DFB-Team in der Einzelkritik:Süle spielt Rettungsboje

Der Münchner verteidigt lange souverän, am Ende geht aber auch er ein bisschen unter. Leroy Sané sucht die Körperspannung. Sami Khedira zeigt, warum er wichtig ist. Das DFB-Team gegen Österreich in der Einzelkritik.

Von Martin Schneider, Klagenfurt

1 / 12

Manuel Neuer

sterreich - Deutschland

Quelle: dpa

Als Manuel Neuer zum ersten Mal das Feld betrat, hagelte es auf ihn hernieder. Eiskörner prasselten aus den dunklen Wolken über Klagenfurt auf den Versehrten, und er verzog keine Miene. Torwarttrainer Andreas Köpke schoss ihn warm. Dann entschied jemand: Es regnet zu viel. Wieder rein. Dann kam er wieder raus. Dann ging er wieder rein. Dann kam er wieder raus. 100 Minuten und zwei Warmmachprogramme hat es gedauert, bis Neuer dann einen Ball halten durfte, der nicht von Bundestorwarttrainer Köpke geschossen wurde. Darum erst einmal die trockene Nachricht: Der Fuß hat gehalten. Die ersten Pässe spielte er damit sauber zu Antonio Rüdiger und Niklas Süle, die ersten Schüsse mit den Händen hielt er nach 14 und nach 15 Minuten, beide kamen von Alessandro Schöpf und waren so mittelhart. Eine scharfe Rückgabe von Süle passte er präzise und unter Bedrängnis zu Rüdiger. Überspielte einmal den österreichischen Abwehrblock mit einem langen Ball auf Mesut Özil. Entließ sich dann in der 32. Minute endgültig selbst aus dem Krankenstand, als ihn Florian Grillitsch mit einem Schuss ins kurze Eck überlisten wollte und Neuer ihn mit der rechten Hand nach einem Reflex rausfischte. Beim Volleyschuss-Gegentor von Martin Hinteregger machtlos - die Distanz war zu kurz. Nur Sekunden nach dem 1:1 drehte er die Schulter geschickt in einen Arnautovic-Schuss. Beim 2:1 ebenso machtlos. Schickte trotz zweier Gegentore die Botschaft an die Republik: Bin gesund, kann spielen.

2 / 12

Joshua Kimmich

International Friendly - Austria vs Germany

Quelle: REUTERS

Spielt natürlich nicht um einen Kader-Platz in Russland, seine Nominierung ist so sicher wie Wasser bei Regen. Spielte einfach, weil er immer spielt. Brachte nach wenigen Minuten den Kollegen Rüdiger ins Schwimmen, weil er einen Risiko-Querpass in der eigenen Hälfte spielte. Spielte Sekunden vor der Halbzeit den gleichen schwer nachvollziehbaren Risikopass auf Rüdiger und ermöglichte so eine Chance für Österreich. Hatte es sonst oft mit dem Kollegen David Alaba zu tun, der spielte Linksverteidiger, und Kimmich merkte, dass es gar nicht so einfach ist, gegen diesen Alaba zu verteidigen. Kam ein bisschen zu oft zu spät und kann sich damit rausreden, dass er so schnell nicht wieder in einem Pflichtspiel gegen Alaba antreten muss und dass er sich ein schwaches Spiel lieber gegen Österreich als gegen Mexiko leisten sollte.

3 / 12

Niklas Süle

Österreich - Deutschland

Quelle: dpa

Zunächst eher so der Typ Rettungsboje auf einem halb-überfluteten Platz. Warf sich nach knapp 20 Minuten in eine scharfe Hereingabe von Alaba, stand vor der Halbzeit Sebastian Prödl bei dessen Schussversuch im Weg. Schaltete sich später oft in die Angriffe mit ein, wirkte in ausgewählten Szenen wirklich erschreckend elegant am Ball, wie ein Tänzer im Körper eines Kühlschranks. Kam dann beim zweiten Gegentor zu spät, und ging ein bisschen im rot-weißen Sturm unter. Wurde aber auch von seinen Vorderleuten zuweilen sehr alleine gelassen.

4 / 12

Antonio Rüdiger

International Friendly - Austria vs Germany

Quelle: REUTERS

Hatte oft Marko Arnautovic als Gegenspieler und das Pech, dass dieser Arnautovic richtig Bock auf diesen Testkick hatte. Nicht immer standfest gegen diese Alpenwuchtbrumme, auch mal mit einem Foul in Strafraumnähe, was Joachim Löw mit einem genervten Abwenden nonverbal kommentierte. In seinen Bewegungen wie immer sehr dynamisch und immer dann gut, wenn er sprinten kann. Immer dann nicht so gut, wenn es um Stellungsspiel geht. Hatte aber vor allem in der zweiten Halbzeit das gleiche Problem wie Kollege Süle: Musste das ausbaden, was die Kollegen vorne versäumten.

5 / 12

Jonas Hector

-

Quelle: AFP

Genauso konkurrenzlos auf seiner Position wie Joshua Kimmich. Wird sich aber nach dieser Saison in Köln bei der Nationalmannschaft vorkommen wie jemand, der vom Klapprad aufs Rennrad wechselt. Spielte in diesem Testspiel dann aber auch so, wie man in einem Testspiel spielt und litt wie alle anderen Deutschen darunter, dass diese Österreicher das hier wirklich ernst nahmen. Beim 1:1 zu weit entfernt vom Gegner, kam beim 1:2 als einer von drei Deutschen zu spät. Nach hinten zwei Mal auffällig, nach vorne ohne auffällige Aktion.

