DFB-Team in der Einzelkritik:Formdelle? Und was für eine!

Thomas Müller spielt wie jemand, der zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Manuel Neuer hält wie ein ganz normaler Torwart. Und Leroy Sanés Tempo hätte schon früher geholfen. Das DFB-Team in der Einzelkritik.

Von Jonas Beckenkamp, Amsterdam

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Quelle: Peter Dejong/AP

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Manuel Neuer

Hinterstes Rädchen der sogenannten Bayern-Achse, die ja mit ein paar Dellen angereist war. Als Kapitän ein treuer Löw-Vasalle, das lässt sich von seinen Vorgängern (Ballack, Lahm) nicht behaupten. Nach einigen Fehlerchen in München erneut mit einem Unglücksmoment: Ermöglichte die niederländische Führung mit einem Irrweg durch seinen Fünfmeterraum, was tatsächlich den Schluss nahelegt, dass er derzeit wie ein ganz gewöhnlicher Torwart wirkt. Klärte noch einen Fernschuss, den aber jeder gewöhnliche Keeper auch gehalten hätte. Bringt eine weitere heftige Delle zurück mit nach München.

Netherlands v Germany - UEFA Nations League A

Quelle: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

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Matthias Ginter

Seit es im DFB-Team die Rechtsverteidiger Lahm und Kimmich nicht gibt, taucht er immer öfter auf dieser Position auf. Löw hält viel von ihm, zumal er aktuell ohne Einkerbung zu haben ist. Herr vieler Kopfbälle, aber nicht immer Herr aller Bodenduelle. Beim 0:1 dann nur noch Herr des leeren Raumes und zu weit weg von den Herren Babel und van Dijk. Wird in diesem Leben kein rasender Außenverteidiger mehr, dafür fehlen ihm Tempo und Technik. Ohne Glanz, aber wer erwartet das schon von ihm?

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Quelle: Peter Dejong/AP

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Mats Hummels

Noch einer aus der angeknacksten Bayern-Fraktion, aber natürlich Ochse genug, um wieder einmal als Teil einer Ochsenabwehr zu fungieren. Aber wie das eben so ist: Wenn's nicht läuft, dann reihen sich selbst bei ihm die Dellen aneinander. Beim 0:1 als Tiefflieger unterwegs, dabei hätte Depays Hereingabe dringend Klärung bedurft. Im Spielaufbau hinten raus noch der produktivste, aber weit entfernt von der Erhabenheit, die sein Spiel sonst auszeichnet.

UEFA Nations League - League A - Group 1 - Netherlands v Germany

Quelle: Piroschka Van de Wouw/Reuters

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Jérôme Boateng

Es gab Zeiten, da konnte er mit seinen raumgreifenden Schritten das Ijsselmeer abdecken. Aktuell reicht es höchstens für die Prinsengracht. Nicht immer mit der nötigen Dynamik gegen Hollands Angriffsgeschwader und somit Teil des allgemeinen Durcheinanders in der Defensive. Wirkte selbst gegen den bald 32-jährigen Ryan Babel auffällig träge, den er in seiner 2014er-WM-Form mit einem Spagat abgegrätscht hätte. Schleppte sich sichtlich ausgepumpt übers Feld und gewann kaum ein Duell. Damit das Sinnbild der knarzenden Bayern-Achse.

Niederlande - Deutschland

Quelle: Ina Fassbender/dpa

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Jonas Hector

Ochsenabwehr? Nun ja, er war die Ausnahme, aber man kann sich bekanntlich keinen Linksverteidiger schnitzen, und von denen, die es gibt, ist er immer noch Löws liebster. Die Linkslastigkeit des deutschen Spiels bescherte ihm haufenweise Ballkontakte, aber ein entscheidender war nicht dabei. Beteiligte sich beim 0:1 am munteren Vorbeispringen, spielte viele Bälle nur nach hinten und schlug nur eine einzige Flanke. Äußerst mäßig wie der Rest der Wackel-Abwehr, aber immerhin bester Zweitligaspieler des Abends.

UEFA Nations League - League A - Group 1 - Netherlands v Germany

Quelle: Piroschka Van de Wouw/Reuters

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Joshua Kimmich

Bei Löw als Sechser gesetzt und damit artgerechter eingebunden als daheim im bayerischen Beulenland, wo er immer noch rechts aushelfen muss (koa Rechtsverteidiger!). Hing weit zurück und musste viele Löcher stopfen, was ihm nicht immer gelang. Insgesamt auch bei ihm: keine Spur von Dampf, Elan oder Wucht. Agierte eher wie ein schwerfälliger Dampfer auf der Maas, dabei hätte die Mannschaft seinen Antrieb so dringend gebraucht.

