Lukas Klostermann im DFB-Team:Vielseitig wie Philipp Lahm

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Kann links wie rechts: Lukas Klostermann von RB Leipzig.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Lukas Klostermann steht vor seinem Debüt in der deutschen Nationalmannschaft.
  • Der Außenverteidiger ist schnell, vielseitig einsetzbar und bedient verschiedene Facetten des Fußballspiels.
  • Gemeinsam mit Marcel Halstenberg und Timo Werner bildet er nun einen Block von RB Leipzig.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Jeder Fußballer hat Träume. Auch solche, über die er dann eher selten spricht: Albträume. Jorge Valdano, der argentinische Weltmeister von 1986, zählt zu denen, die oft von einem Traum erzählen, der immer wiederkehrt, und in dem es darum geht, wie er im WM-Finale von Mexiko auf das Tor der Deutschen zustürmt. Dann rauscht ein Leichtathlet namens Hans-Peter Briegel heran und fängt ihn, der im echten Leben in dieser Szene das Tor zum argentinischen 3:2-Sieg erzielte, doch noch ab. Niemand weiß, ob Lukas Klostermann, 22 und derzeit bei RB Leipzig angestellt, auch einmal zum Stoff für Albträume werden wird. Aber sollte der alles andere als unwahrscheinliche Fall eintreten, dass er an diesem Mittwoch gegen Serbien sein Debüt als A-Nationalspieler feiert, würde das DFB-Team zumindest eines behaupten können: auf der Außenbahn zum gefühlt ersten Mal seit Briegel wieder einen echten Leichtathleten aufbieten zu können.

Nicht, dass man die beiden wirklich vergleichen könnte: Da der gelernte Zehnkämpfer Briegel, der wegen einschüchternder Physis "die Walz aus der Pfalz" genannt wurde. Dort Klostermann, der zwar ebenfalls einschüchternde 1,89 Meter groß ist, aber in Westfalen geboren wurde und sich aus seinem früheren sportlichen Leben die Zartgliedrigkeit des Sprinters bewahrt hat, die ihm quasi in die Wiege gelegt wurde: Sein Vater war Hürdensprinter.

Klostermann zählt nicht nur zu den schnellsten Profis der Bundesliga. Er verfügt auch über eine auffällige Besonderheit, die an Philipp Lahm erinnert: Er kann sowohl links wie auch rechts spielen, ohne dass seinem Team dadurch ein Nachteil entsteht. Und das in Zeiten, da sehr gute Außenverteidiger als Mangelware gelten.

Es gibt wenige Positionen im Fußball, die so spezifische Anforderungen stellen und auch zu einer Art von Deformation führen. Der Aktionsradius der Außenverteidiger ist durch die Außenlinie begrenzt; die Notwendigkeit, auch den schwächeren Fuß zu schulen, ist quasi nicht gegeben. Früher mussten Außenverteidiger nur stumpf verteidigen; mittlerweile hat sich nicht nur in brasilianischen Teams etabliert, dass Außenverteidiger elementarer Bestandteil der Angriffsbemühungen und im Idealfall verantwortlich für die vorletzte Aktion sind: für den finalen Pass.

Klostermann verkörpert beide Facetten, Angriff und Verteidigung: Er ist nicht nur Bestandteil der besten Defensive der Bundesliga (RB Leipzig hat in dieser Saison nur 20 Gegentore kassiert), er hat in dieser Saison auch ein Tor selbst erzielt und drei direkt vorbereitet. Sein Pendant auf der linken Seite, Marcel Halstenberg, der ebenfalls von Bundestrainer Löw für die Spiele gegen Serbien und die Niederlande (am Sonntag) berufen wurde, kommt sogar auf sechs Torvorlagen in der Bundesliga.

"Ich habe schon eine Zeit gebraucht, bis ich auf einem Level war, mit dem ich zufrieden war"

Dass Klostermann und Halstenberg am Montag zusammen mit Leipzigs Stürmer Timo Werner in den Zug stiegen und nach Wolfsburg zum DFB-Treffpunkt fuhren, hat insbesondere Trainer Ralf Rangnick mit Genugtuung erfüllt. Nicht nur, weil er Klostermann, der so vorzüglich in den tempoorientierten Leipziger Fußballstil passt, einst aus Bochum zu RB geholt hat: "Ich war freudig überrascht, dass Lukas Klostermann erstmals dabei ist. Er hat es sich verdient", sagte Rangnick am Samstag nach dem 1:0-Sieg der Leipziger bei Schalke 04. Vor allem aber sagte er: "Jetzt haben wir drei Nationalspieler, Dortmund einen und die Bayern fünf." Was so viel heißen sollte wie: Leipzig hat sich als neuer Zulieferer des DFB-Teams etabliert.

Klostermann war zwar mal Hobbyschlagzeuger. Am Dienstag war ihm aber nicht nach Trommeln in eigener Sache: "Es spiegelt ein bisschen unsere Entwicklung wider", sagte er diskret, "wir spielen eine sehr ordentliche Saison."

Weil das auch für ihn gilt, ist nun endlich der Ruf zum A-Team erfolgt; er galt ja schon früher als Kandidat für die Nationalelf. Im Sommer 2016 war er Teil der deutschen Olympia-Auswahl, die sich im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro gegen Gastgeber Brasilien mit der Silbermedaille begnügen musste. Damals übrigens musste er, wie hin und wieder auch bei RB Leipzig, auf der linken Abwehrseite agieren. Kurze Zeit später riss bei Klostermann das Kreuzband, erst in dieser Saison hat er wieder richtig Fuß gefasst.

Er hat beschlossen: "Das war mein letzter Kreuzbandriss."

"Ich habe schon eine Zeit gebraucht, bis ich auf einem Level war, mit dem ich zufrieden war", sagte Klostermann am Dienstag; kleinere Komplikationen zogen die Genesung in die Länge. Zuvor hatte er sich gewundert, wie lange es doch her sei, seit er letztmals gefragt wurde, ob er Zweifel gehabt habe, nach der Verletzung wieder zu alter Stärke zurechtzufinden. Er hatte das mal eingeräumt. Lange her.

Ebenso lange her ist, dass er sich in anderer Hinsicht festgelegt hatte: "Das war mein letzter Kreuzbandriss", sagte er. Was man gut nachvollziehen kann. Denn welcher Fußballer will schon von Albträumen wissen, wenn er am Anfang seiner Träume steht?

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