DFB siegt gegen Österreich:Lehrer Löw und seine Abwehr-Studenten

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Erfolgreiches Dreieck: Torwart Manuel Neuer umarmt Per Mertesacker (r.) und Jérôme Boateng (l.).

(Foto: AFP)

In vielen Sitzungen übte Bundestrainer Joachim Löw das Abwehrverhalten der Nationalmannschaft, die Spieler setzen das Erlernte um und gewinnen in der WM-Qualifikation gegen Österreich 3:0. Ob vor allem das Mittelfeld höheren Defensiv-Ansprüchen genügt, bleibt indes ungeklärt. Die Österreicher jedenfalls sind beeindruckt.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Marko Arnautovic kam fast als Letzter aus der Umkleidekabine. Der Offensivspieler aus dem Wiener Bezirk Floridsdorf lässt gerne mal ein paar Sprüche los oder ist nach einer Niederlage sauer auf die unfähigen Mitspieler. An Selbstvertrauen mangelt es dem ehemaligen Stürmer von Werder Bremen wahrlich nicht. Doch gegen 23.30 Uhr in der Münchner Arena stand da ein anderer Marko Arnautovic. Ein Arnautovic, dem der Kopf fast zwischen den Schultern hing.

"Deutschland, ja ...", er stutzte kurz, "die sind einfach Weltklasse." Diese Deutschen hätten alles vorausgesehen, was seine Mannschaft unternehmen wollte, sie hätten das ganze Spiel über dominiert. Er wiederholte: "Deutschland war und ist Weltklasse - und wird es wahrscheinlich immer bleiben." Da war sie wieder: die österreichische Hoffnungslosigkeit.

Österreichs Fußballer waren vorher mit Mut, Ehrgeiz und etwa 15.000 Anhängern nach München gereist zum viertletzten Spieltag der WM-Qualifikationsgruppe C. Die Mannschaft war auf Platz zwei gelegen in der Tabelle, mit einem Überraschungserfolg gegen den großen Nachbarn wäre das Ziel Brasilien 2014 sehr nahe gerückt. In den ersten Minuten stürmten die Spieler furchtlos nach vorne, attackierten die Gastgeber früh, das gleiche nach der Halbzeitpause. Es dauerte allerdings in beiden Halbzeiten nicht lange, da verflog ihre Tapferkeit, bis kaum mehr etwas übrig blieb.

3:0 gewann die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes und niemand im Stadion urteilte danach, dass die bessere Mannschaft verloren habe. Im Gegenteil. Die Österreicher leisteten förmlich Abbitte. "Ich denke, das war eine klare Sache", sagte Trainer Marcel Koller, "Ich hatte immer das Gefühl, wenn etwas passiert, können sie noch einen Zahn zulegen." David Alaba kam zu einem ähnlichen Schluss. Nachdem ihn noch auf dem Feld praktisch alle deutschen Spieler (von Manuel Neuer bis Andre Schürrle) herzlich in den Arm genommen hatten, erklärte er: "Sie haben ein sehr gutes Spiel gezeigt. Sie haben den Ball und auch uns laufen lassen. Es ist schwierig, wenn man gar keinen Zugriff in den Zweikämpfen bekommt."

Der Auftritt der deutschen Mannschaft ließ sich aus ihrer Sicht am besten mit den Worten von Mesut Özil zusammenfassen: "Wir haben auf dem Platz gezeigt, wer der Boss war." 3:0 durch Tore von Miroslav Klose (33., der mit seinem 68. Länderspieltreffer Gerd Müller in der ewigen Bestenliste des DFB eingeholt hat), Toni Kroos (51.) und Thomas Müller (88.). Das DFB-Team führt die Gruppe C drei Spieltage vor Schluss mit fünf Punkten Vorsprung vor Schweden an, am Dienstag folgt das Gastspiel auf den Färöer-Inseln nördlich von Schottland. Das Spiel und die Lage waren am Freitagabend derart angenehm, dass sich die Gedanken der Beteiligten bei den Details aufhalten durften.