6 / 12

Sami Khedira

Austria v Germany - International Friendly

Quelle: Bongarts/Getty Images

Wurde von Joachim Löw als möglicher Ersatz-Kapitän genannt, falls Manuel Neuer ausfallen sollte. Das Szenario wird nun nicht eintreten, auch wenn es Khedira wahrscheinlich schon gefallen hat, dass der Bundestrainer ihn namentlich (mit Thomas Müller) genannt hat. Autorität ist ja ein Bestandteil seines Spiels, aber in einem Testspiel braucht man nicht unbedingt einen Leader. Lieferte eine gute Grätschte, ein paar Läufe mit breiten Schultern und sortierte das Spiel souverän. Aber was am meisten für ihn sprach: Nachdem er zur Halbzeit ging, wurde Österreich spürbar stärker.

7 / 12

Ilkay Gündogan

-

Quelle: AP

Erster Auftritt vor Publikum, seitdem er dem türkischen Präsidenten Erdogan ein Trikot mit Widmung überreichte und sich dabei fotografieren ließ. Sang die Nationalhymne mit, wurde aber von ein paar wenigen Menschen in den ersten Minuten bei Ballkontakten ausgepfiffen. Nicht dramatisch - aber hörbar. Bekam dann bei seiner Auswechslung nochmal ein paar Pfiffe mit. Wirkte bemüht, beschwerte sich bei diesem Testspiel auch mal sehr emotional beim Schiedsrichter. Hatte nicht das Glück wie Mesut Özil, dass ihm ein Ball in den Fuß vom gegnerischen Torwart gespielt wurde. Engagiertes Spiel, kein brillantes.

8 / 12

Julian Brandt

-

Quelle: Joe Klamar/AFP

Gilt ja als einer der wahrscheinlichsten Streichkandidaten, was ein bisschen an ihm liegt, aber auch an der brutalen Konkurrenz in der Mannschaft auf den kreativen Außenbahnposten. Hätte gegen Österreich schon eine Boah-was-war-das-denn-Leistung gebraucht, um den Eindruck zu ändern. Spielte dann nicht schlecht, spielte auch uneigennütziger als der Kollege Sané - aber dann doch nicht gut genug, als dass sich sein Status als wahrscheinlicher Streichkandidat ändern dürfte.

9 / 12

Mesut Özil

-

Quelle: AFP

Hatte Erdogan auch ein Trikot überreicht, sang die Hymne (wie immer) nicht mit, wurde aber auch nicht so deutlich hörbar ausgepfiffen wie Ilkay Gündogan. Was aber schlicht daran gelegen haben könnte, dass er in den ersten zehn Minuten weniger oft am Ball war. Aber dann legte ihm Österreichs Torwart Jörg Siebenhandl einen als Befreiungsschlag gedacht Ball so akkurat in den Fuß, dass er formschön ins Eck zum 1:0 einschießen durfte. Jubelte kaum nach dem Treffer, aber als die Kameras auf ihn zoomten, lächelte er dann doch erleichtert. Wie immer auf der Zehner-Position mit einem erstaunlichen Timing für Pässe und Bewegungen. Bekam wie Gündogan bei seiner Auswechslung Pfiffe ab, aber wenn sich nicht noch Himmel und Erde drehen, wird Löw auch in Russland auf seine Nummer zehn setzen.

10 / 12

Leroy Sané

International Friendly - Austria vs Germany

Quelle: REUTERS

Hat sein Ticket nach Russland nach menschlichem Ermessen sicher, weil er eine überragende Saison bei Manchester City gespielt hat. Hat einen Stammplatz in dieser luxuriös besetzten deutschen Offensive jedoch keinesfalls sicher. Gegen Österreich trat Sané dann aber so auf, als wäre ihm das nicht so klar. Trennte sich nicht vom Ball, wenn es nötig gewesen wäre, lief sich fest, wo es unnötig war, setzte einen Freistoß klar übers Tor und spielte vor allem in der ersten Halbzeit so wie andere im Freibad. In der zweiten Halbzeit dann bis zu seiner Auswechslung mit mehr Körperspannung auf dem Feld. Hat unfassbares Potential, muss es aber auch abrufen. Sonst spielen Müller, Draxler oder Reus.

11 / 12

Nils Petersen

Österreich - Deutschland

Quelle: dpa

War an diesem Abend der einsame Mensch am Wörthersee. Muss ja irgendwie auf sich aufmerksam machen, will nach seiner überraschenden Nominierung kein Streich-Kandidat sein - aber es kamen einfach kaum Bälle zu ihm. In der ersten Halbzeit legte er Julian Brandt elegant einen Schuss auf, aber sonst drang gegen diese alpenmassive Abwehr Prödl-Dragovic-Hinteregger wenig zu ihm durch. Ging nach 75 Minuten konsterniert vom Platz, und muss nun hoffen, dass Löw dieses Spiel nicht zur Entscheidungsgrundlage für seinen Stürmer-Plan macht.

12 / 12

Einwechselspieler

International Friendly - Austria vs Germany

Quelle: REUTERS

Es wurden in dieses Spiel eingewechselt: Sebastian Rudy, Leon Goretzka, Timo Werner, Marco Reus, Julian Draxler und Mario Gomez. Am auffälligsten: Leon Goretzka, der sich sichtbar beweisen wollte und über den Platz walzte wie eine Pistenraupe durch den Schnee. War beim zweiten Gegentor aber neben Hector und Süle der dritte Deutsche, der zu spät kam. Marco Reus lief zum ersten Mal seit 2016 wieder für die Nationalmannschaft auf, und Mario Gomez hatte noch eine Chance zum 2:2. Sonst dürften alle froh gewesen sein, dass das hier ein Testspiel war.

© SZ.de/chge
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: