, die vielen dort wichtiger ist als der letztjährige Champions-League-Gewinn. Denn die Rivalen der Stadt sind nicht in Madrid oder München zu Hause, sondern immer noch in London und Manchester. Im Fall der Fälle hätten sie Klopp in Liverpool ein Denkmal gebaut, das kaum kleiner wäre als das der Beatles, aber das spielt jetzt alles keine Rolle.

Das hat Klopp, dieser aus dem Schwarzwald stammende Rhetorik-Titan, nicht nur den Liverpudlians, sondern auch der übrigen Ballsportwelt in wenigen Sätzen erklärt, die auf der Homepage des Klubs veröffentlicht wurden: "Ich habe bereits gesagt, dass Fußball immer das wichtigste unter den unwichtigen Dingen ist. Heute sind Fußball und Fußballspiele überhaupt nicht mehr wichtig", heißt es dort seit dem Stopp der Saison. Und weiter: "Natürlich möchten wir nicht vor einem leeren Stadion spielen, und wir möchten nicht, dass Spiele oder Wettbewerbe ausgesetzt werden. Wenn dies jedoch dazu beiträgt, dass eine Person gesund bleibt - nur eine -, werden keine Fragen gestellt."

Auch deshalb gebührt den Reds mal wieder eine Meisterschaft, und sie werden sie bekommen. In welcher Form auch immer. Wird die Tabelle, Stand heute, eingefroren, in der Liverpool 25 Punkte vor Manchester City steht? Kann der Betrieb noch mal aufgenommen werden, bis Liverpool endgültig im Ziel ist? Und bis ein paar Entscheidungen (Champions-League-Startplätze, Abstieg) eindeutiger sind? Denn dass die Premier League ebenso wie die Bundesliga am 4. April, also in zwei Wochen, wieder startet, glaubt ohnehin niemand. Es ist nur ein erster Richtwert. Und dass die Engländer und die Deutschen ihre fehlenden neun Spieltage bewältigt kriegen, glauben nur jene, die in diesem Corona-Klima einen letzten Rest von Zuversicht bewahren konnten.

Aus diesem Grund ist an diesem Montag von der Frankfurter Vollversammlung der 36 deutschen Erst- und Zweitligisten in sportiven Fachfragen keine Antwort zu erwarten: Ist der Tabellenführer FC Bayern jetzt zum achten Mal in Serie Meister? Starten Bayern, Dortmund, Leipzig, Gladbach in der Champions League? Und bleibt Bremen drin, weil keiner absteigt und es in der nachfolgenden Saison mit 20 oder 22 Erstligisten weitergeht?

Alles nachrangig in der "größten Krise des deutschen Profifußballs", von der Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke als Erster sprach. Vergleichbare Krisen-Konkurrenz gab es seit Bundesligastart 1963 nur in drei Fällen. In der Saison 1971, als es Rot-Weiß Oberhausen und Arminia Bielefeld aufgrund manipulierter Punktspiele zunächst gelang, in der ersten Liga zu verbleiben -, dann aber die halbe Liga auf der Anklagebank landete. 2002, als das Firmenkonglomerat des Medienunternehmers Leo Kirch zusammenbrach, an dessen Tropf der Fußball mit seinen Fernsehrechten hing. Und 2005, als der Wettskandal um den Berliner Schiedsrichter Robert Hoyzer die Bundesliga nach 1971 ein zweites Mal die Glaubwürdigkeitskrise stürzte.

Was nun folgt, wird größer sein und sich zur Existenzfrage ausweiten. Nicht für alle, aber für einige, die auf der Basis ihrer historischen Erfahrungen und deshalb zu knapp kalkuliert haben. Es geht am Montag auf der DFL-Versammlung akut darum, Insolvenzen entgegenzuwirken, Arbeitsplätze zu retten, über interne Notfallfonds zu reden. Zumal im Fußballbetrieb trotz des Corona-Crashs vergleichsweise viel Finanzkraft steckt. Wer in dieser Branche auf staatliche Hilfe hofft, tut dies wohl vergeblich, die wird anderswo gebraucht.

Kernfrage in beiden Bundesligen wird es deshalb sein, wie stark der Solidaritätsgedanke antreibt. Jeder ist sich in der Krise meist selbst der Nächste, aber zugleich wird es vorrangig auf Münchens Chef Karl-Heinz Rummenigge und Dortmunds Watzke ankommen, den Betrieb zu stabilisieren. Für beide Großklubs gibt es im internationalen Geschäft auf kurz und lang mehr zu verdienen. Perspektivisch dürfte dies zur Belastung werden, kurzfristig aber ist in dieser Bundesligasaison nur in Fragen der Loyalität ein Titel zu vergeben.

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