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Quelle: Emmanuel Dunand/AFP

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Emre Can

War auch mal beim FC Bayern, was aber so lange her ist, dass er unverbeult ins Rennen ging. Vom Stadionsprecher "Emre Kahn" genannt, von Löw aus dem Hut gezaubert wie Kai aus der Kiste, man hatte ihn fast schon vergessen. Trägt das Label "Premier-League-gestählt", was in diesen Zeiten einiges wert ist (auch wenn er inzwischen bei Juventus Turin spielt). Bewies seine Robustheit mit einigen Siebenmeilen-Läufen und versuchte, dem Spiel etwas britische Beschleunigung zu verleihen. Noch einer der besseren an diesem verzwickten Abend - und trotzdem ausgewechselt.

Niederlande - Deutschland

Quelle: Ina Fassbender/dpa

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Toni Kroos

Noch ein Verbeulter - nur anders, weil in Madrid derzeit auch so etwas wie eine Bayern-Krise herrscht. Betrieb Krisenbewältigung, indem er Kostbarkeiten aus der Tiefe lieferte. Gleichzeitig aber auch mit Standards auf überschaubarem Niveau. Wollten sie die beim DFB nicht wieder mal trainieren lassen? Selten sah man so viele unpräzise, lasche Eckbälle von Kroos, der eben auch ein wenig durchhängt in diesen Monaten nach dem kolossalen WM-Kater.

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Quelle: Peter Dejong/AP

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Thomas Müller

Seine Formdelle im Nationalteam dauert nun schon etwas an, aber der Bundestrainer glaubt an ihn wie die Holländer ans Deiche bauen. War um Direktheit bemüht und fand mit Werner einen gewillten Tandempartner. Trommelte Cillessen einen Linksschuss um die Ohren, den der aber wacker abwehrte. Bekam mit einer Direktabnahme noch eine Chance, doch auch die versandete am Außennetz. Spielte wie einer, der zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist und wurde verfrüht in die Dusche beordert. Formdelle? Und was für eine.

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Quelle: Peter Dejong/AP

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Timo Werner

Dieser Tage Deutschlands formstärkster Offensivspieler und wegen seiner Schnörkellosigkeit erhoffter Nachfolger eines gewissen Rudolf Völler. Ging viele clevere Wege, die Räume öffneten, vergab aber nach einem Pass von Müller die Führung. Auffällig im Eins-gegen-Eins vor dem Sechzehner, weniger auffällig im Abschluss. Strahlte ebenso wenig Torgefahr aus wie der Rest und tauchte irgendwann ab wie ein Wattwurm im Schlick.

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Quelle: Peter Dejong/AP

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Mark Uth

Mit null Saisontoren eher nicht Deutschlands formstärkster Angreifer, aber was soll's? In der Not ist dem Bundestrainer ein fachgerecht ausgebildeter Brecher mit Holland-Erfahrung (spielte in Heerenveen) offenbar lieber als die Samtfüße Sané und Gnabry - und das als Debütant, Donnerwetter! Brachte mit seiner Geradlinigkeit Leben vorne rein und störte den holländischen Spielaufbau wie ein kreuzender Segler. Bei allem Engagement aber auch keiner, der den Umbruch beim DFB herbeiwirbelt. Solider Einstand, trotzdem weiterhin ein Null-Tore-Stürmer. Hm.

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Quelle: John Thys/AFP

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Leroy Sané

Sein Tempo hätte die deutsche Elf von Beginn an gebraucht, aber irgendwie sieht Löw das weiterhin anders. Kam herein, hatte gleich zwei knackige Torraum-Szenen - unterstrich bei seiner Jahrhundertchance aber auch, dass er noch viel lernen muss. Zum Beispiel den sogenannten "Punch" vor der Hütte.

Niederlande - Deutschland

Quelle: Ina Fassbender/dpa

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Julian Draxler

Kam herein und probierte sich als Antreiber, hatte gleich eine Schusschance, doch sein Versuch flog Richtung Autobahn nach Utrecht. Ließ noch einen fliegen, der war schon näher dran. Konnte aber das Ruder - wie man so schön sagt - nicht mehr herum reißen. Patzte stattdessen sowohl vor dem 0:2 als auch vor dem 0:3.

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Quelle: Peter Dejong/AP

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Julian Brandt

Kam herein und verlor fast jeden Ball. Auch bemerkenswert.

© SZ.de/chge
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