DFB-Team vor der WM:Dringlichkeitsantrag für die Defensive

Germany v Paraguay - International Friendly

Nicht zufrieden: Der Bundestrainer Löw (links) mit Lukas Podolski 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Es kann für die deutsche Nationalmannschaft kein Rezept sein, mit herausragender Offensive die Gegner auseinander dividieren zu wollen. Die Suche nach der defensiven Balance muss nun die Monate bis zur WM bestimmen - auch wenn dies dem Naturell des Bundestrainers widerspricht.

Ein Kommentar von Carsten Eberts

Eigentlich wollte Bundestrainer Joachim Löw gegen Brasilien antreten. Ein Testkick gegen den Gastgeber der Weltmeisterschaft wäre ein festlicher Start in die WM-Saison gewesen, doch die Partie kam nicht zustande, so testete die deutsche Elf am Mittwochabend gegen Paraguay. Am Ende wird Löw froh gewesen sein, dass der Gegner "nur" Paraguay hieß. Ein größerer Gegner hätte die aktuelle Instabilität seiner Elf wohl noch eklatanter offen gelegt. Vorfahrt für die Defensive - so dürfte das simple Motto für die kommenden Monate heißen.

Das 3:3 gegen Paraguay war nur ein Test, jedoch eine von zahlreichen Partien in Serie, in der die deutsche Defensive ein fahriges Bild abgab. Löws Elf konnte nicht immer in Bestbesetzung antreten, kassiert dennoch binnen eines Jahres gegen Schweden, Ecuador, die USA und eben Paraguay insgesamt 14 Gegentreffer (um nur die prägendsten Ereignisse zu nennen).

Freilich schoss das deutsche Team in jenen Partien ebenso viele Tore, das entspricht in etwa dem Naturell des Bundestrainers. Er ist Fan einer spektakulären Spielweise ("ich liebe es, offensiv zu spielen"), würde ein kurzweiliges 4:2 einem solide erwirtschafteten 1:0 jederzeit vorziehen. Das verspricht Spektakel, so hat er Deutschland bei der WM 2010 zur allseits beneideten Überraschungsmannschaft geformt.

Was die Abwehrschwächen angeht, hat sich Löw stets in Erklärungen versucht. Zurecht verwies er auch diesmal darauf, dass seine Hintermannschaft kaum eingespielt sein konnte. Mats Hummels hat mit Borussia Dortmund ein einziges Bundesligaspiel hinter sich, Per Mertesacker startet in England erst am Wochenende in den Ligabetrieb, ebenso Sami Khedira in Spanien. Gemeinsame Trainingszeit beim DFB gab es kaum. Alles wird besser, glaubt Löw, schon Anfang September gegen Österreich werde die Abwehr ein ganz anderes Bild abgeben.

Mittlerweile sind die Verfehlungen in der Defensive jedoch zu eklatant, als dass Löw mit guten Wünschen für die Zukunft darüber hinwegsehen könnte. Fortschritte hat das Team defensiv lange keine mehr gemacht; wer es freundlich formuliert, attestiert Löws Mannen, dass das Team in diesem Mannschaftsbereich auf der Stelle tritt.

Sie müssen bis zur WM zueinander finden

Ohne zu zögern konnte Löw am Mittwochabend zahlreiche Verfehlungen aufzählen. Von Anfängerfehlern, Pässen in den Rücken bis zu mangelhaftem Pressing. Von den Löchern zwischen Innenverteidigung und Sechsern sprach Löw nur kurz, auch sie hätten Stoff für ein ganzes Referat gegeben.

Die defensive Balance ist seiner Mannschaft im Verlauf der letzten zwölf Monate abhanden gekommen. Das mögliche Personal für die Innenverteidigung ist überschaubar: Hummels, Mertesacker, Boateng und mit Abstrichen Höwedes bleiben vorerst die einzigen Kandidaten. Sie müssen bis zur WM zueinander finden.

Seine herausragende offensive Balance wird das deutsche Team indes so schnell kaum verlieren, die Angriffsabteilung kann jederzeit jede x-beliebige Abwehrreihe der Welt auseinander dividieren. Nur konnte die Offensive die vielen Abwehrfehler gegen Paraguay nicht wett machen. So kann es immer wieder passieren, auch bei der WM. Die Abstimmung in der Abwehr muss in den kommenden Monaten eine erhöhte Dringlichkeit erfahren, soll es mit einer erfolgreichen Weltmeisterschaft etwas werden.

Der WM-Titel ging zuletzt immer an Mannschaften mit starken Defensivreihen. 1998 an die Franzosen um Laurent Blanc, 2002 an Brasilien um Lúcio und Cafu. 2006 an Italien, als das deutsche Team im Halbfinale keine Mittel fand. 2010 an Spanien, das ab dem Achtelfinale keinen Gegentreffer mehr zuließ. Es wäre verwunderlich, würde die WM 2014 diesbezüglich eine Ausnahme machen.

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