DFB trennt sich von Pressesprecher Stenger:Abschiedsspiel in der Heimat

Die Trennung von Pressesprecher Harald Stenger markiert eine innenpolitische Wende: Die Nationalmannschaft soll wieder näher an den DFB heranrücken. Insider mutmaßen, dass Bundestrainer Joachim Löw sich nicht für Stenger starkmacht, um sich nach der Niederlage bei der EM gegen Italien bei Präsident Wolfgang Niersbach erkenntlich zu zeigen.

Philipp Selldorf

Tim Wiese und Lukas Podolski müssen sich einen neuen Partner für die Sauna suchen. Harald Stenger, 61, wird ihnen künftig auf den Reisen mit der Nationalmannschaft nicht mehr Gesellschaft leisten, wenn sie sich abends im Teamhotel ins Spa zurückziehen. Aber nicht nur deswegen werden die Betroffenen und viele andere Nationalspieler die Nachricht, die am Dienstag vom Deutschen Fußball-Bund verbreitet wurde, mit Bedauern aufnehmen.

DFB trennt sich von Nationalmannschafts-Pressesprecher

Keine Saunagänge mit Tim Wiese und Lukas Podolski mehr - Harald Stenger arbeitet nicht mehr für den DFB.

(Foto: ddp)

Stenger hatte die Nationalelf neun Jahre als DFB-Mediendirektor und zuletzt zwei Jahre als Pressesprecher begleitet, er gehörte zum Stammpersonal und für langjährige Mitspieler wie Podolski, Schweinsteiger und Mertesacker quasi zum erweiterten Familienkreis. Am kommenden Mittwoch wird Stenger in seiner Heimatstadt Frankfurt gegen Argentinien seinen letzten Einsatz auf dem Podium haben. Sein Vertrag mit dem DFB endet am 31. August und wird nicht verlängert, obwohl er gern weitergemacht hätte.

Die Mitteilung überbrachte ihm am Montagnachmittag die Führungsriege des Nationalteams. Bundestrainer Joachim Löw, seine Assistenten Hansi Flick und Andreas Köpke sowie Teammanager Oliver Bierhoff hatten Stenger in der DFB-Zentrale zu sich gerufen, wo sie sich zur EM-Nachlese mit Präsident Wolfgang Niersbach getroffen hatten. Bierhoff fiel die Aufgabe zu, die Nachricht zu verkünden.

Er dankte Stenger für die gute Arbeit, für seine Loyalität und Zuverlässigkeit, stellte aber fest, dass die Zeit für einen Wechsel "reif" sei. Worauf diese Ansicht beruht, erläuterte er nicht. Stenger teilte mit: "Über Einzelheiten werde ich mich nicht äußern."

Eine Trennung in Güte und Einvernehmen sieht sicher anders aus. Viele Leute aus der Szene, Nationalspieler inbegriffen, waren verwundert, als sie von Stengers Demission erfuhren. Tatsächlich ist es nicht abwegig, in der Beendigung der Zusammenarbeit einen innenpolitischen Vorgang zu erkennen. Dass die Nationalmannschaft im DFB seit Jürgen Klinsmanns rebellischer Amtsübernahme 2004 eine Art Eigenleben führte, das hat viele Funktionäre geärgert.

Auch Niersbach hatte Grund, sich daran zu stören. Beim Turnier in Polen und der Ukraine wohnte der DFB-Chef in einem Hotel nahe der Teamunterkunft, in dem die Familien und die Freunde der Nationalspieler Quartier nahmen. Der Präsident blieb mehr oder weniger Zaungast bei der Parademannschaft des DFB.

Jens Grittner, 42, der Stengers Amt übernimmt, stammt hingegen aus dem Haus, er gehört der Kommunikationsabteilung des DFB an. So rückt die Nationalelf wieder näher an den Verband heran. Während sich Bierhoff für eine Weiterbeschäftigung Stengers ausgesprochen hatte, verzichtete Löw offenbar darauf, sich für den Erhalt der Stammbesetzung stark zu machen. Insider mutmaßen, dass Löw sich durch dieses Zugeständnis für Niersbachs Unterstützung nach dem heftig beklagten Turnier-Aus gegen Italien erkenntlich zeigte.

"Wir freuen uns auf die frischen Gesichter"

Der DFB gab am Dienstag ein Kommuniqué heraus, in dem er sowohl Stengers Abschied wie auch das altersbedingte Ausscheiden von Manfred Drexler bekannt machte, der seit 1985 den Ausrüster Adidas beim Nationalteam vertrat. Von Verwerfungen war selbstverständlich keine Rede, von einer beiderseits beschlossenen Trennung aber auch nicht. In seinem Statement würdigte Bierhoff "die tollen Persönlichkeiten" der beiden Männer, um sogleich die Nachfolger willkommen zu heißen: "Nun aber freuen wir uns auf die frischen, jungen Gesichter von Jens Grittner und Christian Staatz."

Andererseits war es nicht so, dass es Beschwerden gegeben hätte über Stengers nicht mehr ganz so junges Gesicht. Während dreier Europa- und dreier Weltmeisterschaften hatte er die Pressekonferenzen des Nationalteams geleitet und war durch die TV-Übertragungen auch dem großen Publikum populär geworden. Stengers Professionalität, seine bodenständige Erscheinung und sein hessischer Dialekt waren kennzeichnende Konstanten der Öffentlichkeitsarbeit des DFB-Teams.

Sein spezieller Ehrgeiz bestand darin, Journalisten auf den Presseterminen stets beim Namen aufzurufen. Reporter aus Italien, England, Frankreich, China und Japan erhielten so ihre respektvolle Aufnahme ins Pressecorps und wussten das zu schätzen.

Stenger, einst Sportredakteur der Frankfurter Rundschau, hatte 2001 Niersbachs Nachfolge als Pressechef angetreten. Schon Klinsmann hatte seine Ablösung erwogen, mächtige Fürsprecher aus der Liga halfen ihm, den Arbeitsplatz zu sichern. 2010 fiel er beim Präsidenten Theo Zwanziger in Ungnade, die gelungene WM in Südafrika sorgte dafür, dass er bleiben durfte. Löw war nach diesem Turnier so stark, dass ihm kein Gefallen verweigert wurde. Die Niederlage gegen Italien hat Stenger nun womöglich den Job gekostet.

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