Nations League:Zornesfalten auf der Stirn des Bundestrainers

Deutschland - Spanien

Hatte nach dem Spiel etwas zu meckern: Bundestrainer Joachim Löw (links), hier neben Assistenztrainer Marcus Sorg.

(Foto: dpa)

Joachim Löw sorgt sich nach dem 1:1 gegen Spanien um die Gesundheit seiner Nationalspieler. Der Terminplan sei zu voll - und zwei Testspiele seien überflüssig.

Von Martin Schneider

Joachim Löw war sauer, das konnte man so sagen. Das ist nun ein Gemütszustand, der bei Trainern nicht ungewöhnlich ist, wenn sie in der sechsten Minute der Nachspielzeit noch einen Ausgleich kassieren. So ein Punktverlust ist in der Regel vermeidbar, erhöhtes Ärger-Potential ergibt sich auch dadurch, wenn der Schiedsrichter eigentlich nur vier Minuten angezeigt hatte und der Gegner durch zwei zusätzliche Minuten belohnt wurde, weil Sergio Ramos mal wieder mit dem Ellbogen zuerst in einen Zweikampf sprang.

Aber Löw ist seit 14 Jahren Bundestrainer, über das Tagesaktuelle - ein 1:1 gegen Spanien zum Auftakt der Nations-League-Gruppenphase - regt er sich nicht mehr auf. Da müssen schon größere Dinge kommen.

"Ich bin mit einigem in der Form nicht einverstanden", sagte Löw am ZDF-Mikrofon und legte los: "Einige Spieler sind richtig platt. Wir können die nächsten zwei Tage nicht mehr viel Training machen, müssen schauen, dass wir ein paar frische Kräfte bringen." Am Sonntag spielt das DFB-Team in Basel gegen die Schweiz, die den Auftakt gegen die Ukraine verlor. Aber die Ergebnisse der Nations League seien ihm "nicht ganz so wichtig", wie er freimütig zu gab.

Löw fragt sich, wie er seine Spieler gesund durchs Jahr bringen soll. "In zehn Tagen drei Spiele wie im Oktober und November - damit bin ich nicht einverstanden. Dass man da noch zwei Freundschaftsspiele reinlegt, macht aus sportlicher Sicht wenig Sinn", sagte Löw: "Der Terminkalender ist wahnsinnig voll. Ich habe immer gesagt, die Gesundheit der Spieler steht über allem."

"Einige sind auf dem Zahnfleisch gelaufen"

Weil die Saison aufgrund der Corona-Pandemie später angefangen hat, aber kein Fußball-Wettbewerb auf nur ein einziges Spiel verzichten will oder kann, könnten Spieler, die in der Champions League zum Einsatz kommen, also ein Großteil der deutschen Nationalspieler, bis Weihnachten immer zwei Mal pro Woche spielen. Die Winterpause ist dann auf zehn Tage reduziert - am 2. Januar soll schon wieder Bundesliga gespielt werden. Und in dem Rhythmus geht es theoretisch weiter, bis im kommenden Sommer die Europameisterschaft gespielt werden soll. Das ist das erklärte Ziel von Löw, das hat er im Blick und gerade fragt er sich, wie er seine Spieler sicher dorthin lotsen kann.

"Wenn man da nicht aufpasst, haben wir große Probleme im März, April, Mai", meinte Löw. Vor allem die zwei Freundschaftsspiele gegen Tschechien und die Türkei empfindet Löw als überflüssig. Aus Trainersicht gibt man ihm zwei Testspiele, in denen er nicht testen kann - sondern schauen muss, dass er seine Spieler so wenig wie möglich belastet. Der Grund für die Testspiele: Geld. Auch den DFB hat die Corona-Krise finanziell getroffen und die Nationalmannschaft ist der größte Posten auf der Einnahmenseite.

Dass er zu dem vollen Terminplan nur dreimal wechseln durfte - und nicht fünfmal, wie es in der Bundesliga und in der Champions League der Fall ist - war dann die zweite Zornesfalte auf der Stirn des Bundestrainers. "Die ganze Zeit gab es fünf Wechsel, das fand ich sinnvoll. Jetzt wird es zurückgenommen - gerade jetzt! Gerade jetzt hätte es das gebraucht. Einige sind auf dem Zahnfleisch gelaufen - dann passieren die Verletzungen." Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique sah es genauso.

Die Nations League könnte noch wichtig werden

Trainer wünschen sich immer mehr Einflussmöglichkeiten, aber in diesem Fall ist die Intervention des Bundestrainers gut begründet. Löw zählt schon jetzt Spielminuten seiner Nationalspieler und stellt auch danach auf. Zum ersten Pflichtspiel gegen Spanien seit dem WM-Halbfinale 2010 nahm er den Bayern-Block aus Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Serge Gnabry gar nicht erst mit - sondern befahl quasi verlängerten Urlaub. Luis Enrique wollte dagegen auf Thiago nicht verzichten.

Dabei könnte die Nations League noch wichtig werden. Deutschland steht aktuell in der Fifa-Weltrangliste auf Platz zehn - und nach dieser Rangliste werden die Lostöpfe für die WM-Qualifikation bestückt. Fällt Deutschland auf Platz elf, landet das DFB-Team in Lostopf zwei und muss eventuell gegen Frankreich um einen Platz in Katar spielen. Bei der WM-Qualifikation reist nur der Gruppensieger direkt zum Turnier.

Robin Gosens kennt die Abseitsregel nicht vollständig

Und sonst? Robin Gosens von Atalanta Bergamo feierte sein Debüt fürs DFB-Team. Er bereitete ein Tor vor, machte aber beim Ausgleich in der 96. Minute keine gute Figur. Erst verhinderte er die Flanke nicht, dann hob er das Abseits auf und gab nach dem Spiel zu, die Abseitsregel nicht vollständig zu kennen. Er dachte, man könne einen Gegner ins Abseits stellen, indem man das Spielfeld verlässt. Dem ist nicht so. Unabhängig davon machte Gosens einen guten Eindruck. Auf der linken Außenverteidigerposition hat sich ja niemand "festgespielt". Gosens Konkurrenten sind Jonas Hector, Marcel Halstenberg, Nico Schulz und Marvin Plattenhardt.

Auch bleibt Löw offenbar bei der Dreierkette in der Abwehr. Dort musste Emre Can als Verteidiger auflaufen, obwohl er im Klub ja den Abräumer im defensiven Mittelfeld gibt. Eine Umstellung, die ihm nicht so leichtfiel. Wegen der Dreierkette fehlt auch ein Platz im Mittelfeld - das musste gegen Spanien Kai Havertz ausbaden, der gar nicht zum Einsatz kam. Und über die Idee, den 1:0-Vorsprung durch Einwechslungen wie jene von Matthias Ginter, Suat Serdar und Robin Koch irgendwie über die Zeit zu retten, wird Löw vielleicht auch nochmal nachdenken.

Aber erstmal heißt das Zauberwort: Regeneration. Löw ließ in seiner Generalkritik keinen Zweifel daran, was sein Ziel ist: "Ich möchte Entwicklungen. Weil ich nächstes Jahr eine Mannschaft haben will, die ihr eigenes Spiel durchzieht."

Zur SZ-Startseite

Ausgleich in der 96. Minute
:Spanien bestraft Deutschlands Passivität

Timo Werner bringt das DFB-Team in Führung - doch danach will die Mannschaft das Ergebnis über die Zeit retten. Das Vorhaben misslingt, weil Ramos rüde wird und Debütant Gosens das Abseits aufhebt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: