DFB-Team in Dänemark:Abenteuer mit Käpt'n Draxler

Germany v Northern Ireland - 2018 World Cup Qualifying European Zone - Group C

Ist gegen Dänemark wohl Kapitän: Julian Draxler

(Foto: Kai Pfaffenbach/REUTERS)
  • Den Confederations Cup betrachtet Bundestrainer Löw mehr als Laborversuch denn als seriösen Wettbewerb.
  • Vor dem Testspiel gegen Dänemark wird bei der Nationalelf kaum trainiert, es sind viele Debütanten bei der Begegnung in Kopenhagen dabei.
  • "Das Spiel wird auch für uns eine Überraschung", sagt Löw.

Von Philipp Selldorf, Frankfurt

Zwar haben sich die Umfrageinstitute bisher nicht die Mühe gemacht, das Meinungsbild der deutschen Fußballfreunde zum in anderthalb Wochen beginnenden Confederations Cup zu ermitteln. Es dürfte aber als unstrittig gelten, dass der Wettbewerb kein gutes Image besitzt. Er gilt als überzählig und hat beim Gros des hiesigen Publikums kein bedeutend höheres Ansehen als der Fuji- oder Intertoto-Cup.

Das sehen auch die führenden Funktionäre so, vom Fifa- und vom DFB-Präsidenten bis hin zum FC-Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge, und auch der Bundestrainer hat mit dem schrägen Kader aus Neulingen und Hinterbänklern, den er für das Turnier zusammengestellt hat, nicht viel dazu beigetragen, das Ansehen des Turniers im Weltmeister-Land zu stärken. Dennoch versichert Jogi Löw, er freue sich auf die Veranstaltung, "sogar sehr". Er finde die Reise nach Russland "wirklich spannend für uns, weil wir da gewisse Erfahrungen und Eindrücke sammeln können".

"Das große Ziel ist der Titel" - gemeint ist die WM

Dies darf man ihm übrigens ruhig glauben, und es geht dabei ausdrücklich nicht um Erfahrungen mit der russischen Küche und Kultur (den Koch bringt der DFB selbst mit). Löw hat in diesem Jahr nicht viele Gelegenheiten gehabt, seiner originären Aufgabe als Fußball-Lehrer der Nation nachzugehen.

Ein einziges Testspiel hat ihm der Fifa-Kalender bisher zugestanden, und selbst dieses Treffen war von allerlei Absagen geprägt und fand seine Erfüllung allein in der Verabschiedung und Verherrlichung von Lukas Podolski, der beim 1:0 gegen England das Vor- und das Haupt- sowie das Nebenprogramm bestimmte.

Wenn Löw nun erklärt, er freue sich auf Russland genauso wie auf alle anderen Turniere, die er als Bundestrainer begleitet hat, dann stimmt das vielleicht sogar ein bisschen. Aber es ist eben so, dass dieses Turnier keinerlei Vergleichen standhält mit dem halben Dutzend Welt- und Europameisterschaften unter seiner Aufsicht seit 2006. Den Confed Cup 2017 betrachtet Löw mehr als Laborversuch unter Freiluftbedingungen denn als seriösen Wettbewerb. "Das große Ziel ist der Titel", sagt er zwar, gemeint ist aber der WM-Titel 2018.

Als Deutschland 2005 selbst Gastgeber des Confed Cups war, rief der große Reformator Jürgen Klinsmann seinen Kader 17 Tage vor dem Anstoß des Eröffnungsspiels in München zusammen und gab bekannt, sein Team wolle "ein Signal an die Welt senden" und den Wettkampf trotz der Konkurrenz aus Ländern wie Brasilien und Argentinien unbedingt gewinnen. Löw hingegen hat den Wunsch, sein Heimatland am 2. Juli in Moskau mit dem Gewinn des Fifa-Goldpokals zu beglücken, bisher gekonnt für sich behalten. Die Frage nach dem Wert des Turniers beantwortet er so: "Russland freut sich und nimmt das Turnier total ernst." Die eigene Zielsetzung laute, "möglichst erfolgreich" abzuschneiden.

