DFB: Schiedsrichter-Affäre:"Absolute Normalität"

Der ehemalige Funktionär Manfred Amerell erhöht den Druck auf den DFB und Präsident Zwanziger. Mit Hunderten Mails will er beweisen, dass Kempter "massiv gelogen" hat.

Thomas Kistner

Eine große Betriebsamkeit rund um sein Schiedsrichterwesen hat den Deutschen Fußball-Bund erfasst in diesen Tagen, da die Aufklärung der Beziehungsaffäre um den Ex-Schiedsrichterobmann Manfred Amerell und Fifa-Referee Michael Kempter aus den Händen des Verbandes in die der ordentlichen Justiz übergegangen ist. Ausgerechnet am vergangenen Samstag wurde Kempter erstmals nach Monaten wieder eingesetzt; beim Drittliga-Spiel in Sandhausen zeigt er gute Leistungen. Am Tag zuvor hatte der DFB bei einer Art Schnell-und Sonderparteitag seine Schiedsrichterei renoviert. Schon am Montag äußerten sich internationale Spitzenreferees, die von den besonderen Untiefen der Causa Amerell/Kempter keine Kenntnis haben, euphorisch über die Rückkehr des 27-Jährigen. Uefa-Schiedsrichterchef Yvan Cornu und Pfeifen-Legende Pierluigi Collina äußerten sich gegenüber dem sid: "Warum sollte er nicht eingesetzt werden?"

Aus fachlicher Sicht hat nie etwas gegen Kempter gesprochen. Andererseits wird nun der Inhalt jener Akte auf diverse Richtertische gelangen, die Manfred Amerell auch schon für seinen Verhandlungstermin am Montag gegen Theo Zwanziger zusammengestellt hat. Vor dem Augsburger Landgericht bezog der DFB-Boss die erste Niederlage auf einem Nebenschauplatz dieser Causa, deren juristische Aufarbeitung noch ganz am Anfang steht: Der Verbandsboss darf die Affäre nicht mit den Missbrauchsvorfällen in der katholischen Kirche vergleichen. Die 8. Zivilkammer bestätigte damit eine einstweilige Verfügung gegen Zwanziger vom 16.März, dem nun bei Zuwiderhandlung bis zu 250.000 Euro Strafe oder zwei Jahre Haft drohen.

Streitgegenstand war die Frage, ob eine Aussage Zwanzigers vor der Presse als Vergleich der Vorwürfe gegen Amerell mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche verstanden werden könne. Zwanziger hatte am 12. März gesagt, dass er froh sei, "dass dieses System durch den Mut von Herrn Kempter aufgedeckt worden ist. In anderen Lebensbereichen stellen wir fest, dass nach 40 Jahren die Leute sich melden, weil sie vorher keinen Mut dazu hatten." Der Umstand, dass Amerells Verfügungsantrag gegen den DFB-Chef zuvor auf einem nicht korrekt aufgeschriebenen Zitat basierte, machte die Sache aus Sicht des Gerichts nicht wirklich komplizierter. Der Vorsitzende Richter Rainer Brand sagte in der Urteilsbegründung, nicht jede Wortlautänderung bedeute eine Änderung des Sachverhalts, und wies den Einwand von DFB-Anwalt Christian Schertz ab, der ursprüngliche Antrag von Amerell dürfe nicht für das tatsächliche Zitat gelten. Für die Kammer sei klar, dass Zwanziger "Sachverhalte, die nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun haben", verglichen und so die Vorwürfe gegen Amerell auf eine Ebene mit den Handlungen pädophiler Priester gesetzt habe. Schertz sprach von einem Fehlurteil und kündigte Berufung an. Der sid zitierte Zwanziger so: "Das war nicht meine Aussage, sie entspricht nicht meinem Charakter."

Amerells Anwalt Jürgen Langer bewegt bereits das aus seiner Sicht Wesentliche. Der letzte Weg an dem für seinen Mandanten erfolgreichen Montag in Augsburg führte ihn zur Staatsanwaltschaft. Dort überreichte er einen Aktenordner mit Hunderten Mails und SMS, die Kempter seit Mitte Juli 2007 an Amerell geschickt hatte. Daraus, so Langer, sei klar erkennbar, "dass der bisher kolportierte Eindruck eines Systems Amerell völlig falsch ist und im Gegenteil der junge Michael Kempter mit Manfred Amerell über Jahre hinweg auf Augenhöhe Themen der Schiedsrichterei mitgestaltet und sogar versucht hat, Konkurrenten auszuschalten". Amerell selbst sagte am Montag in Augsburg, das Mail-Konvolut belege, wie eng sein Verhältnis zu Kempter gewesen sei und dass dieser "massiv gelogen" habe. Wer den Ordner lese, kriege "das Kotzen". Amerell empfahl auch dem neuen Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel die Lektüre: "Dann wird er nach Seite 5 zuklappen und sagen: Feierabend."

Anwalt Langer will die dem Landgerichtsurteil zugrunde liegenden Akten nun auch der Deutschen Fußball Liga (DFL) zukommen lassen, und damit, wie er sagt, "den eindeutigen Mailverkehr Kempters mit Amerell". Auf Anfrage, ob sie von den Unterlagen schon Kenntnisse habe, wollte die DFL am Dienstag keine Antwort geben. Langer sagt weiter, ihn habe das Gericht am Donnerstagmittag informiert, dass seine bis dahin eingereichten Unterlagen, "darunter ein Schriftsatz mit beigefügten Mails und SMS von Kempter an Amerell, per Boten an die Gegenpartei unterwegs sei". Angekommen sei dort erst am Freitag etwas, stellte Schertz am Dienstag klar.

Am Freitag war am Rande des DFB-Sonder-Bundestages in Frankfurt bekannt geworden, dass Kempter wieder in den Profibetrieb eingegliedert wird. Zwanziger hatte dazu am Freitagnachmittag vor der Presse erklärt: "Das ist für uns absolute Normalität, denn es gibt derzeit keine Vorwürfe, die gegen eine Ansetzung von Michael Kempter sprechen." Es gebe keine Erkenntnisse, die ihn auf irgendeine Art belasteten.

Der DFB äußerte sich am Dienstag nicht auf SZ-Anfrage, ob die von Manfred Amerell bei Gericht eingereichten Kempter-Mails zum Zeitpunkt dieser Schiedsrichter-Ansetzung schon bekannt waren. Stattdessen meldete sich sein Rechtsvertreter Schertz, der auch Zwanziger vertritt, und ließ verlauten, er habe seinen Mandanten empfohlen, zu einzelnen Fragen keine Stellung nehmen. Nur in dem Punkt wusste Schertz zu beruhigen: "Weder der DFB noch Herr Dr. Zwanziger hatten am Freitag Kenntnis von den E-Mail-Konvoluten, die die Anwälte von Herrn Amerell überreicht haben."

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