DFB-Team:Bayer 04 Deutschland

  • Leno, Volland, Tah, Henrichs, Brandt: Bei den letzten Länderspielen des Jahres stellt Bayer Leverkusen die größte Fraktion im DFB-Kader.
  • Der Verein setzt bewusst auf deutsche Vorzeige-Talente - aber er sucht auch weiterhin in Südamerika nach Spielern.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Als am Wochenende der FC Bayern-Vorsitzende Karl-Heinz Rummenigge auf den "katastrophalen Kalender" schimpfte, hat er nicht die anstehende dunkle Jahreszeit beklagt, sondern den Terminplan des Weltfußballverbands. Dieser führt dazu, dass die Bundesliga nun zum dritten Mal in dieser Saison für zwei Wochen ihren Betrieb einstellen muss. Nicht nur Rummenigge sieht den von der Fifa verordneten Rhythmusbruch kritisch, er dürfte im Publikum eine überparteiliche Mehrheit hinter sich haben. Viele Fans würden lieber die Fortsetzung des dramatischen Lustspiels um den Hamburger SV genießen, als am Freitag das Duell der Nationalelf mit San Marino zu erleben.

Es gibt aber auch andere Meinungen zu diesem Thema. Leverkusens Manager Jonas Boldt berichtet, dass in der Bayer-Kabine jedes Mal gespannte Erwartungen herrschen, wenn der Bundestrainer seine Auswahl für die Doppelspieltage bekannt gibt. Als Jogi Löw jetzt sein aktuelles Aufgebot bestellte, kam besonders viel Freude auf. Fünf Bayer-Profis dürfen die DFB-Reise nach Italien mitmachen, der Klub aus dem Rheinland stellt damit das größte Kontingent im Kader - und der verletzte Karim Bellarabi wäre wohl als sechster Leverkusener dabei. Der FC Bayern ist lediglich durch vier Repräsentanten vertreten.

Dass Löw neben den mehr oder weniger etablierten Bayer-Kandidaten Bernd Leno, Kevin Volland, Julian Brandt und Jonathan Tah erstmals auch den Verteidiger Benjamin Henrichs zu sich gerufen hat, sorgte für einiges Aufsehen, vor allem beim Betroffenen, der das Geschehen als "krank" bezeichnete. Selbstredend nicht deshalb, weil er Löws Wahl für eine Peinlichkeit hält, sondern weil er sein Glück zunächst nicht fassen konnte: "Das ist schon extrem krass", erklärte er, "erst im Januar wurde ich zum Außenverteidiger umgeschult, ich habe jetzt 18 Bundesliga- und vier Champions-League-Spiele - und bin nun zur Nationalmannschaft berufen worden."

Von Henrichs existiert noch kein Bravo-Starschnitt, und seine signierten Autogrammkarten wurden bisher auf dem freien Markt für 2,99 Euro gehandelt. Dennoch waren die Verantwortlichen in Leverkusen über die nächste Beförderung eines ihrer Vorzeigetalente nicht erstaunt: "Es gibt ja kein Gesetzbuch, dass ein Minimum an Bundesliga-Einsätzen vorschreibt", sagte Manager Boldt, "überraschend ist lediglich, wie gut er seine Position annimmt, und wie gut er sie ausfüllt."

Leverkusen gehört nicht zu den ständigen Reisezielen des Bundestrainers, wenn dieser an Bundesliga-Spieltagen nach Kandidaten Ausschau hält. Jonas Boldt kann sich nicht daran erinnern, wann Löw zuletzt die BayArena beehrt hat, aber er sieht keine Gründe, deswegen beleidigt zu sein. Wie Dr. Mabuse scheint auch Löw tausend Augen zu haben. Neulich waren seine Vertrauten Thomas Schneider und Hansi Flick zugegen, als Bayer 2:1 beim VfL Wolfsburg gewann.

Offenbar haben sie Positives berichtet. Zudem pflegt sich Löw häufig mit dem Kollegen Roger Schmidt über die Verfassung seiner Nationalspieler auszutauschen. Und Rechenschaft ablegen über seine Nominierungen müsse Löw sowieso nicht, meint Boldt, "er hat schon oft gezeigt, dass er macht, was er für richtig hält, und meistens hat er richtig gelegen".

Talente entwickeln sich geradewegs nach oben

In Leverkusen ist man zufrieden, wenn man dem Bundestrainer helfen und auch etwas fürs Ansehen des Vereins tun kann. Aber es ist auch nicht so, dass Bayer alles daran setzt, sich zur Imagebildung der Konzerntochter mit jungen deutschen Nationalspielern zu schmücken. Der Nutzen der Spieler im Alltag steht im Vordergrund, der Rest kommt von allein: "Im Fall von Tah und Brandt war es allerdings schon absehbar, dass sie im Idealfall in die Nationalmannschaft finden könnten", sagt Boldt.

Brandt war 17, als er aus Wolfsburg kam; Tah war 19, als sich der HSV zum Verkauf bereitfand. Bei beiden verlief die Entwicklung nicht bloß wunschgemäß, beide entwickelten sich mit der tätigen Nachhilfe von Coach Roger Schmidt geradewegs und unaufhaltsam nach oben. Henrichs, in der eigenen Nachwuchsschule aufgezogen, wird ein ähnlicher Karriereweg bedenkenlos zugetraut, zumal er eine der Problemzonen des Nationalteams bedient.

Bei aller Freude über die Anerkennung von Sir Jogi achten die Personalplaner bei Bayer aber auch darauf, den Kader vielseitig zu mischen. Die Fraktion Bayer 04 Deutschland soll sich weiterhin mit der traditionellen Marke Bayer do Brasil vereinen. An der Vorliebe für südamerikanische Spieler will der Klub festhalten. Boldt ist zwar erst 34, aber lange genug Spezialist für den lateinamerikanischen Markt, um den Wert dieser Quelle zu schätzen: Spieler wie Chicharito, Aránguiz und Wendell, sagt er, ergänzten mit ihren Eigenarten den Horizont des Bayer-Kaders.

Auch den Länderspielkalender sieht Boldt in diesem Zusammenhang weniger kritisch als Karl-Heinz Rummenigge: "Die Reisen, die unsere Südamerikaner nach Mexiko, Brasilien oder Chile unternehmen müssen, sind lang und anstrengend. Aber die Erfahrungen, die sie bei der Copa América oder in der extrem anspruchsvollen WM-Qualifikation sammeln, die können auch für den Klub Gold wert sein."

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