DFB-Verteidiger Antonio Rüdiger:Kleiner Boateng

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Sucht seine Rolle im DFB-Team: Antonio Rüdiger.

(Foto: AFP)

Er ist eine der spannendsten Personalien im DFB-Team - und erinnert an Jérôme Boateng in jungen Jahren: Der Stuttgarter Antonio Rüdiger spielt in den Plänen des Bundestrainers eine wichtige Rolle. Er selbst setzt sich große Ziele.

Von Lisa Sonnabend, Düsseldorf

Als Joachim Löw einmal Antonio Rüdiger beschreiben sollte, wählte er Worte, die vielleicht lustiger klangen, als sie gemeint waren. "Er ist ein kleiner Boateng", sagte der Bundestrainer, "der nur noch ein wenig reifen" müsse. Tatsächlich ist der 1,90 Meter große VfB-Verteidiger zwei Zentimeter kürzer als sein Defensiv-Kollege aus München, auch einen Weltmeister-Titel oder eine Champions-League-Trophäe kann Rüdiger noch nicht vorweisen.

Doch Rüdiger agiert gelegentlich so impulsiv wie Boateng in früheren Tagen. Löws Worte dürften den 21-Jährigen gefreut haben. Denn Jérôme Boateng ist sein Vorbild.

Rüdigers Reifeprozess hat sich in den vergangenen Monaten enorm beschleunigt, das hat auch Löw bemerkt. Der Stuttgarter ist eine der spannendsten Personalien, die der Bundestrainer für die aktuelle Länderspielreise berufen hat. Womöglich werden Boateng und der kleine Boateng am Sonntag beim EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland sogar gemeinsam auf dem Platz stehen.

Am Mittwochabend bestritt Rüdiger seine zweite Partie für die DFB-Elf, beim Testspiel gegen Argentinien kam er in der 77. Spielminute für Benedikt Höwedes. Viel Zeit blieb in der Düsseldorfer Arena nicht mehr, um sich in Szene zu setzen. Doch im Gegensatz zu anderen jungen Defensiv-Spielern wie Erik Durm und Matthias Ginter nutzte Rüdiger den Auftritt gegen Argentinien für PR in eigener Sache.

Rüdiger erledigte seinen Job souverän, ging entschlossen in Zweikämpfe, ließ dem Gegner wenig Raum und tauchte sogar gefährlich vor dem argentinischen Tor auf. Den Zuschauern gefiel die erfrischende Spielweise des Stuttgarters. Als er sich für einen Einwurf an der Seitenlinie positionierte, feierte ihn das Stadion mit Sprechchören. Eine Liebesbekundung, die an diesem Abend zuvor nur der in Nordrhein-Westfalen enorm geschätzte Lukas Podolski erhalten hatte.

Schon bei seinem ersten Länderspiel - im Mai beim 0:0 in Hamburg gegen Polen - hatte der Stuttgarter für Aufsehen gesorgt. Fast wäre ihm mit einem wuchtigen Kopfball der entscheidende Treffer der Partie gelungen. Den Fans imponierte seine Leistung derart, dass sie ihn anschließend bei einer DFB-Abstimmung zum Spieler der Partie wählten - jedoch in Abwesentheit fast aller späteren WM-Fahrer. Zur Weltmeisterschaft nahm Löw Rüdiger dann nicht mit, doch spätestens seit den Rücktritten von Philipp Lahm und Per Mertesacker spielt Rüdiger eine wichtige Rolle in den Plänen des Bundestrainers. In Düsseldorf fand Löw lobende Worte für den 21-Jährigen. "Er ist ein Spieler, den ich mir vorstellen kann."

Schneider hält viel von Rüdiger

Für Rüdiger könnte sich zudem als Vorteil erweisen, dass von Oktober an Thomas Schneider das Amt des DFB-Co-Trainers ausüben wird. Der ehemalige VfB-Coach machte das Abwehrtalent in der vergangenen Saison zum Stammspieler und hält dementsprechend viel von ihm. Rüdiger stammt eigentlich aus Berlin. Borussia Dortmund warb ihn aus der Hertha-Jugendabteilung ab und dürfte sich ärgern, den Nachwuchsspieler 2011 an die U19 des VfB Stuttgart abgegeben zu haben.

49 Mal spielte Rüdiger für den VfB in der Bundesliga und das so erfolgreich, dass in der Sommerpause namhafte Vereine anklopften. Der AS Monaco warb um ihn, der FC Porto und West Ham United ebenso. Sogar Manchester United soll angeblich 20 Millionen geboten haben, der Premier-League-Club entschied sich aber für den WM-Finalisten Marcos Rojo.

Stuttgarts Sportdirektor Fredi Bobic erklärte den Umschwärmten daraufhin hastig als "unverkäuflich" und Rüdiger versicherte artig, noch ein paar Jahre beim VfB zu bleiben. Irgendwann wolle er aber bei einem europäischen Topklub spielen.

Die Anlagen dazu hat er. Privat trägt der Fußballer gelegentlich ein Baseballcap, auf dem "Fuck your girlfriend" steht, und auch bei der Arbeit gelingt es ihm, den Gegenüber einzuschüchtern. Er behält seine Gegner stets im Auge und hat einen impulsiven Antritt. Im Spiel nach vorne zeigt er jedoch noch Schwächen, an seinem Kopfballspiel will er arbeiten. Verbesserungswürdig auch: Gelegentlich leistet er sich auf dem Platz Aussetzer, zwei rote Karten zeigten ihm Bundesligaschiedsrichter in seiner rechht jungen Karriere bereits.

Beim Training mit den Kollegen aus dem DFB-Team steht Rüdiger noch ein wenig abseits. Er trippelt auf und ab, während die anderen miteinander scherzen. Doch Rüdiger ist gerade erst dabei, seine Rolle zu finden. Sein Ziel formulierte er bereits vor wenigen Tagen: Per Mertesacker beerben.

"Diese Lücke würde ich sicher gerne ausfüllen", sagte er. Übrigens: Antonio Rüdiger kann auch Rechtsverteidiger spielen. Auch da muss nach dem Lahm-Rücktritt eine Stelle dringend besetzt werden.

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