Ermittlung gegen den DFB:Brisante Nachricht vor dem Showdown
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Zum internen DFB-Machtkampf kommt ein neues Strafverfahren der Staatsanwaltschaft: Es besteht der Verdacht, dass Sachleistungen eines Großsponsors in Millionen-Höhe nicht korrekt versteuert wurden.
Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt/München
Ruhige Tage waren beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) auch rund um Weihnachten und den Jahreswechsel kein Thema. Der verzehrende Machtkampf zwischen Präsident Fritz Keller, 63, und Generalsekretär Friedrich Curtius, 45, hat eine Dimension erreicht, die auf ein letztes Gefecht hindeutet. Es scheint nur noch eine Frage von Tagen zu sein, bis der Showdown erfolgt - und einer der beiden sein Amt verliert. Mitten hinein in die interne Konfrontation platzte aber mit dem Jahreswechsel noch ein externer Akteur: die Staatsanwaltschaft Frankfurt.
Mit der Weihnachtspost landete eine brisante Nachricht in der Verbandszentrale in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise: Die Strafermittler führen ein neues Steuerverfahren, das den DFB betrifft. Es besteht der Verdacht, dass in Lohnsteuer-Anmeldungen sowie in Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen von 2015 bis November 2020 unkorrekte Angaben gemacht und Steuern in noch nicht konkret definierter Höhe verkürzt worden seien.
Inhaltlich soll es nach SZ-Informationen um den Umgang des Verbandes mit Sachzuwendungen des langjährigen Großsponsors Adidas gehen. Der fränkische Sportartikler, der seit gut sechs Jahrzehnten den Verband unterstützt (insbesondere die in finanzieller Hinsicht alles überragende Nationalmannschaft), erfüllt sein Sponsoring nicht nur mit Millionensummen, sondern auch mit Sachleistungen: Trikots, Schuhe und anderes mehr. Nun liegt bei den Ermittlern offenkundig der Verdacht vor, dass der DFB diese Zuwendungen nicht korrekt versteuert haben könnte. Der Verband soll in diesem Kontext vorsorglich bereits knapp 3,5 Millionen Euro an die Finanzbehörden überwiesen haben.
Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt teilt zur Eröffnung des Strafverfahrens mit: "Hierzu können derzeit leider keine Auskünfte erteilt werden." Der DFB sagt, es sei noch zu prüfen, "ob und in welcher Höhe überhaupt Steuern nachzuzahlen sind". Rein vorsorglich sei "eine Nachmeldung auf Basis einer Maximalbetrachtung an das Finanzamt" erfolgt. Und, so der Verband: "Anhaltspunkte für ein steuerstrafrechtlich vorwerfbares Verhalten bestehen nicht."
Diese Einschätzung erscheint recht kühn, wenn die Staatsanwaltschaft gerade angekündigt hat, just diese Frage durch Ermittlungen zu klären. Jedenfalls gerät der DFB einmal mehr in Erklärungsnot - und schafft es so auch en passant, sein ohnehin desaströses aktuelles Erscheinungsbild weiter einzutrüben. Auch stellt sich einmal mehr die Frage, wie es zu den neuen Problemen kommen konnte - und wer die Verantwortung dafür trägt.
Der DFB und die Steuern, das wird zu einer unendlichen Geschichte. Rund um den Verband herrschen Zustände, dass man bezüglich der Verfahren allmählich durcheinandergerät, so viele gibt es inzwischen. Seit Jahren haben die Ermittler das Gebaren des DFB im Visier, es geht um den freizügigen Umgang mit Geldern und um eine krude Strukturproblematik: Der DFB ist ein gemeinnütziger Verein, hat aber einen Umsatz von inzwischen fast 400 Millionen Euro. Die Einnahmen fallen in diverse steuerliche Kategorien: manche in die steuerfreie Vermögensverwaltung, andere in den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Lange Zeit bewegte der DFB seine Einnahmen so geschickt zwischen den Welten, dass die Steuerlast sehr gering war. Im Jahr 2015 etwa betrug sie nur zirka drei Millionen Euro, inzwischen liegt sie bei knapp 20 Millionen Euro.