Mustafi zur Führungskraft erhoben

Wie groß sein Hunger auf den Lorbeer ist, das belegt die Termingestaltung vor dem Aufbruch nach Russland in neun Tagen. Am Pfingstmontag hat Löw seine Leute am Düsseldorfer Flughafen aufgelesen, um mit ihnen nach Kopenhagen zu reisen, wo am Dienstag ein Testspiel gegen Dänemark ansteht (allerdings ohne den Leipziger Timo Werner, der wegen einer Erkrankung fehlt). Am Samstag folgt die Pflichtaufgabe gegen den Winzling San Marino in Nürnberg, und dann dürfen erst mal alle wieder nach Hause. Für den ehedem bekennenden Masterplaner und Vorbereitungsfetischisten Löw ist das ein spektakulär lässiger und freizeitlastiger Turnier-Prolog.

"Das Spiel wird auch für uns eine Überraschung, wir haben nur eine Trainingseinheit", sagte Löw am Montag vor dem Training in Kopenhagen.

Auftakt in Kopenhagen - deutscher Kader für die nächsten Aufgaben

Tor: Leno (Bayer Leverkusen), ter Stegen (FC Barcelona), Trapp (Paris Saint-Germain).

Abwehr: Ginter (Bor. Dortmund), Hector (1. FC Köln), Henrichs (Leverkusen), Kimmich (FC Bayern), Mustafi (FC Arsenal), Plattenhardt (Hertha BSC), Rüdiger (AS Rom), Süle (TSG Hoffenheim).

Mittelfeld/Angriff: Brandt (Leverkusen), Can (FC Liverpool), Demirbay (Hoffenheim), Demme (RB Leipzig), Draxler (Paris Saint-Germain), Goretzka (Schalke 04), Rudy (Hoffenheim), Stindl (B. Mönchengladbach), Wagner (Hoffenheim), Werner (RB Leipzig), Younes (Ajax Amsterdam).

Die Termine

6. Juni: Dänemark - Deutschland Testspiel

10. Juni: Deutschland - San Marino WM-Quali

19. Juni: Deutschland - Australien Confed-Cup

22. Juni: Deutschland - Chile Confed-Cup

25. Juni: Deutschland - Kamerun Confed-Cup

Diese knappe Einstimmung beruht aber nicht auf der Neigung des Bundestrainers zum Müßiggang, sondern auf der Einsicht in die Anforderungen des Spitzenfußballs im Jahr 2017, die deutlich höher liegen als noch zu Klinsmanns Zeiten. Deshalb gönnt Löw seinen Stammkräften einen unbeschwerten Feriensommer und gewährt andererseits auch den Spielern, die ihn nach Russland begleiten, etwas Erholung von der Saison.

Hier und dort wird Löws Russland-Mission als "Abenteuer" dargestellt, und der Begriff ist auch gar nicht so falsch. Wer müde davon ist, immer denselben Bayern-Spielern plus Toni Kroos und Mesut Özil zuzuschauen, dem wird viel Neues geboten. Etwa ein Julian Draxler, der gemäß Einsatzstatus als Kapitän fungieren könnte und von Löw neben Shkodran Mustafi zur Führungskraft erhoben wurde. Und eine Nationalelf, in der Sandro Wagner, 29, und Lars Stindl, 28, als alte Herren ihr Debüt geben, womöglich an der Seite von Kerim Demirbay, Diego Demme und Marvin Plattenhardt, hat es seit der Menschwerdung vor zwei Millionen Jahren nicht gegeben - und wird es auch bei der WM 2018 nicht wieder geben. Der eine oder andere aber darf jetzt seine Chance ergreifen, um auch nächstes Jahr mit nach Russland zu reisen. Im Kreis der Spieler ist der Confed Cup daher sehr beliebt, dies ergab eine Umfrage bei Sandro Wagner: "Für mich ist das ein Riesenturnier", sagt dieser.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: