EM-Kolumne „Sommerbärchen“:Aktenzeichen Müller ... ungelöst

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Mann, der in die Ferne blickt: Thomas Müller. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Wenn die deutsche Mannschaft Europameister werden möchte, muss sie lediglich die Warnungen des erfahrenen Haudegens Thomas Müller beherzigen. Blöd nur, dass sein jüngster Ratschlag schwierig zu dechiffrieren ist.

Glosse von Philipp Schneider

Achtung, Achtung! Quizfrage! Was ist die bisher wichtigste Erkenntnis dieser Europameisterschaft? A) Torschüsse aus der Ferne lohnen sich wieder? B) Gelsenkirchen sieht aus wie immer, auch wenn Stühle fliegen? Oder C) Die neue Friedensformel, dass sich ausschließlich Menschen mit Kapitänsbinde beschweren dürfen, funktioniert auch wunderbar am Esstisch zu Hause?

Na?

Alles Quatsch! Richtig ist D) Immer schön auf Thomas Müller hören.

Was hat Müller nach dem 5:1 gegen Schottland gesagt? „Es war wichtig, dass wir alle sechs Tore selbst geschossen haben“? Nein – natürlich nicht! Gewarnt hat er. Vor „Emotionsgedusel“. Denn Emotionsgedusel, das legte Müller schlüssig dar, führt zwar nicht auf direktem Weg in die Hölle. Jedoch nahezu sicher in die Zweitspielniederlage. Und siehe: Keine Chance hatten die Ungarn! Weil sich alle an Müllers Ratschlag hielten.

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Und wie: Bunte und Bild erschienen am Spieltag mit leeren Seiten und nur einem knüppelschweren Sudoku. Didi Hamann schrieb seine Kolumne komplett um. Das ZDF verbrannte die Drehbücher für die nächsten 79 Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen. Sylvester Stallone bekam den Zuschlag als Moderator für die kommende Staffel von „Herzblatt“. Der Papst rief im Petersdom auf zu mehr Sachlichkeit und Aktenordnern. Und eine Spielerfrau stapfte in der Nacht vor dem Spiel unter Tränen vom „Home Ground“ des DFB in Herzogenaurach und rief: „Dann hol’ ich mir mein Emotionsgedusel halt woanders!“ Alle begriffen Müllers kristallklare Warnung: Wer Europameister werden will, muss Opfer bringen.

Und alle harrten ungeduldig seiner nächsten Worte.

Doch, nanu? Müller schlenderte nach dem Sieg gegen Ungarn an allen vorbei, anders als sonst hielt er keine halbstündige Powerpoint-Präsentation. Stattdessen murmelte er, ehe er in der Nacht verschwand, an jeder Ecke nur einen rätselhaften Satz: „Alles in der Spur so weit ...“

Hallo? Was denn für eine Spur?! „Die Spur des Falken“ mit Humphrey Bogart? Sollen alle besser spuren? War das eine Warnung vor Aquaplaning? Konnte der Hinweis Spuren von Nüssen enthalten? War er eine geheime Botschaft an seinen Klubkollegen Harry Kane, der von Tottenham Hotspur gewechselt war? Und überhaupt: Meinte Müller „so weit“ oder „soweit“?

Am Samstag blieben noch 24 Stunden Zeit, um das Müllerrätsel vor dem existenziellen Spiel gegen die Schweiz zu dekodieren, nach SZ-Informationen ist die ganze Mannschaft in Schockstarre verfallen, weil niemand weiß, wie er sich verhalten soll. Aus Verzweiflung ruft der DFB zur Mithilfe auf; Hinweise bitte an: rudi.voeller@dfb.de. Als Dankeschön gibt es eine Kapitänsbinde für zu Hause.

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