Erst Anfang Oktober war es im Steuer-Kontext zu einer beeindruckenden Razzia in der Zentrale und bei verschiedenen (Ex-)Funktionären gekommen. Der Vorwurf der Ermittler lautet, bei den Steuererklärungen für 2014 und 2015 seien DFB-Erlöse aus der Bandenwerbung falsch zugeordnet worden; um 4,7 Millionen Euro habe der Verband den Fiskus betrogen. Nun läuft ein Verfahren gegen sechs frühere oder aktuelle DFB-Verantwortliche, die bei Abgabe der Steuererklärung für die fraglichen Jahre als Präsident, Generalsekretär oder Schatzmeister amtierten. Dazu gehörten neben den ausgeschiedenen Reinhard Rauball, Reinhard Grindel und Helmut Sandrock auch drei aktuelle Funktionäre: der mächtige Vizepräsident Rainer Koch, Schatzmeister Stephan Osnabrügge und Generalsekretär Friedrich Curtius. Der DFB und die beschuldigten Funktionäre weisen die Vorwürfe zurück.
Das neue Verfahren zu den Adidas-Leistungen, das sich gegen namentlich noch nicht bekannte DFB-Verantwortliche richtet, erwuchs dem Vernehmen nach just aus dieser Oktober-Razzia. Nach SZ-Informationen fiel im Verband nun eine intern erstellte Übersicht auf, in der diese Sachzuwendungen finanziell aufgeschlüsselt waren. Eile war geboten: Lag nicht die Befürchtung nahe, dass bei der Auswertung der konfiszierten Geräte und Daten die Strafermittler auch diese Zusammenstellung finden würden?
Der DFB verkauft sich dazu lieber aufklärerisch. Er habe "im Sinne der steuerlichen Fehlerprävention" im Vorjahr ein Tax Compliance Management System (TCMS) eingeführt, heißt es, "um mögliche steuerliche Risiken frühzeitig zu erkennen". Dieses System habe "Ende letzten Jahres eine mögliche Fehlerquelle aufgezeigt, woraufhin der DFB unverzüglich eine Mitteilung ans zuständige Finanzamt geschickt hat. Die Fehlerquelle besteht dabei zunächst nur in der Dokumentation."
Auch das haben nun letztlich die Behörden zu beurteilen. Die Frage ist aber auch, wie der DFB mit dem beunruhigenden Fund weiter umging. Zwar gab es flott, noch im Oktober, eine Nachmeldung an das Finanzamt und die Nachzahlung in Millionenhöhe. Aber nach Lage der Dinge hielt der Verband eine Selbstanzeige für unangebracht.
Das erscheint pikant, zumal ja schon im Oktober in der Bandenwerbungs-Problematik der Umgang der Verbandsverantwortlichen mit den Vorwürfen ein großes Thema gewesen war. Damals argumentierte die DFB-Seite, die Steuerschuld sei bei den Finanzbehörden längst getilgt - nämlich schon im März 2019, anderthalb Jahre vor Beginn des Strafverfahrens. Die Staatsanwaltschaft hielt dagegen, ein Deal und dessen Abwicklungen mit dem Fiskus habe nichts mit dem Steuerstrafverfahren der Justiz zu tun. Dazu hielt sie klar fest: Die Möglichkeit, sich freizukaufen, gebe es "allein bei einer Selbstanzeige, die aber vorliegend von den Beschuldigten nicht erstattet wurde".
Auch im neuen Adidas-Fall soll es keine Selbstanzeige gegeben haben - obwohl das Thema nach SZ-Informationen verbandsintern intensiv diskutiert wurde. Präsident Fritz Keller, heißt es, habe sogar schriftlich nachgefragt, ob eine Selbstanzeige notwendig und erfolgt sei. Intern war jedoch von zuständiger Stelle signalisiert worden, dies sei nicht erforderlich. Auf konkrete Nachfragen zum Thema Selbstanzeige gibt es vom DFB keine Antwort. Nun sollen aber die Behörden dem Verband mitgeteilt haben, dass im Verfahren zu prüfen sei, ob eine strafbefreiende Selbstanzeige vorliege.
Die Oktober-Razzia und ihre Begleitmusik hatten den schwelenden Zwist im Hause - zwischen Präsident Keller und Generalsekretär Curtius, dessen Lager auch der Vize Koch und Schatzmeister Osnabrügge zugerechnet werden - öffentlich als Bruch sichtbar gemacht. Abzuwarten ist, ob und wie nun das nächste Verfahren der Staatsanwaltschaft in den Machtkampf hineinspielen wird. Sofern es hier überhaupt noch weiteren Zunders bedarf.