DFB-Team:Einfach mal etwas #authentischer sein

Germany v Peru - International Friendly

Thomas Mueller (r.), Maskottchen Paule (2.v.r.) und Toni Kroos bedanken sich beim Publikum in Sinsheim.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der sportliche Neustart ist dem DFB-Team halbwegs geglückt. Bei der angestrebten Fannähe wird es schwieriger - was auch an Instagram liegt.

Kommentar von Claudio Catuogno

An einem Freitag im August wurde am schönen Tegernsee der kleine Ludwig getauft, der Sohn des Fußball-Nationalspielers Mats Hummels und seiner Frau Cathy. Es gab eine Torte in Walform, gefertigt von einem "Patisserie- und Cake Design Studio" in der Nähe von Frankfurt, das sich nach einem Aufruf in Cathy Hummels' Instagram-Story um den Auftrag beworben hatte. Mats Hummels trug zur Feier des Tages einen perfekt geschnittenen dunkelblauen Anzug. Unter seinem Instagram-Foto, das ihn lässig auf einem Holzsteg am Ufer des Tegernsees zeigt, steht der Hinweis "Bezahlte Partnerschaft mit Boss". 165 924 Personen gefällt das.

Löws Neustart ist halbwegs geglückt. Was Bierhoff ändern will, ist hingegen noch unklar

Es gab mal eine Zeit, da haben auch Fußballspieler, wenn eine Taufe anstand, halt einen Anzug aus dem Schrank gezogen und die Torte bei der Bäckerei am Ort bestellt. Kein Mensch außer den geladenen Gästen hat davon erfahren, dass zur Ehre des Täuflings blaue Luftballons aufstiegen. All die persönlichen Details, sie waren noch nicht für jedermann bloß einen Wisch auf dem Smartphone entfernt. Und das Kuriose ist: Es war jene Zeit, die sich viele Fußballfans jetzt offenbar zurückwünschen - weil es damals rund um die Nationalmannschaft angeblich noch so etwas wie "Fannähe" gab.

Die sog. Fannähe ist das Wort der Woche gewesen in den Debatten um die Nationalmannschaft. Der sportliche Neustart ist halbwegs geglückt mit einem 0:0 gegen Frankreich in der Nations League und einem 2:1 im Test gegen Peru. Joachim Löw, der Bundestrainer, hat Vertrauen zurückgewonnen nach dem Desaster bei der WM in Russland. Doch nun warten viele darauf, dass auch der Manager Oliver Bierhoff die richtigen Schlüsse zieht aus der Entfremdung zwischen dem Fußballvolk auf der einen Seite und dem zunehmend als artifiziell wahrgenommenen Konstrukt "Die Mannschaft" auf der anderen. Mehr Fannähe wagen!

Man ahnt allerdings, dass dieser Teil des propagierten Neustarts viel schwieriger wird, als auf dem Platz mit vier Innenverteidigern hinten dicht zu machen.

Auf gewisse Weise ist man den Nationalspielern ja schon näher denn je. Man schaut ihnen bei der Tauffeier auf den Teller (gegrillter Fisch) und der Gattin gezwungenermaßen ins Dekolleté des Dirndls ("Bezahlte Partnerschaft mit Trachten Angermaier"). Aber das ist eben nur eine simulierte Nähe, eine, die von Agenturen im Hintergrund initiiert und kommerziell verwertet wird. Oliver Bierhoff müsste sich wohl mehr als einen Ruck geben, um über Maßnahmen jenseits dieser Branchengepflogenheiten überhaupt nachzudenken. Also darüber, wie man dem Publikum tatsächlich wieder näher sein könnte, im tatsächlichen und im übertragenen Sinne - und nicht nur, wie man fannah wirken und welche Partner man dafür ins Boot holen könnte. #Fannähe powered by Coca Cola.

Ja, es gäbe ein paar Maßnahmen. Man könnte die Eintrittspreise senken. Man könnte einzelne Partien wieder um 18 Uhr anstoßen, damit wenigstens hin und wieder auch Eltern die Möglichkeit haben, ihre Kinder mit ins Stadion zu nehmen. Wie man hört, soll es bei der nächsten Zusammenkunft der Nationalmannschaft in Berlin mal wieder ein öffentliches Training geben. Aber da geht das Problem ja schon los: Wenn man das vorher bekannt macht, reisen mehr Fans an, als man am Trainingsplatz unterbringen kann. 165 924 Likes sind schön und gut, aber wenn 165 924 Follower persönlich am Zaun stehen, gibt es Gedränge.

Vielleicht geht es deshalb in Wahrheit um etwas anderes als um Nähe. Vielleicht würden schon weniger Hashtags helfen, weniger Weichzeichner, mehr Bewusstsein und weniger Sprachregelungen bei gesellschaftlichen Themen wie Rassismus. Einfach: etwas mehr Authentizität.

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