Süddeutsche Zeitung

DFB: Zwanzigers Wiederwahl:Schwamm drüber, Theo!

Lesezeit: 1 min

In allen großen DFB-Affären agierte Theo Zwanziger emotional und ungeschickt. Nun startet er dennoch in seine dritte Amtszeit als Präsident - mit einem Hundert-Prozent-Votum.

Klaus Hoeltzenbein

Nein, er ist nicht seinen CDU-Parteifreunden von Horst Köhler über Roland Koch bis Ole van Beust gefolgt und hat die große Bühne amtsmüde verlassen. Nein, Theo Zwanziger, der Mann, der inzwischen einen deutschen Rekord für angedrohte, aber nicht vollzogene Rücktritte hält, hat sich in Essen mit einem klaren zu Null - ohne Gegenstimme - in eine dritte Amtszeit befördern lassen. Was wieder einmal zeigt, welch ursprüngliche Energie den Fußball antreibt: Das nächste Spiel ist immer das wichtigste! Getreu dem Kahnschen Motto: immer weiter, immer weiter, immer weiter.

Wobei bei Theo Zwanziger nun durchaus stillgehalten, zurückgeblendet und an die Anfänge erinnert werden muss. An jene Zeit, als er als Anti-MV die Bühne betrat, als Anti-Mayer-Vorfelder, mit dessen Erscheinen im Sommer 2004 der Wunsch nach mehr Transparenz und einer höherer Sozialkompetenz im Deutschen Fußball-Bund verbunden war. Als Anti-MV hat Zwanziger damals überzeugt, als eine Hälfte jener historischen DFB-Doppelspitze half er mit, den Erfolg der WM 2006 zu gewährleisten. Mit salbungsvollen Worten trat er glaubhaft für einen an Werten orientierten Fußball ein.

Im September 2006 wurde Mayer-Vorfelder abgespalten, seither regiert Zwanziger buchstäblich allein. Denn in einer dramaturgischen Zuspitzung seiner ersten Solo-Amtszeit gelang es ihm, vor der WM 2010 endgültig die Schlagzeilen-Hoheit zu übernehmen. Die gehörte plötzlich nicht mehr der Nationalelf, sondern einem Präsidenten, der sich in allen großen DFB-Affären als erstaunlich emotional und ungeschickt erwies.

Ob bei der Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Löw oder in der akuten Schiedsrichter-Affäre Amerell/Kempter - in ständiger Vermengung von Ehrenamt mit persönlicher Betroffenheit, von Amtsauftrag und Rechthaberei ging fast jede Schlichtung schief. Zu beobachten war die fehlende Fähigkeit, Konflikte zu moderieren. Genau das aber muss vom Chef des weltgrößten Sport-Fachverbandes erwartet werden.

Schwamm drüber, sagt jedenfalls der Essener Kongress. In seine dritte Amtszeit nimmt Theo Zwanziger ein Hundert-Prozent-Votum, aber auch die schwelende Debatte mit dem Löw-Bierhoff-Team der Nationalelf mit, zudem jene juristischen Verfahren um Rufschädigung und Schadensersatz, die in der Amerell-Affäre anhängig sind.

Und in der Otto-Fleck-Schneise Nummer 6 in Frankfurt/Main werden sie sich jetzt wünschen, dass aus Essen jener Sozialpräsident in die Zentrale zurückkehrt, den sie 2004 kennenlernen konnten. Und nicht jener Präsident, dessen One-Man-Show 2010 so schwer aufs Betriebsklima drückte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1015151
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.10.2010
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.