Süddeutsche Zeitung

DFB-Test gegen Kamerun:Zeit der unerschütterlichen Optimisten

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"Schon ein sehr, sehr guter Test": Nach dem holprigen Unentschieden gegen Kamerun gelobt Bundestrainer Löw Besserung für die kommenden Wochen. So manches Manko wird sich vermutlich nicht mehr rechtzeitig beheben lassen.

Von Carsten Eberts, Mönchengladbach

Eric-Maxim Choupo-Moting tanzte mit einem Fotografen, Samuel Eto'o machte den Clown. Auf der Tribüne sangen und brüllten die Kameruner Fans. Unten hielt ein Ordner einen Team-Betreuer im gelben Pullover für einen Flitzer, die beiden lieferten sich eine Verfolgungsjagd über den halben Platz. Großes Gelächter, die Party ging weiter.

Und die Deutschen? Liefen müde eine Ehrenrunde. Winkten träge ins Publikum. Die Ersatzspieler machten ein paar Sprints. Die Pfiffe von den Rängen drangen nicht bis nach unten - die Kameruner waren einfach lauter.

Das 2:2 (0:0) im vorletzten WM-Test war ein gutes Ergebnis - für Kameruns Auswahl. Volker Finke, ihr deutscher Trainer, saß strahlend in der Pressekonferenz, berichtete von Fortschritten und ansprechendem Fußball. "Das konnte sich sehen lassen", sagte Finke.

Im Dunstkreis der DFB-Elf sagte dergleichen niemand. Es ist nicht viel übrig geblieben, was zwei Wochen vor dem WM-Start Anlass für echten Optimismus gibt. Die Zweifel an der Halbfinal-Tauglichkeit des Teams sind nicht gerade kleiner geworden. "Ein guter Test, nach dem wir wissen, dass wir dranbleiben müssen", pickte Thomas Müller noch das Positivste heraus.

Das sei "schon ein sehr, sehr guter Test" gewesen, gegen einen physisch robusten Gegner, sagte auch Bundestrainer Joachim Löw. Er hatte gute Dinge gesehen, auch einiges, was es zu besprechen gilt. Und vermutlich das ein oder andere Manko, das sich bis zum WM-Start nicht mehr ganz beheben lässt.

Am Montag hat Joachim Löw seinen endgültigen Kader für Brasilien bekannt geben. Dass Mustafi, Volland und Schmelzer am Ende nicht mitfahren, ist eigentlich nachrangig. Es geht nicht um die Positionen 20 bis 26 im Kader, sondern um die Stellen eins bis 15. Von denen sind auffallend viele Spieler nicht fit - oder schlichtweg nicht in Form.

Kapitän Philipp Lahm und Torwart Manuel Neuer verpassten das Testspiel am Sonntag, sie trainierten nach ihren Verletzungen in München. Bastian Schweinsteiger und Marcel Schmelzer zogen ebenfalls das Trainingsgelände dem abendlichen Testspieltreiben in der Gladbacher Arena vor. Sie alle werden mit höchstens einem Testspieleinsatz in die WM gehen, am Freitag gegen Armenien.

Auch Miroslav Klose signalisierte dem Bundestrainer am Sonntagmorgen, dass ein Einsatz gegen Kamerun zu früh käme. Klose sei nach dem Südtiroler Trainingslager "körperlich in ein Loch gefallen", erklärte Löw. Das Risiko, ihn einzusetzen, sei "zu groß" gewesen. Das klingt bedenklich, nur zwei Wochen vor dem WM-Start. Klose ist 36 - und der einzige echte Stürmer im Kader.

Andere Spieler führten ihre aktuellen Mängel auf dem Platz vor. Sami Khedira etwa, dem von einem Kreuzbandriss genesenen Mittelfeldmann, fehlte nach seiner monatelangen Pause das Timing. Er kam häufig zu spät, beging auffallend viele vermeidbare Fouls, war nach einer Stunde auffallend platt. Mesut Özil, der eigentlich als Spielmacher vorgesehen ist, tauchte nach seiner Großchance in der ersten Minute völlig ab, zeigte einen seiner lustlosesten Auftritte als Nationalspieler - was bei Özil schon etwas heißen mag.

Löw wollte all dem keine allzu große Bedeutung zumessen. Dass ein Spieler wie Khedira noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte sei, sei "völlig normal". Und Özil? Der habe nicht seinen besten Tag gehabt, gab Löw zu. Bis zur WM werde sich das schon wieder ändern. "In zwei Wochen", so Löw, "werden wir in viel besserer Verfassung sein."

Es lag an den Einwechselspielern, dass der Test gegen Kamerun nicht richtig schief ging. Erst glich Müller den Führungstreffer von Samuel Eto'o (62.) aus, nach Flanke von Jérôme Boateng (66.). Der zweite deutsche Treffer war eine Koproduktion der eingewechselten Lukas Podolski und André Schürrle, letzterer traf (71.). Schließlich nutzte Choupo-Moting eine der Unzulänglichkeiten in der deutschen Abwehr zum Endstand (78.).

Für Verbesserungsmaßnahmen, etwa an der Chancenverwertung, wie Löw gesondert heraushob, bleibt wenig Zeit. Nach der Nominierung am Montag erhalten die Nationalspieler zwei Tage frei. Am Donnerstag trifft sich das Team in Mainz, am Freitag findet das Testspiel gegen Armenien statt, am Samstag fliegt die Mannschaft nach Brasilien.

Diese Phase direkt vor der WM ist eine für unerschütterliche Optimisten. Also für Thomas Müller. Ob es nicht bedenklich sei, dass so viele Stammspieler kurz vor dem Turnier nicht fit sind, wurde der Münchner gefragt. "Nö", antwortete Müller, "das ist doch positiv. Dann haben wir noch ein paar Eisen im Feuer."

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