Süddeutsche Zeitung

DFB:"Die jungen Deutschen müssen besser werden"

Sancho, Hudson-Odoi, Matondo, Rowe: In England spielen aktuell die aufregenderen Talente. Um das zu ändern, setzt Oliver Bierhoff auf Bolzplatzmentalität.

Von Philipp Selldorf

Der deutsche Fußball-Nachwuchs hat es mal wieder nicht leicht. Grund (was nicht politisch zu verstehen ist): die Ausländer. Die neueste Mode der Liga sind jetzt die jungen Engländer, dem Jadon-Sancho-Effekt folgend will nun bald jeder Verein einen haben, die Bayern schickten sich sogar schon an, 40 Millionen Euro in den 18 Jahre alten Callum Hudson-Odoi zu investieren (einstweilen mussten sie sich mit dem Kanadier Alphonso Davies, 18, begnügen).

Und während die Schalker ihr letztes Geld zusammengetragen haben, um im Winter Rabbi Matondo, 18, zu beschaffen, schätzte sich RB Leipzig glücklich, den ebenso jungen Emile Smith Rowe für ein halbes Jahr vom FC Arsenal ausleihen zu dürfen. Hier handelt es sich übrigens um jenen Klub aus Leipzig, dem jahrelang nachgesagt wurde, landesweit en gros deutsche Jugendspieler einzukaufen. Trendgerechte Zugänge für Profi- und Juniorenteams sind zudem: junge Franzosen, Spanier, Belgier, Österreicher und Amerikaner, sogenannte US-Boys.

"Bolzplatzmentalität" und Individualismus statt System- und Soldatenfußball

Ist das ein Problem für die Zukunft der deutschen Nationalteams? Auf diese Frage weiß Oliver Bierhoff eine Antwort, die er aber nicht als Manager der "Mannschaft" gibt, sondern als DFB-Direktor und Spitzenfunktionär für Spitzenfußball: "Wenn Vereine lieber junge Engländer, Franzosen, Belgier holen, gibt es nur eine Lösung", sagt Bierhoff: "Die jungen Deutschen müssen besser werden."

Um diesen Satz, so trivial er klingen mag, kreisen all die 1000 Überlegungen und Konzepte der Experten, die Bierhoff in seiner Abteilung respektive der DFB an seiner in Gründung befindlichen Akademie versammelt. Natürlich sind die Wege zum Ziel komplizierter als die Definition des Ziels. Um dem deutschen Fußball wieder die Weltgeltung zu verschaffen, die nicht erst durchs WM-Aus in Russland abhanden gekommen ist, streben Bierhoff und Mitstreiter eine umfassende Bildungsreform für alle Akteure an: für Spieler von der F- bis zur A-Jugend ebenso wie für Trainer und Sportdirektoren.

Hochmoderne Begriffe begleiten die intellektuellen Pläne, von "Benchmarking", "Kompetenzzentrum" und "Mindset" ist die Rede, aber das ist gar nicht so schlimm, denn die Absichten sind auf altmodische Art klar und verständlich. Unter anderem geht es darum, wieder mehr Freiraum für einzelne Spieler in den Jugendteams zu schaffen, "Bolzplatzmentalität" und Individualismus statt System- und Soldatenfußball zu fördern. Damit die jungen Deutschen lernen, was ihnen die jungen Engländer voraus haben.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2019
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