Zum Beispiel bei dem Umstand, dass der Gegner diesmal nicht ins Tor traf. Zuletzt hatte es in drei Partien neun Gegentore gegeben, dazu das legendäre 4:4 gegen Schweden im vergangenen Jahr. Nun also zu Null! Philipp Lahm erläuterte den Prozess, wie es dazu kommen konnte: "Wir haben diese Woche wirklich genutzt, um an unserer Defensive zu arbeiten", sagte der Kapitän und berichtete von vielen Sitzungen. Torwart Manuel Neuer ergänzte: "Wir haben viel darüber gesprochen, was wir nicht machen sollen." Die Fußball-Studenten lieferten eine einwandfreie Prüfung ab.

Arnautovic bittet Österreicher um Unterstützung

Zwar verweigerte sich Neuer der Debatte, ob die neue Innenverteidigung mit Per Mertesacker und Jérôme Boateng besser funktioniert habe als die Paarungen zuletzt. Doch offensichtlich ist Mats Hummels vorerst das Opfer der Defensivdebatte. Der Dortmunder fiel aus der Anfangself, Bundestrainer Joachim Löw begründete das später damit, dass Hummels gerade nicht mehr die Sicherheit habe wie in der vergangenen Saison. Dabei folgte die Ausmusterung Hummels einem Löwschen Prinzip: Erstens werden entscheidende Fehler wie der vor dem 0:1 gegen Paraguay zumeist schnell bestraft. Zweitens fremdeln Löw und Hummels weiterhin, die Spielweise des Dortmunders will einfach nicht zu den Vorstellungen des Bundestrainers passen. Auch wenn der beteuert: "Ich bin nach wie vor ein Fan von Mats Hummels."

Per Mertesacker indessen dürfte sich in München wieder fest in der Mannschaft etabliert haben. Denn auch das folgt einem Löwschen Prinzip: Der Ballgewinn vor dem 2:0 in der gegnerischen Hälfte ist die Leuchtturm-Aktion, an der sich der Bundestrainer nach dem Spiel ergötzte. Diese Art der Vorwärtsverteidigung predigt Löw, wenn sie dann in einem Moment so umgesetzt wird, steigt das Vertrauen in den Ausführenden und die Belohnung wird ein Stammplatz sein.

Im Mittelfeld dürfte sich das Fan-Dasein Löws für Toni Kroos gefestigt haben. Der Münchner zeigte im Offensivspiel wie zuletzt auch beim FC Bayern eine brillante Vorstellung, war immer anspielbar, verlor keinen Ball, zeigte schlaue Pässe wie vor dem 3:0 auf Benedikt Höwedes und erzielte mit einem seiner gefürchteten Fernschüsse das vorentscheidende 2:0. Die Antwort auf die Frage, ob ein Mittelfelddreieck Sami Khedira, Toni Kroos und Mesut Özil für ein entscheidendes WM-Spiel defensiv widerstandsfähig genug ist, gab es gegen Österreich indes nicht. Eine gewisse Schludrigkeit in den Zweikämpfen konnten Özil und Kroos nicht verbergen, die Österreicher aber nicht nutzen, weil sie im Angriff zu schwach besetzt waren.

In diesem Sinne eine fundierte Aussage zur Null-Gegentor-Debatte kam von Thomas Müller: "Nur weil wir mal ein Spiel zu Null gespielt haben, ist die Welt nicht gleich wieder in Ordnung."

Immerhin haben die Deutschen die WM-Qualifikation praktisch sicher, während die Hoffnung der Österreicher mächtig gedämpft war. Nun müssen sie gegen Irland, in Schweden und auf den Färöer-Inseln (was auch schon mal schiefging) alle Partien gewinnen. Der geknickte Marko Arnautovic bat deshalb die Öffentlichkeit fast rührend um Unterstützung. Es wäre nicht belebend, wenn "nun jeder auf uns draufhackt", sagte er. Er hoffe, dass die Zuschauer die Mannschaft am Dienstag anfeuern werden. "Wir brauchen das jetzt. Bitte!"

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